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Formula Student 2018
Um die Wette Autos bauen

Auf dem Hockenheimring messen sich an diesem Wochenende Hochschulteams aus aller Welt. Angehende Ingenieure wollen beweisen, dass sie die besten Fahrzeuge bauen. Anders als bei der Formel 1 kommt es dabei längst nicht nur auf die Geschwindigkeit an.

Von Thomas Wagner |
    Nico Rosberg beim Training in Hockenheim.
    Über den Hockenheimring fahren an diesem Wochenende keine Formel-1-Wagen, sondern von Studierenden gebaute Autos (imago sportfotodienst)
    Das Ding könnte als "Baby-Formel-1-Auto " durchgehen: Heckflügel, nach vorne spitz zulaufendes Cockpit: Vom Design her steht der Flitzer den großen Formel-1-Vorbildern in Nichts nach. Nur: Mit knapp eineinhalb Metern Länge ist er wesentlich kleiner - und fährt auch eher gemächlich über den Asphalt, muss sich dort allerdings über einen mit orangenen Pylonen abgesteckten Parcours durch enge Kurvenradien hindurchquälen:
    "Es geht gerade darum, dass eine liegende Acht gefahren werden muss. Und da geht es um die maximale Querbeschleunigung, die man erreichen kann. Und man fährt eben im Kreis. Und die schnellsten Runden zählen."
    Olaf Segschneider gehört zum Team "Ka-Racing", dem "Formula Student"-Team des KIT Karlsruhe - eines von 118 Hochschulteams aus aller Welt, die derzeit auf dem Hockenheimring um Punkte kämpfen. Nicht die Schnellsten gewinnen, sondern die Cleversten.
    "Weil es ein Konstruktionswettbewerb ist und keine Rennserie. Da wollen wir alles lernen, was überhaupt geht. Und das ist nicht nur Technik, sondern auch Organisation, Marketing, alles. Wir funktionieren wie eine kleine Firma. Und wir wollen alles mitnehmen, was geht."
    Geschwindigkeit ist nicht alles
    All dies, weiß Yagmur Damla Dokur vom Leitungsteam des Karlsruher "Ka-Racing"-Teams, fließt letztlich in die Gesamtbewertung ein: Wie wendig ist das Auto? Wie hoch der Verbrauch? Ist es betriebswirtschaftlich gut durchkalkuliert? Und dann geht es natürlich auch um technologische Innovationen. Viele Teams wollen bei der automobilen Zukunft ganz vorne mit dabei sein. So ist beispielsweise das Rennauto des Teams "AMZ driverless" der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich auf besondere Art unterwegs, nämlich:
    "Komplett autonom. Da schauen sich die Kameras die unterschiedlichen Corners an. Und je nachdem, wo die da sind, fährt das Auto dann durch."
    Erklärt Lisa Oberosier, Sprecherin des Schweizer Teams. Dafür aber müssen die 18 Studierenden-Teams, die bei der diesjährigen "Formula Student" mit selbstfahrenden Rennwagen antreten, aber mit einfachsten Mitteln auskommen. Improvisation wird zum Zauberwort.
    "Es ist super spannend. Das motiviert uns alle. Wir bekommen ja nichts bezahlt. Wir können fast keine Prüfungen schreiben, weil wir keine Zeit haben. Man muss schon sehr motiviert sein. Und das sind wir ja auch, weil es so neuartig, innovativ und spannend ist. Das hat wirklich mit dem Lernfaktor zu tun."
    Lernen, im Team zu arbeiten
    "Lernen einmal anders" - das ist der Knackpunkt, der die "Formula Student" auszeichnet. Die Studierenden in den Teams kommen aus allen nur möglichen Fachrichtungen ihrer Uni. Manche sind Ingenieure, andere Mechatroniker oder Betriebswirtschaftler. Über Monate hinweg in einem Team an einem Projekt arbeiten, das kommt einer Art des Lernens gleich, die die Uni mit ihrem klassischen Vorlesungs- und Seminarbetrieb nicht bieten könne, meint Christine Sonner vom Team "Ka-Racing" aus Karlsruhe:
    "Diese Erfahrung, die wir hier mitnehmen, indem wir in einem Team arbeiten, das hat man in einer Uni einfach nicht so. Und wir haben viel mehr den Praxisbezug, dass wir jetzt was konstruieren in unserer Designphase. Das ist an der Uni manchmal nicht so. Da konstruieren wir auch Sachen. Aber da testen wir nie, wie's funktioniert. Sowas lernt man an der Uni nicht. Das lernt man nur bei uns."
    Team Kollegin Yagmur Damla Dokur steht daneben, nickt mit dem Kopf. Wichtig sei die Teamleistung an sich - und die Erfahrungen, die die Studierenden dabei sammeln können:
    "Die Teamarbeit ist auf jeden Fall sehr wichtig, die Koordination zwischen den einzelnen Subteams, weil wir alle dabei eigentlich unerfahren sind und dabei lernen, die Verantwortung zu tragen."
    Große Firmen suchen die Fachkräfte von morgen
    Genau darauf kommt es dieser Tage an auf dem Hockenheimring. Dort sind nicht nur die rund 4.000 Studierenden der 118 Teams zugange, sondern auch Vertreter aller großen Automarken und der großen Zulieferer. Viele von ihnen sponsern auch die einzelnen Teams - mit Geld, aber auch mit Teilen wie Getriebe, Reifen, Motorenkomponenten. Das tun sie nicht so ganz uneigennützig. Denn alle buhlen um die Gunst der besten Fachkräfte von morgen und übermorgen. Martin Frick arbeitet als Personalmanager für den Auto-Zulieferer ZF Friedrichshafen, der alleine 39 "Formula Student"-Teams unterstützt.
    "Also wir suchen genau diejenigen, die eben für uns auch Innovationen treiben, die für uns Dinge entwickeln. Und wir suchen natürlich auch diejenigen Talente, die leistungsbereit sind, die sich reinhängen, und bei denen man am Ende auch das Funkeln in den Augen sieht, wenn sie über Technologiethemen sprechen. Die sind durch die Projekthölle gegangen. Das heißt: Die wissen genau, was Team Building bedeutet. Die wissen auch, dass es schwierig ist, Zeiten durchzustehen, in denen es nicht so gut läuft. Die haben die ganzen Social Skills dabei. Die wissen, dass man Leute motivieren muss, dass man sie bei der Stange halten muss. Dass es auch wichtig ist, dass es etwas zum Essen gibt. "
    Allerdings: Die Mittagessenszeit ist längst vorbei, die Motoren der kleinen Rennwagen knattern wieder. Am Sonntagabend werden die Sieger feststehen.