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Erderwärmung
Forschende warnen vor Kipppunkten bei acht wichtigen Natursystemen

Wegen der Erderwärmung könnten in den kommenden Jahren mehrere Ökosysteme unwiederbringlich geschädigt werden. Einem neuen Bericht zufolge kommen insgesamt acht Systeme an einen sogenannten Kipppunkt. Die Wissenschaftler rufen dazu auf, positive Kipppunkte entgegenzusetzen.

    Vogelperspektive auf Grönland. Neben Eis befinden sich dort vor allem Gräser, Büsche und Moore. Forscher berichten von Bräsen seit Ende Juli.
    Vogelperspektive auf Grönland - der dortige Eisschild ist akut von der Erderwärmung gefährdet. Sein Abschmelzen gilt als Kipppunkt, der den Klimawandel weiter beschleunigen könnte. (imago / Kata)
    Nach Angaben des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) drohen fünf großen Natursystemen schon jetzt unumkehrbare Umwälzungen. Zu diesen fünf Systemen zählen etwa der grönländische und der westantarktische Eisschild. Studien zufolge könnte es dort bereits zu einer Destabilisierung gekommen sein, sagte der Klimaforscher Jonathan Donges, der an der Kipppunkt-Studie mitgewirkt hat, im Deutschlandfunk.
    Dem PIK-Forscher zufolge liegt der Kipppunkt des Grönland-Eisschilds zwischen 1 und 3 Grad Erderwärmung - mit einer derzeit um 1,2 Grad wärmeren globalen Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter befinde man sich bereits im Unsicherheitsbereich.

    Donges: Meeresspiegel könnnte um sieben Meter ansteigen

    Allein durch ein vollständiges Abschmelzen des Grönland-Eisschilds könne der weltweite Meeresspiegel im Laufe von Jahrhunderten um sieben Meter ansteigen. Aber die Weichenstellung, ob das noch verhindert werden könne, passiere in den nächsten fünf bis 20 Jahren, sagte Donges. Die Politik müsse deshalb nach dem Vorsorgeprinzip handeln und die Treibhausgasemissionen rasch senken. Dabei könne auch einen Unterschied machen, ob man eine globale Durchschnittstemperatur nur über wenige Jahre hinweg oder dauerhaft überschreite.

    Intensive Debatte über Kipp-Punkte

    Ein weiterer akut bedrohter Kipppunkt ist die sogenannte subpolare Wirbelzirkulation im Nordatlantik - vereinfacht gesagt dient sie als Umwälzpumpe für Meerwasser verschiedener Temperaturen, deren Ausfall die Erderwärmung beschleunigen könnte. Bei einer Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad könnten in den 2030er Jahren drei weitere Systeme bedroht sein, nämlich nördliche Wälder, Mangroven und Seegraswiesen.
    Von Kipppunkten ist in der Forschung die Rede, wenn bestimmte Klima-Phänomene Schwellen überschreiten, ab denen sie nicht rückgängig gemacht werden können. Das Konzept der Kipppunkte und damit verbundene Unsicherheiten werden in der Wissenschaftsgemeinde zum Teil intensiv diskutiert.

    Auch Chance einer Stabilisierung

    Der Bericht wurde am Vormittag auf der Weltklimakonferenz in Dubai vorgestellt. Die Koordination des Papiers lag bei der britischen Universität von Exeter und dem "Bezos Earth Fund". Die rund 200 Autorinnen und Autoren sehen aber auch eine Chance, sogenannte positive Kippunkte einzuleiten, um den Planeten zu stabilisieren. Als Beispiele werden der Ausbau erneuerbarer Energien und der Umstieg auf Elektromobilität genannt. Es handele sich um selbstverstärkende Veränderungen ähnlich wie beim Klimawandel, nur dass sie in diesem Fall positiv seien, sagte Studien-Koautor Donges im Deutschlandfunk.
    "Eine Kaskade positiver Kipppunkte würde Millionen von Leben retten, Milliarden Menschen Leid ersparen, Billionen von Dollar an Schäden verhindern und den Anfang für eine Wiederherstellung der Natur machen, auf die wir alle angewiesen sind", hieß es dazu auch in der Mitteilung der Universität Exeter.

    Weiterführende Informationen

    Klima-Bericht: Forschende warnen vor Kipp-Punkten
    Diese Nachricht wurde am 06.12.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.