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Forscher zu Unwetter-Katastrophe
"Risiko für solche Ereignisse eigentlich für jeden Standort in Deutschland"

Das Risiko für Ereignisse wie das aktuelle Unwetter werde im Zuge des Klimawandels zunehmen, sagte Jürgen Jensen vom Institut Wasser und Umwelt im Dlf. Sich auf solche Extremereignisse einzustellen sei schwierig, aber es gebe Möglichkeiten - etwa bei der staatlichen Katastrophenabwehr.

Jürgen Jensen im Gespräch mit Arndt Reuning |
Der Ortskern von Gelsdorf (Kreis Ahrweiler)ist nach dem Starkregen überflutet. Tief Bernd bringt Regen über Eifel und Hunsrück, die Hochwassergefahr steigt.
Unwetter in Rheinland-Pfalz (picture alliance/dpa | Thomas Frey)
In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind nach lang anhaltendem Starkregen Flüsse und Bäche über die Ufer getreten und Talsperren übergelaufen. Besonders im Ruhrgebiet, im Rheinland und in der Eifel stehen Straßen, Häuser und ganze Orte unter Wasser. Es gibt zahlreiche Todesopfer.
Die mit einer Drohne gefertigte Aufnahme zeigt die Verwüstungen die das Hochwasser der Ahr in dem Eifel-Ort angerichtet hat. 
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Die Dynamik und das Ausmaß der Ereignisse in den vergangenen 24 Stunden haben viele Menschen nicht nur in den betroffenen Gebieten überrascht. Das Geschehen im Westen der Republik sei "eher dem Bereich Naturkatastrophe zuzuordnen als eben einer beherrschbaren Wetterlage", sagte Professor Jürgen Jensen vom Forschungsinstitut Wasser und Umwelt der Universität Siegen. Dennoch sieht er Verbesserungsmöglichkeiten bei Einsatz- und Alarmplänen sowie bei den Hochwasserwarndiensten.

Arndt Reuning: Herr Jensen, woran liegt es denn, dass die Regenfälle und das anschließende Hochwasser solch eine verheerende Zerstörungskraft entwickelt haben?
Jürgen Jensen: In diesem Fall war es eine unglückliche Kombination aus Dauerregen und Starkregenereignissen, die sich durch das Tief Bernd konzentriert haben auf bestimmte Bereiche mit extrem hohen Intensitäten, also Niederschlagsmengen, die schon sehr außergewöhnlich sind. Die haben dann in der Summe zur Vorfüllung von kleinen Bächen, zur Vorfüllung von Talsperren – und in manchen Bereichen eben auch zu einer totalen Überlastung der Gewässer- und Kanalisationssysteme, die dann in der Folge eben die Bilder geliefert haben, die wir jetzt alle gesehen haben.

"Hochwasserwarndienste verbessern"

Reuning: Was hätte man denn tun können, um den Verlust von Menschenleben und die Zerstörungen an den Gebäuden und Straßen zu verhindern?
Jensen: Das ist eine schwierige Frage, ich fürchte, man kann nicht ausreichend sich darauf vorbereiten. Es ist in dem Fall eher eine Naturkatastrophe, als dass es ein beherrschbares Wetterereignis war. Die Intensität, die Mengen waren eben so groß, dass die Bemessungen von Kanalisationssystemen zum Beispiel dafür nicht üblich sind, bei Weitem nicht üblich sind und dass natürlich bei solchen Ereignissen dann Überlastungen auftreten, ist die logische Folge, was leider eben auch zu doch mittlerweile vielen Todesfällen geführt hat. Möglichkeiten der Vorsorge sind eben bescheiden, es ist eher dem Bereich Naturkatastrophe zuzuordnen als eben einer beherrschbaren Wetterlage.
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Dennoch kann man natürlich durch die staatliche Vorsorge, Eigenvorsorge, durch Veränderungen in der Planung Dinge im Detail verbessern, auch die Katastrophenabwehr verbessern, also Einsatzpläne, Alarmpläne, um schneller zu evakuieren. Die Hochwasserwarndienste kann man verbessern, es gibt also eine Summe von Maßnahmen, die aber vermutlich alle nicht gut genug sind, um so etwas gänzlich zu vermeiden. Man muss einfach ganz grundsätzlich festhalten, dass das Risiko für solche Ereignisse eigentlich für jeden Standort in Deutschland gilt. Es kann immer mal wieder eine solche Wettersituation auftreten. Und dann sind das leider die logischen Konsequenzen.
Reuning: Und solche Extremwetterereignisse, müssen wir uns denn darauf einstellen, dass die in Zukunft auch zunehmen werden, dass sie also häufiger auftreten werden?
Jensen: Ja, im Zuge des Klimawandels, der mittlerweile ja ein Fakt ist, müssen wir davon ausgehen, dass die Extremereignisse eben häufiger auftreten oder sich stärker ausprägen. Dazu gehören neben der Dürre der letzten Jahre eben auf der anderen Seite auch Starkregen, lang anhaltende Dauerregenereignisse, wie wir sie jetzt zu beobachten haben. Das Risiko für solche Ereignisse wird im Zuge des Klimawandels zunehmen.

"Potenzial in der Flächenvorsorge, in der Eigenvorsorge"

Reuning: Da befinden wir uns aber in einer gewissen Zwickmühle: Die Ereignisse werden in der Frequenz häufiger, und gleichzeitig können wir uns nicht ausreichend davor schützen.
Jensen: Ja, es ist eine große Herausforderung. Das gilt für viele Teile im Bereich der Wasserwirtschaft und auch Hochwasservorsorge, Küstenschutz. Es ist schwierig, sich auf solche Extremereignisse einzustellen, wie ich versucht habe anzudeuten, es gibt Möglichkeiten. Ich sehe durchaus Potenzial in der Flächenvorsorge, in der Eigenvorsorge. Diese bedauerlichen Unglücke, Todesfälle sind ja auch zum Teil auf nicht vernünftiges Verhalten leider zurückzuführen. Man kann durch weitere Aufklärung und Vorbereitung auf Hochwasserereignisse sowohl im privaten Bereich als auch im öffentlichen Bereich die Risiken reduzieren, vor allem die Risiken de Verlustes von Menschenleben. Aber in der Summer werden wir auch zukünftig mit solchen Naturereignissen, Naturkatastrophen leben müssen.
Reuning: Wir wissen ja von bestimmten Gegenden, dass dort häufiger Hochwasser auftreten, teilweise ist das ja auch überliefert durch alte Flurnamen. Gleichzeitig werden immer weitere Flächen als Bauland ausgewiesen. Werden wir denn in Zukunft verstärkt darauf achten müssen, wo wir genau bauen?
Jensen: Das ist sicherlich eine der wesentlichen Aufgaben eigentlich schon für die Vergangenheit gewesen, leider nicht so umgesetzt, wie wir uns das als Wasserbauer, Wasserwirtschafter gewünscht hätten. Natürlich sollte man in gefährdeten Bereichen entweder baulich angepasst bauen oder eben auch gefährdete Bereiche eben nicht so intensiv bebauen. Je mehr Werte wir in gefährdete Bereiche bauen, desto größer eben auch das Risiko, desto größer der Schaden. Also, eine bauliche Anpassung wäre wirklich angeraten. Und eben auch da, wo jetzt vielleicht tatsächlich Häuser eingestürzt sind, entweder eine komplett andere Bauweise wählen oder auch mal auf einzelne Objekte verzichten und in diesen Bereichen dem Gewässer eben mehr Raum geben. Also, man kann sehr wohl einiges für die Zukunft tun, aber das braucht viel Zeit und bedarf auch Geduld, um es umzusetzen. Aber Möglichkeiten haben wir schon. Und hier ist es wirklich höchste Zeit, dass wir auch unsere Planung verändern und eben auch in der Eigenvorsorge mehr tun.

Faktor Oberflächenversiegelung "von untergeordneter Bedeutung"

Reuning: Welche Rolle spielt denn die Versiegelung von Oberflächen? Betroffen von dem Hochwasser waren ja zum Beispiel auch entlegene Orte in der Eifel, und ich würde denken, dass der Bebauungsgrad dort eher gering ist.
Jensen: Ja, das ist ein Thema, das in dem Zusammenhang ja häufig adressiert wird. Die Versiegelung von Oberflächen und damit die Beschleunigung des Abflusses, der Abflusskonzentration ist in diesem Zusammenhang eigentlich nicht von großer Bedeutung. Dort, wo wir die großen Schäden hatten, wo eben extrem hohe Wassermengen aufgetreten sind, die eben zu Überflutungen und den entsprechenden Schäden geführt haben, da spielt die Oberflächenversiegelung eigentlich keine Rolle. Das ist mehr ein Thema im innerstädtischen Bereich, das kann in Wuppertal ein Thema gewesen sein, wo sicherlich die große Versiegelung sicherlich auch oberflächlich Wasser stärker zusammenführt.
Aber in den Bereichen, wo wir tatsächlich auch große Schäden hatten, spielt die Oberflächenversiegelung eine deutlich untergeordnete Rolle. Das ist also eher eine Frage bei Ereignissen, die nicht diese Intensität haben, da kann die Oberflächenversiegelung eine größere Rolle spielen. Bei solchen großflächigen Extremereignissen ist das eigentlich eher von untergeordneter Bedeutung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.