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Forscher zu Wanderbewegungen von Fischen
"Nationale Fanggebiete sind nicht isoliert"

Fische halten sich nicht an Grenzen nationaler Fischereizonen: Ihr Laichgebiet und der Fangort liegen oft meilenweit auseinander. Deshalb müssten die Staaten stärker kooperieren – sowohl beim Fischereimanagement als auch beim Schutz, sagte Forscher James Rising im Dlf.

James Rising im Gespräch mit Monika Seynsche |
Ein mäßiger Fang für die senegalesischen Kleinfischer in Joal Fajiout. Nur ein paar Fische liegen am Strand. Im Hintergrund einige Boote.
Durch die Wanderbewegungen des Laichs entstehen "Hotspots" der Abhängigkeit zwischen Staaten mit Fischerei (Peter Dörrie)
Monika Seynsche: Was genau haben Sie in Ihrer Studie untersucht? Was genau haben Sie sich angeschaut?
James Rising: Wir wollten verstehen, wie die Fischfanggebiete verschiedener Staaten miteinander vernetzt sind. Wir glauben, das ist wichtig, weil die meisten, wenn nicht alle nationalen Fischereizonen so behandelt werden, als wären sie völlig isolierte Regionen. Aber in Wirklichkeit findet ein konstanter Austausch zwischen den Gebieten statt. Und deshalb haben wir uns angeschaut, auf welche Weise der Laich und damit die Eier der Fische internationale Grenzen überwinden.
Wenn sie das tun, sind sie Teil des Planktons und schwimmen mit diesem wohin auch immer die Strömungen es treibt. Wir haben also für 700 verschiedene Fischarten die Wege des Laichs modelliert. Dann haben wir uns angeschaut, wie viel Fang und wieviel Wert dieser Laich für alle Fischereien der Welt repräsentiert. Und wir haben versucht, einige Hotspots zu identifizieren, wo die Abhängigkeit zwischen verschiedenen Ländern besonders hoch ist. Zum Beispiel in den Tropen gibt es viele Regionen, wo diese Ströme des Laichs aus anderen Staaten sehr wichtig für die Nahrungsmittelversorgung, für Jobs in der Fischerei und für die Wirtschaft im Ganzen sind.
Ökonomischen Wert des Fischfangs berechnet
Seynsche: Und können Sie diese wirtschaftliche Abhängigkeit beziffern?
Rising: Ja. Es sind im Ende zehn Milliarden US-Dollar gefangene Fische jedes Jahr. Wir haben das herausgefunden, indem wir für jedes Land den Wert jedes Fisches, der dort gefangen wird, berechnet haben. Wir kennen die Fangzahlen der industriellen Fischerei und haben geschätzt, wie viele es bei der Fischerei für den Eigenbedarf sind. Wir wissen also, wieviel gefangen wird und was der Marktwert der Fische ist. Und dann haben wir diesen Wert verteilt auf die ganzen verschiedenen Orte, wo jeder der Arten laicht. Wenn eine Art also zum Beispiel nur in der Karibik laicht aber entlang der südamerikanischen Küste gefangen wird, dann wissen wir, dass das an einer internationalen Strömung liegt, die in diese Fänge hineinspielt.
Internationale Kooperationen für Schutzgebiete
Seynsche: Und wie könnten diese Ergebnisse Gesetzgebungen beeinflussen, also wie könnten sie in Gesetze zum Schutz der Fische oder der Fischereien einfließen?
Rising: Wir hoffen, dass das die Tatsache deutlich macht, dass nationale Fischereien nicht isoliert sind. Und der wichtigste Weg, wie das in Gesetzen und Richtlinien zum Fischereimanagement besser reflektiert werden kann, sind internationale Kooperationen. Damit Länder, die voneinander abhängen, besser miteinander reden können. Eine der konkretesten Maßnahmen wäre es, Regionen zu schützen, die für beide Staaten wichtig sind. Oft sind die Laichgründe geographisch sehr spezifisch. Wir wissen, wo sie sind und könnten dort Schutzgebiete errichten. Denn wenn Fischer durch solche Gebiete trawlern, stören sie das Laichen. Das schadet sowohl ihrer eigenen Fischerei als auch der Fischerei in anderen Ländern. Wir wollen dazu ermutigen, mehr von diesen Laichgebieten unter Schutz zu stellen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: An der Westküste Afrikas gibt es starke Strömungen, die von Nordwesten nach Südosten gehen, also nach Süden entlang der Küste. Dadurch füttern die Staaten weiter im Norden jene Staaten, die weiter südlich liegen.
Diskussion um Ökosystemdienstleistungen
Seynsche: Aber wie kriegen Sie die nördlicheren Staaten dazu, Laichgebiete zu schützen, die ihnen selbst gar nichts bringen, da die Fische erst weiter südlich gefangen werden?
Rising: Ich denke, da gibt es jede Menge schwieriger Punkte rund um dieses Thema. Es ist Teil einer Diskussion zwischen Wissenschaftlern und Politikern, um sogenannte Ökosystemdienstleistungen. Die Länder im Süden könnten den Ländern im Norden Subventionen zahlen, damit diese Gebiete schützen, auf die die südlichen Staaten angewiesen sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.