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Forscherin zum Welt-Klimagipfel
"Nationale CO2-Reduktionsziele müssen vergleichbar werden"

Beim 25. Welt-Klimagipfel verhandeln rund 30.000 Experten darüber, wie sich die Erderwärmung effizient eindämmen lässt. Aus Sicht der Physikerin Ulrike Kornek vom Berliner Mercator-Institut für Klimawandelforschung müssten dafür in Madrid drei wichtige Weichen gestellt werden.

Ulrike Kornek im Gespräch mit Ralf Krauter |
Das Logo des 25. Weltklimagipfel in Madrid.
Statt in Chile findet der Gipfel nun in Madrid statt (picture alliance/MAXPPP)
Ralf Krauter: Dass die Lage brenzlig ist, davor warnen Wissenschaftler schon seit vielen Jahren. Und diese Botschaft ist inzwischen auch in der Politik angekommen. Das Europaparlament in Straßburg zum Beispiel hat vergangene Woche den Klimanotstand ausgerufen. Aber was müsste beim Weltklimagipfel in Madrid jetzt konkret passieren, damit der Kampf gegen die Erderwärmung endlich vorankommt? Das habe ich vorhin Ulrike Kornek gefragt, die am Berliner Mercator Institut für Klimawandelforschung die Arbeitsgruppe "Governance" leitet.
Ulrike Kornek: Für die UN-Klimakonferenz COP25 in Madrid geht es jetzt darum, die fragile Kooperation, die innerhalb des Pariser Klimaabkommens zwischen den Staaten entstanden ist, zu stabilisieren und das Ambitionsniveau weiter nach oben zu treiben. Und ich sehe dafür drei wichtige Dinge, die passieren müssen im laufenden Jahr. Einmal müssen die nationalen Ziele der Länder, die in den sogenannten Nationally Determined Contributions (NDCs) festgelegt sind - also da sagen die Länder, wie viel sie an Klimaschutz machen möchten, in welchen Bereichen und durch welche Instrumente - vergleichbar gemacht werden. Damit eben das Ambitionsniveau der einzelnen Länder weltweit harmonisiert werden kann und wir Klimaschutz, der auch tatsächlich etwas bedeutet, zukünftig umsetzen können.
"Die Versprechungen müssen umgesetzt werden"
Das führt auch gleich zum zweiten Punkt, der wichtig ist: Die Umsetzung der Ziele, die in den NDCs festgeschrieben sind. Das heißt, hier gilt es, diese Versprechungen, die gemacht wurden von den einzelnen Ländern für das Pariser Abkommen, auch tatsächlich in nationale Gesetze umzusetzen, damit die Reduktionsziele für Treibhausgas-Emissionen keine Versprechungen bleiben, sondern bis 2030 auch wirklich umgesetzt werden.
Und als drittes ist wichtig: In diesem Rahmen der Stabilisierung und Anhebung der Kooperation zwischen den Ländern sollten diese nationalen Ziele auch weiter angepasst werden. Also sie sollten ambitionierter werden. Und hier ist es wichtig, dass Kooperation gestärkt wird. Das heißt eben, dass ein Land eben nicht nur sein Ambitionsniveau anzieht, in dem es eben ein höheres Emissionsreduktionziel hat, ohne dass die anderen Ländern was machen. Damit wir globalen Klimaschutz erreichen können, ist es wichtig, dass wir Kooperation durch neue Institutionen aufbauen, die sicherstellen, dass eben wenn ein Land sein Ambitionsniveau anzieht, auch die anderen Länder mitziehen. Und hier ist gerade die Vergleichbarkeit der nationalen Ziele wichtig, damit das auch messbar passiert und dann auch umgesetzt wird durch nationale Gesetze.
Krauter: Wenn die Vergleichbarkeit der nationalen Zusagen beziehungsweise Selbstverpflichtungen das Entscheidende ist - woran scheitert das bislang? Ist es so, dass man da bisher Äpfel mit Birnen vergleicht? Kann man das so sagen?
Kornek: Das kann man so sagen ja. Derzeit sind die Nationally Determined Contributions für industrialisierte Länder durch Emissionsreduktionen bezüglich verschiedener Basisjahre festgelegt. Und da ist die Vergleichbarkeit eben besonders schwierig. Das heißt, wenn zum Beispiel Deutschland ein Reduktionsziel von, sagen wir, fünf Prozent, aus der Luft gegriffen, bezüglich des Jahres 2005 formuliert, dann entspricht das einem sehr viel niedrigeren Ambitionsziel als wenn China zum Beispiel ein Reduktionsziel von fünf Prozent für das Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 2005 hat - da Chinas Ökonomie noch viel weiter wachsen wird.
Ein Preis für CO2 könne Vergleichbarkeit sicherstellen
Und hier schlagen wir eben vom Mercator Research Institut vor, dass eine Vergleichbarkeit viel eher dadurch gegeben ist, dass die Länder Preise für CO2 festlegen, um ihre Emissionsreduktionsziele umzusetzen. Denn bei einem Preis von beispielsweise 50 Euro pro Tonne CO2 kann man das Ambitionsniveau direkt sehen und vergleichbar machen zwischen den Ländern.
Krauter: Nach der Weltklimakonferenz 2018 in Kattowitz hat Ottmar Edenhofer, der Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, in seiner persönlichen Bilanz von einem Zitat "beispiellosen Staatsversagen" gesprochen. Denn selbst wenn alle Unterzeichner des Pariser Klimaabkommens ihre bisher gemachten Zusagen einhalten sollten - wonach es bisher nicht aussieht -, wäre es auf der Erde gegen Ende des 21. Jahrhunderts im Mittel wohl drei Grad wärmer als zu Beginn des Industriezeitalters. Wie optimistisch sind Sie, dass in Madrid jetzt vielleicht wirklich eine neue Dynamik entsteht, die Grund zur Hoffnung gibt?
Kornek: Also Madrid ist der Startpunkt dafür, dass das Pariser Abkommen darauf getestet wird, ob es halten wird, was es verspricht. Denn über das nächste Jahr sind die Staaten dazu aufgerufen, ihre nationalen Ziele in den NDCs nochmals zu überarbeiten, um diese Lücke zu schließen, die Herr Professor Edenhofer beschrieben hat. Und diese Verhandlungen starten jetzt in Madrid und ich sehe da gute Chancen, dass es zu höheren Zielen kommt zwischen den Staaten und die Indizes angehoben werden.
"Kooperation aufbauen zwischen den Ländern"
Das Wichtige wird dann sein, dass erstens diese Ziele dann eben auch umgesetzt werden durch nationale Gesetze und dass dieses Anziehen, auch gemeinsam stattfindet. Weil wir, wenn wir den globalen Klimawandel vermeiden wollen, ein höheres Ambitionsniveau in allen Staaten brauchen. Und hier sollte eben ein Fokuspunkt auch schon in Madrid darauf liegen: Dass man Kooperation aufbaut zwischen den Ländern, damit die Anhebung der Ambitionsniveaus nicht nur in einigen Staaten, sondern in vielen wichtigen Staaten stattfindet.
Krauter: Die USA sind da ja erstmal nicht mehr mit am Tisch. Aber China und Europa zum Beispiel könnten eine wichtige Rolle spielen?
Kornek: Genau, das sehe ich auch so. Hier wäre es vielversprechend, wenn Europa sich zusammensetzt und mit China gemeinsam verhandelt: Wie könnte ein bilaterales Abkommen zwischen Europa und China aussehen, das dazu führt, dass die CO2-Preise sowohl in Europa als auch in China zukünftig ansteigen und dadurch gemeinsam mehr Emissionsreduktionen entstehen? Und als Weiterentwicklung könnte man dann sehen, wie dieses Modell auf die gesamten G20-Staaten erweitert werden kann, um wirklich bedeutungsvolle Emissionsreduktion ab 2020 bis 2030 zu erreichen.
Krauter: Also Europa spielt durchaus eine wichtige Rolle. Schauen wir mal speziell auf Deutschland. Welche Rolle können die deutschen Unterhändler da spielen? Weil mit dem Kohleausstieg im Schleichtempo bis 2038 und dem de facto Stillstand beim Ausbau der Windenergie, den wir aktuell zu verzeichnen haben, sind wir ja schon länger kein Vorbild mehr für andere Länder. Schwächt das die Position der deutschen Unterhändler in Madrid?
Kornek: Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es die Position schwächt, sondern es bietet eher Raum dafür, dass Deutschland jetzt konditionale Angebote macht innerhalb von Europa. Das heißt: Deutschland könnte voranschreiten und dafür kämpfen, dass innerhalb von Europa ein Mindestpreis für CO2-Emissionen oder Treibhausgasemissionen allgemein eingeführt wird. Und dieser CO2-Preis könnte dann eben innerhalb der G20-Staaten verhandelt werden, dass der angezogen wird. Aber nur, wenn die anderen Staaten eben auch mitmachen und ihre nationalen Instrumente für Klimaschutz und Emissionsreduktion auch ambitionierter werden.
Krauter: Was wäre ein guter Startpunkt für einen CO2-Preis? 50 Euro pro Tonne, sagten sie?
Kornek: Das wäre ein CO2-Preis, der innerhalb von Europa konsistent mit der Umsetzung der Pariser Klimaziele wäre.