"In unserem Institut untersuchen wir die Wechselwirkungen zwischen Klima und Artenvielfalt. Also, welchen Einfluss hat das Klima auf die Artenvielfalt, auf die Biodiversität im Großen, aber auch umgekehrt: welchen Einfluss hat die Biodiversität – alles, was grün ist - auf das Klima?"
Auf diese Formel bringt Katrin Böhning-Gaese den Auftrag des Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt am Main, dem sie als Direktorin vorsteht. Um solche umfassenden Fragen beantworten zu können, braucht es große Mengen Sammlungsmaterial und zwar in doppelter Hinsicht – die Sammlung muss ein großes geographisches Gebiet abdecken und ebenso am besten eine gewisse Zeitspanne, um Veränderungen an Tieren und Pflanzen an einem Ort untersuchen zu können. Mit letzterem befasst sich Georg Zizka.
Der Botaniker kann auf eine riesige wissenschaftliche Sammlung getrockneter Pflanzen – ein so genanntes Herbar - zurückgreifen. "Das hat über 1,2 Millionen Belege, es ist das fünftgrößte in Deutschland und, ich glaube, das 30-größte der Welt. Es ist also schon ein großes Herbar, das ein international genutztes Forschungsinstrument ist."
Von klassisch bis genetisch
Das Frankfurter Herbar beherbergt einige historisch besondere Stücke, etwa einen Dubletten-Satz der Forster-Sammlung von der 2. Cook’schen Weltumseglung. Mittlerweile forschen sie hier nicht nur mit klassischen Methoden der Botanik, sondern die genetischen Arbeiten im Labor werden immer wichtiger und sorgen regelmäßig für Überraschungen.
"Da zeigt sich zum Beispiel mit den molekularen Untersuchungen, dass bei der Ananas in dem Verwandtschaftskreis andere Arten noch dazu gehören anhand der genetischen Informationen, die man bisher überhaupt nicht in dem Verwandtschaftskreis gesehen hat."
Neben der Etablierung neuer Methoden steht ein anderes Vorhaben auf der Agenda, so Georg Zizka, nämlich die vollständige Digitalisierung der Sammlung, damit diese weltweit der Wissenschaft zur Verfügung steht. "Wir haben beim Herbar etwa 150.000 Belege digitalisiert, also es sind etwas mehr als zehn Prozent."
Von Pflanze bis Vogel
Von ihrem noch recht neuen Forschungsinstitut bis zum 1904 gegründeten Senckenberg Museum sind es nur ein paar Minuten zu Fuß. Direktorin Katrin Böhning-Gaese ist auf dem Weg in die Vogelsammlung. "Es gibt etwa 10.000 Vogelarten, je nachdem wie die gezählt werden und von den 10.000 Arten sind tausend etwa, knapp tausend hier ausgestellt. Und das ist meines Wissens die größte Ausstellung von verschiedenen Vogelarten, die es überhaupt gibt."
Ein bisschen Stolz schwingt in der Stimme der Wissenschaftlerin mit. Die meisten der hier ausgestellten Exemplare sind rund einhundert Jahre alt. Die Sammlung an sich besteht aus knapp 100.000 Vogelpräparaten. Die alten Präparate lagern zwei Stockwerke höher.
Hier beginnt das Reich von Kurator Gerald Mayr, der in den alten Teil dieser Tiersammlung führt. "So, jetzt sind wir hier in dem Raum, in dem die Vogelpräparate aufbewahrt werden, das sind ganz viele alte Holzschränke, zu denen wir auch ganz viele verschiedene Schlüssel haben, also ich laufe hier so rum wie ein Nachtwächter mit einem riesigen Schlüsselbund - und hier riecht es ziemlich schlimm nach Mottenpulver."
Gerald Mayr will für ein aktuelles Forschungsprojekt eine Schublade mit den Bälgern verschiedener Tannenhäher für eine Untersuchung aus der Sammlung holen. "So, jetzt schließe ich eine dieser Holzschränke auf, in dem die Tannenhäher drin sind."
Von Präparat bis Naturschutz
Die Vögel sind hier licht- und mottendicht untergebracht. Das Alter ist den teilweise mehr als 120 Jahre alten Exemplaren nicht anzusehen. Bei dem Forschungsprojekt wollen das Team um Gerald Mayr und Katrin Böhning-Gaese die Schnäbel der Vögel dreidimensional vermessen. "Der Tannenhäher ist für uns interessant, weil der eine ganz enge Beziehung mit nur einer Baumart hat, der Arve, der Zirbelkiefer. Die ist eine ganz seltene Baumart in den Alpen und auch darüber hinaus verbreitet und die macht oben die Waldgrenze aus."
Und diese Grenze hat sich in einigen Gebieten in Asien und Europa durch den Klimawandel weiter nach oben verschoben – mit Hilfe der Tannenhäher. Die Vögel legen ihre Samenverstecke auch oben in den Almwiesen an und bringen die Bäume damit den Berg nach oben. Allerdings zeigen aktuelle Daten gewaltige Veränderungen in diesem eingespielten System von Vögeln und Bäumen.
"Was jetzt ein Problem ist, das haben wir erst vor kurzem festgestellt ist, dass die Tannenhäher dramatisch zurückgehen. Wir haben die Langzeittrends von allen Vogelarten in Mitteleuropa, die häufig sind, untersucht und geschaut, welche sind aufgrund ihrer kalten Klimanische durch den Klimawandel besonders bedroht und eine von den Arten ist der Tannenhäher."
In Zahlen ausgedrückt: in den letzten 25 Jahren gab es bei den europäischen Tannenhähern einen Rückgang um 50 Prozent. "Damit verlieren die Bäume ihre Spediteure, also die kommen eben dann nicht mehr so einfach in die höheren Lagen und damit kommt dann eben auch eine wirkliche Naturschutzrelevanz in so Messungen an Schnäbeln, die eigentlich total verstaubt auf den ersten Blick wirken."