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Forschung an Mischwesen
Menschliche Stammzellen in Affenembryos

Spenderorgane für Menschen in Tieren heranzuzüchten, diese Idee gibt es schon länger. Nun haben Forscher menschliche Stammzellen in Embryonen von Javaneraffen injiziert, um die Wechselwirkungen zwischen den Zellen verschiedener Arten besser zu verstehen. Doch einige ethische Fragen sind noch ungeklärt.

Von Magdalena Schmude |
Javaneraffe (Macaca fascicularis), beim Fressen, Nationalpark Bako, Sarawak, Borneo, Malaysia
Javaneraffe beim Fressen (imago stock/imagebroker)
Chimären tauchen vor allem in der griechischen Mythologie auf, als Mischwesen aus Löwe, Ziege und Schlange, oder als Pferd mit Flügeln zum Beispiel. Weniger fantastisch geht es in der Biotechnologie zu. Hier gilt ein Organismus als Chimäre, wenn er aus Zellen von zwei genetisch unterschiedlichen Individuen besteht.
Dieser vier Wochen alte Schweineembryo enthält pluripotente menschliche Zellen. Das Experiment wurde 2017 am Salk Institute in Kalifornien durchgeführt.
"Ethisch ist dagegen nichts zu sagen"
Der Moraltheologe Matthias Beck hält es für ethisch vertretbar, Ersatzorgane für Menschen in Tieren heranwachsen zu lassen. Dabei dürfe den Tieren aber kein unnötiges Leid zugefügt werden, sagte er im Dlf.
Jun Wu, der am Medical Center der University of Texas Southwestern arbeitet, erzeugt für seine Forschung Chimären, meist aus Mäusen und Ratten. In seiner Zeit als Postdoc am Salk Institute in Kalifornien war er aber auch an vieldiskutierten Experimenten mit Chimären aus menschlichen Stammzellen und Affenembryonen beteiligt. Grundlagenforschung, wie er betont:
"Es ist nicht unsere Absicht, in den Affen Organe wachsen zu lassen. Wir möchten verstehen, warum menschliche Zellen in Schweineembryos kaum überleben. Und selbst wenn wir in einigen Schweineembryonen menschliche Zellen finden, sind es zu wenige, um daraus ein Organ zu erzeugen."
Eine mögliche Erklärung: Weil Menschen und Schweine evolutionär zu weit voneinander entfernt sind, können die Zellen nicht ausreichend gut zusammenarbeiten, um gemeinsam weiterzuwachsen. Sie sprechen nicht dieselbe molekulare Sprache.

Chimären aus Mensch und Schwein verbessern

Jun Wu sagt: "Wir denken deshalb, dass eine evolutionär näher verwandte Art wie die Affen uns helfen könnte zu verstehen, was dabei passiert. Vielleicht können wir so etwas lernen und die Chimären aus Mensch und Schwein verbessern. Deshalb haben wir diese Experimente begonnen, denn wir erwarten, dass die menschlichen Zellen in diesen Embryonen besser zurechtkommen. Wir wollten diesen Prozess untersuchen um zu verstehen, was die menschlichen Zellen in Affenembryos besser wachsen lässt als in Schweinen."
Weil derartige Experimente mit Affen in den USA nicht durchgeführt werden durften, arbeiteten Jun Wu und seine Kollegen mit Wissenschaftlern in China zusammen. Dort wurden auch die Experimente durchgeführt, aus denen die Chimären entstanden.
Alle Pläne waren zuvor von einer Ethikkommission begutachtet worden. Die chinesischen Forschenden injizierten menschlichen Stammzellen in sechs Tage alte Embryonen von Javaneraffen und beobachteten anschließend, wie sich die Embryonen in der Petrischale weiterentwickelten.
Ein Mischwesen mit einem Voglekörper und einem menschlichen Kopf sitzt auf einem Ast. Im Hintergrund ist der Vollmond zu sehen.
Japan erlaubt Zucht und Geburt von Chimären als Organspender
Da Spenderorgane weltweit Mangelware sind, tüfteln Forscher an Methoden, um Organe im Labor zu züchten. In Japan gab die Regierung nun grünes Licht für einen besonders umstrittenen Ansatz: Mischwesen aus Mensch und Tier dürfen dort künftig als Organspender gezüchtet und auch geboren werden.

Menschliche Zellen lange nachweisbar

Nach vier Tagen waren noch die meisten davon lebendig, sie entwickelten sich allerdings langsamer. Danach sank die Überlebensfähigkeit der Chimären und fast alle starben ab, bis am 19. Tag nur noch drei von ihnen übrig waren. Doch in allen Entwicklungsstadien dazwischen konnten die Forschenden in den Embryonen weiterhin menschliche Zellen nachweisen.
"Was zeigt, dass die menschlichen Zellen in dieser frühen Phase tatsächlich zur Entwicklung von Geweben beitragen. Im Durchschnitt fanden wir vier Prozent menschliche Zellen, im besten Fall sieben Prozent", sagt Jun Wu: "Das ist deutlich mehr als bei Schweinen, wo wir schätzungsweise eine menschliche Zelle von zehntausend oder einhunderttausend Zellen finden. Also, eine sehr geringe Zahl. In den Affenembryonen sind es in dieser Entwicklungsphase deutlich mehr."
Am zwanzigsten Tag brachen die Wissenschaftler die Experimente ab. Die Embryonen länger zu kultivieren oder gar in den Uterus eines Affen einzusetzen, um ihre weitere Entwicklung zu beobachten, ist nicht erlaubt. Doch auch die aktuellen Experimente waren ein Erfolg, findet Jun Wu.
Er untersuchte anschließend, welche Gene in den einzelnen Zellen der Chimären aktiv waren, um Rückschüsse auf die molekularen Wechselwirkungen zwischen den Zellen der beiden Arten zu ziehen und erklärt: "Eine bemerkenswerte Sache, die wir dabei gelernt haben, ist, dass die menschlichen Zellen mit den Affenzellen zusammenarbeiten, um einen chimären Embryo entstehen zu lassen. Beide Zellarten werden sich dabei ähnlicher. Sie bekommen also eine einzigartige Identität, die sich von Affenzellen und menschlichen Zellen unterscheidet. Der chimäre Embryo ist eine einzigartige Umgebung, in der die Zellen zusammenarbeiten und sich austauschen, um den Embryo wachsen zu lassen."

Gemeinsame molekulare Sprache

Die Zellen von Mensch und Affe finden also eine gemeinsame molekulare Sprache, anders als die Zellen von Mensch und Schwein. Jun Wu hofft, dass sich die Erkenntnisse aus dieser Studie auf die Chimären aus menschlichen Zellen und Schweinezellen übertragen lassen. Und damit die Erzeugung von Ersatzorganen voranbringen können.
Stefan Schlatt, Direktor des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie am Universitätsklinikum Münster bezeichnet die Studie als Durchbruch in der Chimärenforschung, da die Daten zeigten, dass der Hintergrund eines Affenembryos die Differenzierung menschlicher Zellen deutlich beeinflusst.
Doch die Experimente werfen auch ethische und rechtliche Fragen auf. Rüdiger Behr, der die Abteilung Degenerative Erkrankungen am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen leitet, weist in einem Statement darauf hin, dass Chimären aus Affenembryonen und menschlichen Zellen anders einzuordnen seien als Schweine-Menschen-Mischwesen. Sollten diese jemals in einen Uterus übertragen werden und sich weiterentwickeln, bestehe die Möglichkeit, dass echte Mischwesen entstehen, bei denen alle Organe sowohl aus Affen- und menschlichen Zellen bestehen – einschließlich des Gehirns und der Hoden und Eierstöcke. Die Eigenschaften eines eines solchen Lebewesens vermöge niemand vorherzusagen.