Peter Koltai arbeitet als Postdoc an der mathematischen Fakultät der TU München. Der Slowake hat hier studiert und promoviert, am Lehrstuhl für Wissenschaftliches Rechnen beschäftigt er sich mit komplexen dynamischen Systemen. Mathematiker sind auch in Unternehmen gefragt, aber Koltai will an der Uni bleiben:
"Mir macht es einfach Spaß, diese Freiheit zu haben, die Probleme zu verfolgen, welche mich interessieren und natürlich auch Relevanz haben. Und versuchen, meinen Enthusiasmus und meine Begeisterung auf junge Leute zu übertragen."
Anerkennung besonders wichtig
Peter Koltai wird demnächst seine Stelle wechseln. Er bewirbt sich an anderen Hochschulen - nicht in der freien Wirtschaft, wo er besser verdienen könnte. Bei der Suche schaut der Mathematiker weniger aufs Geld als aufs Arbeitsumfeld:
"Die Arbeitsgruppe spielt eine sehr wichtige Rolle. Dass ich das Gefühl hab, dass ich dort gute Leistung bringen kann. Dass ich mich mit den dortigen Kollegen verstehe. Dass ich am Ende, wenn ich zurückblicke sagen kann, es hat auch die Karriere befördert."
Anerkennung im Kollegenkreis ist für Forscher ein besonders wichtiger Anreiz - das sagen sie zumindest in einer Befragung unter knapp 1700 jungen Wissenschaftlern an deutschen Unis. Leistungsprämien oder Bonuszahlungen hingegen liefen eher ins Leere, meint die Leiterin der Studie, Betriebswirtin Isabell Welpe von der TU München:
"Ein guter Wissenschaftler ist ja motiviert durch Neugier. Der will etwas verstehen über die Welt und herausfinden. Und man kann Neugier nicht per Geld intensivieren. Der Lohn ist letztlich die Anerkennung durch Kollegen und Öffentlichkeit.
Exzellenz-Wettbewerbe als Anreiz
Wissenschaftler gelten oft dann als leistungsstark, wenn sie viele Artikel in Fachzeitschriften veröffentlichen. Auch wer Exzellenz-Wettbewerbe gewinnt, scheint innerhalb der Hochschullandschaft erfolgreich zu sein. Aber Professorin Isabell Welpe ist skeptisch:
"Das Dilemma ist, dass ein Gewinn und ein gutes Abschneiden in diesen Wettbewerben hinsichtlich Drittmitteln und Publikationsanzahl dem Renommee nützt. Und hier bekommen Sie eben auch Anerkennung dafür, dass Sie in diesen künstlichen Wettbewerben gut abschneiden. Gleichzeitig bieten diese Wettbewerbe Anreize, dass man an den eigentlichen Bedürfnissen vorbei produziert: Wenn man in diesen Wettbewerben gut ist, heißt das noch lange nicht, dass Sie irgendwas erfunden haben, was der Gesellschaft oder Wirtschaft nützt."
Rankings und Kennzahlen spielten eine immer größere Rolle bei der Bewertung ihrer Forschungsleistung, sagen die Befragten der Münchner Studie. Wie wertvoll wissenschaftliche Erkenntnisse wirklich sind, zeigt sich aber oft erst im Nachhinein. Die Freiheit von Forschung und Lehre leide, sagt Klaus Diepold, Professor für Informationstechnik an der TU München:
"Wenn ich jetzt anfange, naiv Mechanismen aus der Wirtschaft umzusetzen in wettbewerbliche Verfahren, dann tue ich der Hochschule keinen Gefallen damit. Weil die Mechanismen nicht eins zu eins übersetzbar sind. Man beschäftigt sich plötzlich viel zu stark mit wettbewerblichen Aspekten. Die Universität lebt auch viel vom Idealismus der Menschen, die hier sind. Und wenn man das zu sehr vergewaltigt, hab ich schon das Gefühl, dass einiges verloren geht an Faszinosum, was die Hochschule ausstrahlt."
Gestaltungsmöglichkeiten und Selbstbestimmung
Diepold ist kein Gegner von Wettbewerb. Er hat selbst mehrere Jahre in der Industrie gearbeitet, war unter anderem Chef einer Firma für Videotechnologie mit 35 Mitarbeitern. Trotzdem hat sich der Ingenieur bewusst für die Tätigkeit an der Uni entschieden.
"Für mich ist es eine große Freiheit, sich darüber Gedanken zu machen, was mache ich als Nächstes, ohne dass ich Aufträge bekomme, was ich tun soll. Wichtiger Punkt ist immer der Freiheitsgrad, die Gestaltungsmöglichkeiten, der Selbstbestimmungsgrad, der damit einhergeht."
Autonomie und Anerkennung - damit können Universitäten bei gefragten Forschern punkten, zeigt die Studie der Münchner Wirtschaftswissenschaftler. Mithilfe dieser Erkenntnisse - und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung - wollen sie ein neues Anreizsystem an Hochschulen entwickeln. Damit Leute wie der Informationstechniker Klaus Diepold der Uni erhalten bleiben, auch wenn das Gehalt bescheidener ist als in der Industrie:
"Ich hab deutlich mehr verdient als das, was ich an der Hochschule verdiene. Ich hab schon in der Größenordnung nur noch 60 Prozent des Gehalts - aber das allein ist es nicht."