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Forschung mit H5N1-Supervirus "ist wichtig für die Risikoabschätzung"

H5N1 sei ein gefährliches Virus und die Forschung müsse sich mit dem Erreger weiter auseinandersetzen, sagt Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit. Man müsse herausfinden, welche Gefährdungspotenziale von Grippeviren ausgehen. Dabei gehe es vor allem um mögliche Übertragungen auf den Menschen.

Thomas Mettenleiter im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Es ist der Albtraum vieler Mediziner und Gesundheitspolitiker: ein Killervirus, das sich mit Leichtigkeit von Mensch zu Mensch überträgt und das in kurzer Zeit einen Großteil der angesteckten Personen sterben lässt. Genau ein solches Virus haben knapp 40 Wissenschaftler weltweit vor etwas mehr als einem Jahr in mehreren unterschiedlichen Labors selbst entwickelt. Es handelte sich dabei um eine veränderte Form des Vogelgrippevirus. Dieses Virus hat sich dann als so aggressiv herausgestellt, dass die beteiligten Mediziner sich selbst ein Moratorium auferlegt und die Forschung an dem Projekt unterbrochen haben. Gestern Abend haben sie nun nach langer Diskussion beschlossen, weiter mit diesem Supervirus zu arbeiten.

    Am Telefon ist jetzt Professor Thomas Mettenleiter, er ist Biologe und Virologe und außerdem Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts. Das ist eine Forschungseinrichtung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz. Guten Morgen, Herr Mettenleiter.

    Thomas Mettenleiter: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Mettenleiter, erklären Sie es uns. Warum soll die Forschung an diesem extrem gefährlichen Virus jetzt fortgesetzt werden?

    Mettenleiter: Es geht nicht um Forschung an einem extrem gefährlichen Virus und der Begriff Supervirus ist sicherlich auch nicht adäquat. Aber es geht für uns natürlich darum, zu verstehen, welches Gefährdungspotenzial von Influenza, von Grippeviren ausgeht, die in der Natur vorhanden sind, die auch weiter in der Natur vorhanden sein werden, von denen wir aber bisher nicht verstehen, welche Voraussetzungen dafür notwendig sind, dass diese Viren zum Beispiel auf den Menschen übergehen können, oder sich von Mensch zu Mensch ausbreiten können, und dafür sind diese Untersuchungen wichtig. Es ist wichtig für eine Risikoabschätzung, und genau diese Untersuchungen, die Ron Fouchier und Yoshihiro Kawaoka durchgeführt haben, waren auch wichtig, der Öffentlichkeit noch mal deutlich zu machen, H5N1 ist ein gefährliches Virus und wir müssen uns mit diesem Erreger auch weiter auseinandersetzen.

    Armbrüster: Wir sprechen jetzt über dieses Virus, das im Labor sozusagen künstlich erzeugt wurde. Können Sie uns erklären, wie gefährlich genau ist das?

    Mettenleiter: Ja dieses Virus hat gezeigt, oder diese Versuchsansätze haben gezeigt, dass H5N1 zumindest in dem Modellsystem Frettchen – Frettchen sind zwar keine Menschen, aber zumindest ist es so, dass Frettchen als ein annähernd gleichwertiges Modellsystem angesehen werden -, dass sich dieses Virus von Frettchen zu Frettchen übertragen lässt, was aber einhergeht mit einer Abschwächung der krank machenden Eigenschaften zumindest in diesen Versuchen. Das heißt, die Aussage ist: Es geht auch mit H5N1, auch wenn es in der Natur bisher so noch nicht passiert ist, und es war erstaunlich, dass doch relativ wenige Veränderungen im Erbgut nur dafür notwendig sind, dass diese Eigenschaft erworben wird.

    Armbrüster: Nun existiert diese Form des Vogelgrippevirus tatsächlich nur im Labor. Es wurde dort von den Wissenschaftlern erzeugt. Wie groß ist denn die Gefahr, dass so eine Probe, so ein Virus nach draußen dringt an die Öffentlichkeit?

    Mettenleiter: Die Sicherheitsbedingungen gerade bei diesen beiden Studien und auch bei anderen, die mit diesem Erreger arbeiten, die sind natürlich sehr hoch. Aber eines der Ziele des Moratoriums war ja auch, hier international eine Standardisierung, eine Harmonisierung herbeizuführen. Es gibt jetzt Empfehlungen international, unter welchen Bedingungen diese Versuche gemacht werden sollen. Es gibt nationale Rechtsvorschriften, die eingehalten werden müssen. Sie hatten NRH zitiert, also das nationale Gesundheitsinstitut in den USA. Auch dafür war das Moratorium wichtig, sich international darüber Gedanken zu machen – nicht nur A, sollen solche Studien weiter durchgeführt werden (und ich glaube, die Meinung ist hier sehr eindeutig ja, wir brauchen diese Informationen), sondern auch B, unter welchen Bedingungen können sie sicher durchgeführt werden. Und da sind die Sicherheitsbedingungen auch entsprechend definiert, die wir übrigens am Friedrich-Loeffler-Institut auch schon vor dem Moratorium genau so eingehalten haben.

    Armbrüster: Können Sie uns das ein bisschen erklären? Wie wird mit so einem hochgefährlichen Virus, das auf keinen Fall nach draußen kommen darf, wie wird mit so einem Virus im Labor gearbeitet? Wie muss man sich das vorstellen?

    Mettenleiter: Solche Hochsicherheitslabore sind zum einen physikalisch nach außen abgeschottet. Sie werden unter ständigem Unterdruck betrieben, sodass auch nichts nach außen entweichen kann. Jedes Material, was dieses Labor verlässt, wird sterilisiert, keimfrei gemacht – entweder über Hitze, oder Chemikalien. Und man selber verlässt diesen Laborbereich nur dadurch, dass man einen kompletten Kleidungswechsel durchführt und zwangsduschen muss, das heißt also, auch sich hier dekontaminiert. Das sind alles Maßnahmen, die die Umwelt schützen sollen. Es gibt dann natürlich auch den Schutz der beteiligten Wissenschaftler und Forscher, die mit Personenschutzanzügen oder persönlicher Schutzausrüstung ausgestattet sind. Das sind Hochleistungsfilter, die auch im Laborbereich eingebaut sind, Hochleistungsfilter, die auch sehr kleine Partikel aus der Luft herausfiltern, sodass auch nur keimfreie Luft nach außen dringt, respektive nur keimfreie Luft von den Wissenschaftlern eingeatmet wird.

    Armbrüster: Herr Mettenleiter, ich kann mir vorstellen, dass viele Leute, wenn sie das jetzt hören, sich erst mal denken, warum machen Wissenschaftler so was, warum züchten die selber so etwas Hochgefährliches in ihrem Labor. Können Sie uns das kurz erklären? Was genau ist der Nutzen eines solchen selbst gezogenen Virus?

    Mettenleiter: Für uns ist der Nutzen einfach die Risikoabschätzung. Wir waren ja gefragt, sind diese Viren wirklich gefährlich, können diese Viren auf den Menschen übergehen, können diese Viren möglicherweise zu einer zukünftigen Pandemie führen, was natürlich für eine Vorbereitung für eine zukünftige Pandemie absolut essenziell ist. Dafür dienen die Versuche. Die Zielrichtung ist nicht, wir züchten jetzt hier ein Supervirus, sondern die Zielrichtung ist zu verstehen, ob dieser Erreger diese Eigenschaften erwerben kann und was er dazu benötigt. Dass er sie erwerben kann, haben die Versuche gezeigt. Was er in diesen beiden Fällen dazu benötigt an genetischen Veränderungen, haben die Versuche auch gezeigt, und es war erstaunlich, dass es nur relativ wenig Veränderungen sind. Es waren in beiden Versuchen nicht exakt die gleichen Veränderungen, es sind aber die gleichen biologischen Eigenschaften betroffen.

    Weiterhin muss man sagen, dass zwar dieser Erreger in der Form in der Natur bisher nicht existiert, dass es aber durchaus H5N1-Viren gibt, die einzelne dieser genetischen Veränderungen schon tragen. Die werden wir uns auch in Zukunft weiterhin genau ansehen müssen, um zu sehen, ob sie weiter, ich sage es mal so, auf dem Weg zum Menschen vorankommen, oder ob es in der Natur andere Selektions-, Auswahlkriterien gibt, die das vielleicht gar nicht realisieren lassen, aber das wissen wir im Moment noch nicht.

    Armbrüster: Knapp 40 Wissenschaftler weltweit haben gestern Abend entschieden, es wird weiter geforscht an einem Supervirus, an einer Form des Vogelgrippevirus. Warum diese Entscheidung zustande kam und was diese Forschung bringt, darüber haben wir gesprochen mit dem Virologen Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts. Besten Dank, Herr Mettenleiter, für das Gespräch heute Morgen.

    Mettenleiter: Gerne geschehen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.