"Also, für mich ist er nicht sonderlich präsent, hauptsächlich im Namen, aber sonst bekomme ich nicht viel davon mit, nee."
"Von Humboldt selber weiß ich überhaupt nichts."
"Ich habe auch gar nicht so viel Ahnung von Humboldt, ehrlich gesagt."
"Ich weiß es nicht so genau, was die Grundidee von dem Mann war, das ist mir gar nicht klar."
Das geht ja gut los. Eine Suche nach den Spuren Wilhelm von Humboldts an der Humboldt-Universität - reichlich ernüchternd: Kaum ein Student oder eine Studentin auf dem Campus in Berlin-Mitte hat eine Vorstellung davon, welche Ideen der Mitbegründer und Namensgeber ihrer Lehr- und Forschungsanstalt verkörpert. Oder davon, was heute noch da ist von seinem Geist.
"Wilhelm, Alexander und ich"
Kein Grund zur Aufregung, sagt Christoph Markschies. Er ist Professor für Ältere Kirchengeschichte an der Humboldt-Uni und war mal ihr Präsident.
"Auf den ersten Blick sieht es ja so aus, dass ein normaler Student der Humboldt-Universität nicht sehr viel über Wilhelm von Humboldt weiß. Aber man muss sich immer klar machen, schon wenn er das Hauptgebäude betritt, sieht er zur rechten und zur Linken die Brüder, nach denen die Universität benannt ist. Er kann im Shop der Universität ein T-Shirt kaufen: "Wilhelm, Alexander und ich", und dann fängt er oder sie an zu googlen und schaut, wer war denn das eigentlich."
Christoph Markschies konnte selbst schon ab und an ganz subtil dazu beitragen, das Interesse an Wilhelm von Humboldt zu wecken.
"In meinem Büro steht eine Büste von Wilhelm von Humboldt, und es kommt immer wieder vor, dass Studierende fragen, wer ist denn das da eigentlich, und man über den Universitätsgründer ins Gespräch kommt."
Einheit von Lehre und Forschung
Und tatsächlich, mit etwas Geduld findet sich auch eine Studentin, die mit dem Namen von Humboldt etwas anfangen kann.
"Ich würde sagen, die Einheit von Lehre und Forschung ist auf jeden Fall übrig geblieben als Relikt von Humboldt auch heute. Was ich als ganz bereichernd empfinde ist, wenn Dozenten ihre Forschungstätigkeit auch in Seminare tragen. Ich habe schon den Eindruck, dass die Verzahnung auch Studenten gegenüber öffentlich gemacht wird."
Was Germanistik-Studentin Sarah beobachtet, dürfte Universitäts-Präsidentin Sabine Kunst freuen, denn das Ineinandergreifen von Forschung und Lehre ist die Errungenschaft Humboldts, die sie besonders hochhält.
"Was tatsächlich im Kern von seinen Gedanken heute noch zählt, ist, dass wir in Deutschland die Tradition der Forschungsuniversität haben, in der aus der Forschung heraus auch Bildung und - im Sinne von von Humboldt - allgemeine Bildung erreichbar ist.
Wenig "Freiheit, sich selbst zu bilden"
Allerdings sei nicht alles von dem, was Wilhelm von Humboldt vorschwebte, heute zu verwirklichen, sagt Kunst.
"Die Freiheit, sich selbst zu bilden an der Universität, ist natürlich ein Ideal und mit der Realität nicht übereinstimmend."
Und für eine tatsächliche Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden gingen heute viel zu viele Menschen an die Uni. Angesichts der Strukturen der Studiengänge und der vielen Prüfungen heute sei die Idealvorstellung von vor 200 Jahren nicht realistisch. Das bemerkt auch Lehramtsstudent Johannes.
"Weil das Lernen eine andere Gewichtung hat. Es sind volle Seminare mit 50, 60, 70 Leuten, wo niemand zu Wort kommt. Und das Lernen ist nicht so, wie der Herr Humboldt sich das vorgestellt hat."
Eingeschränkte Wahlfreiheit in Bachelor und Master
Zu studieren, ohne darauf zu schielen, wie es sich verwerten ließe, die Wahlfreiheit und die Möglichkeit, auch links und rechts des eigenen Fachs zu schnuppern, das falle vor allem durch die Umstellung des Studiums auf Bachelor und Masters-Abschlüsse schwerer, klagen viele. Einen Verrat an Wilhelm von Humboldt aber will Professor Christoph Markschies darin nicht sehen.
"Wenn die Hälfte ganzer Jahrgänge an der Universität studiert, dann muss man das Studium so gestalten, dass die, die kommen, um da zu studieren, auch erfolgreich studieren können. Ideal hin oder her, verschiedene Transformationen der Humboldt-Idee sind auch gut, richtig und sinnvoll."
Angesichts solcher Umstände, da ist Markschies sicher, hätte auch Humboldt nicht viel davon gehalten, an jahrhundertealten Vorstellungen festzuhalten.