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Forschung und Technologie
Innopolis soll Russlands Silicon Valley werden

Ob in der Softwareentwicklung, Robotertechnologie oder Raumfahrt: Russland will in die digitale Weltspitze vorstoßen. Dafür hat das Land außerhalb der Millionenmetropole Kazan eine am Reißbrett geplante IT-Stadt mit Uni, Technologiepark und Wohnkomplexen gebaut. 150.000 Menschen sollen in 20 Jahren in Innopolis leben.

Von Alexander Hertel |
    Außenansicht eines Gebäudes in Innopolis, das Russlands Silicon Valley werden soll.
    Innopolis University (Deutschlandradio / Alexander Hertel)
    Sorgsam planieren die drei Bulldozer eine zwei Fußballfelder große Sandfläche. Auf der sollen bald ein halbes Dutzend neuer Appartement-Blocks stehen. Dahinter ragen die bereits fertigen in den Himmel – Typ: europäischer Einheitsmodernismus.
    Auf der gegenüberliegenden Seite empfängt ein siebenstöckiger Glaszylinder die Besucher. Das erste Gebäude des Technologieparks für Unternehmen, der hier entsteht. Daneben: das bereits fertige, eigentliche Herzstück der Stadt: Die Innopolis University mit ihren Forschungslaboren und Wohnheimen, Arbeitsstelle von Sergej Karapetyan.
    "Wir sind rein auf die Themenfelder IT und Robotik fokussiert. Und innerhalb dieser Themenfelder bieten wir vier Masterstudiengänge an: Big Data, künstliche Intelligenz und Robotik, Softwaretechnik, sowie Cyber Security. Es soll noch mehr Studiengänge geben. Aber zurzeit sind wir noch sehr klein und können nicht alles anbieten."
    Von außen wirkt das Gebäude wie ein überdimensionierter Kühlergrill, drinnen dominieren freihängende Glaskuben das mehrstöckige Atrium. Gael Guedia studiert seit einem Jahr Computertechnologie an der Universität. Ein Freund überredete den Kameruner vor einem Jahr an dem anspruchsvollen Einstellungstest teilzunehmen.
    "Erst wollte ich gar nicht herkommen. Aber sie haben uns die Anreise und alles bezahlt. Also kam ich erstmal als Besucher hierher. Aber dann dachte ich mir: Wow! und wollte nirgendwo anders mehr studieren."
    Seltener Luxus für Studierende
    Denn: Durchschnittliche sieben Studierende kommen in Innopolis derzeit auf eine Lehrkraft. Auch die angeschlossenen Wohnheime liegen weit über dem russischen Standard.
    "Es gibt Fernseher und kostenloses Internet. Einmal in der Woche kommt jemand zum Putzen. Man fühlt sich nicht wie in einem Wohnheim, eher wie in einem Appartement."
    Finanziert wird die Universität von über 100 beteiligten Unternehmen. Die bezahlen auch die Ausbildung der aktuell 556 Studierenden. Dahinter stecken handfeste wirtschaftliche Interessen, erklärt Sergey Karapetyan, der für die externen Kooperationen zuständig ist.
    "Die Studierenden verpflichten sich, nach dem Studium eineinhalb Jahre für eines dieser Unternehmen zu arbeiten. Die meisten sehen das aber sehr positiv. Sie müssen sich keine Sorgen über ihre spätere Arbeitsstelle machen, sondern nur eine Firma auswählen."
    Enge Zusammenarbeit garantiert
    Die sitzen gleich nebenan im Bürokomplex der Special Economic Zone von Innopolis, einem siebenstöckigen Glaszylinder. In einem der lichtdurchfluteten Büros entwickeln Igor Sakhankow und seine 12 Programmierer smarte Kameras, die den Verkehr erfassen und steuern können. Der Standortvorteil ist immens. Die ersten Jahre zahlt das kleine Start-up keine Steuern. Hinzu kommt der Know-how-Austausch mit der Uni.
    "Einer der Professoren berät uns und einige seiner Studenten absolvieren auch Praktika hier. Unsere Mitarbeiter geben wiederum Seminare an der Universität. Die Verbindung ist also sehr eng."
    Im besten Fall sollen die Studierenden so an die Stadt gebunden werden, Innopolis dadurch eines der globalen IT-Zentren werden. Etwa durch Gagarin, dem Vorzeigeprojekt der Uni.
    "Er hat gesagt, dass ich glücklich bin, weil ich gelächelt habe. Das versteht er. Ebenso wie zum Beispiel Wut, Überraschung und Abscheu. Insgesamt sieben grundlegende Emotionen."
    Gagarin ist ein Sprachassistent, der im Prinzip wie Apples Siri funktioniert. Entwickelt in der IT-Stadt Innopolis in Russland.
    Gagarin ist ein Sprachassistent, der im Prinzip wie Apples Siri funktioniert (Deutschlandradio / Alexander Hertel)
    Zufrieden schaut Vadim Reutskij zu seinem Gegenüber. Der sitzt nun schweigend in einem Bürostuhl im Robotik-Labor und lächelt ebenfalls. Aus seinem haarlosen Kopf ragen Dutzende bunter Kabel. Gagarin ist ein Sprachassistent, der im Prinzip wie Apples Siri funktioniert. Nur, dass dieser in einem erschreckend menschenähnlichen Roboter steckt.
    "Wir entwickeln hier die Software, auf deren Basis Gagarin dann mit echten Menschen kommunizieren kann. Mit Worten und seiner Mimik. In Zukunft soll er dann Menschen dort ersetzen, wo man ihre Aufgaben mit einem Algorithmus lösen kann. Zum Beispiel an einer Hotelrezeption."
    Studiengänge nach den Bologna-Vorgaben
    Mit Spitzenforschung wie dem Concierge-Roboter will die Uni auch mehr internationale Studenten anwerben. Ebenso durch passende Abschlüsse, erklärt der Kooperationsbeauftragte Sergej Karapetyan.
    "Wir haben das Bachelor- und Mastersystem adaptiert. Unsere Abschlüsse entsprechen somit absolut den Bologna-Vorgaben. Es gibt also kein Problem mit der Anerkennung der Abschlüsse in Europa."
    Doch bislang kommen die meisten ausländischen Studierenden aus den ehemaligen GUS-Ländern, aus Europa gerade einmal einer. Denn an der Uni wird zwar komplett auf Englisch gelehrt, die beteiligten Unternehmen sind aber größtenteils russische. Und bei deutschen Studierenden kämen auch die unvermeidlichen akademischen Kinderkrankheiten dazu.
    "Wir haben total unterschiedliche Ausbildungskalender. In Deutschland gibt es Sommer- und Wintersemester, bei uns Frühlings- und Herbstsemester. Ein Austausch geht also überhaupt nur in einem Zeitraum im Frühling. Ob das klappt? Fragen sich mich in einem halben Jahr nochmal."