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Forschung zu MOF
Wasser in der Wüste ernten

Wassermangel ist ein existenzielles Problem. Dabei enthält allein die Erdatmosphäre eine Trilliarde Liter Wasser. Doch wie an diese lebenswichtige Ressource herankommen? Ein Forscherteam aus Kalifornien hat die Antwort gefunden - sie liegt in einer Kiste, ein paar Kabeln und einem grauen Pulver.

Von Arndt Reuning |
    Im Oktober 2017 verlässt Markus Kalmutzki die oft nebelverhangene Bucht von San Francisco. Zusammen mit anderen Mitgliedern aus der Arbeitsgruppe von Professor Omar Yaghi bricht er auf in die knochentrockene Wüste von Arizona. Eine andere Klimazone, eine andere Landschaft.
    "Das ist alles bloß noch Sand und Gestein. Hier und da mal ein vertrockneter Busch. Alles, was dort wächst, ist wirklich nur durch künstliche Bewässerung möglich. Man hat tagsüber eine Luftfeuchtigkeit von fünf Prozent. Zum Vergleich: Das Klima, das wir uns im Haus wünschen, sind so zirka vierzig Prozent Luftfeuchtigkeit."
    Praxistest im Steingarten
    Mit dabei haben die jungen Wissenschaftler der University of California in Berkeley eine merkwürdige Kiste aus Plexiglas, in ihrem Inneren ein zweiter Kasten, ein Behälter mit einem grauen Pulver. Dieses Gepäckstück bringen sie in ein Haus in einem Vorort von Phoenix. Im Steingarten hinter dem Gebäude verkabeln sie die Kiste, durch eine Wand geschützt vor neugierigen Blicken.
    "Weil es natürlich etwas komisch ist, wenn man mit einem Kasten, in dem Kabel für die Sensorik liegen, irgendwo in der Wüste steht. Das war uns ein bisschen zu heikel. Deshalb haben wir das auf einem Privatgelände durchgeführt."
    Bei der Kiste handelte es sich um ein Gerät, das Wasser aus der Luft abscheiden kann. Gedacht ist es für trockene Wüstenregionen fern der Meeresküste. Die Verkabelung dient bloß der Erfassung von Messwerten. Auf eine Stromquelle ist der Wasserfänger nicht angewiesen. Möglich macht das jenes graue Pulver im Inneren des Kastens - eine Metall-organische Gerüstsubstanz, auf Englisch Metall Organic Framework, oder kurz MOF.
    Ein Material wie ein Schwamm
    "Das ist einfach ein Pulver. Es könnte auch einfach Sand sein, feiner Sand. Aber das Besondere ist, dass auf mikroskopischer Ebene eben das Material nur aus Hohlräumen besteht. Das heißt, es ist aufgebaut wie ein Schwamm. Und genau wie man das von Schwämmen kennt: Sie nehmen Wasser auf und speichern das Wasser in sich. Und genauso funktioniert das auch mit den Metall Organic Frameworks: Die nehmen das Wasser aus der Luft auf, die haben eine hohe Affinität für das Wasser. Und dann kann man das eben unter gegebenen Bedingungen wieder freisetzen."
    Wenn es in Arizona Nacht wird, kühlt die Luft ab. Die Luftfeuchtigkeit schnellt dann hoch auf rund vierzig Prozent. Markus Kalmutzki und seine Kollegen haben daher abends den Deckel ihrer Kiste geöffnet, so dass das MOF Wasser aus der Luft förmlich ansaugen und speichern konnte. Am nächsten Morgen schlossen sie die Kiste dann wieder. In der prallen Sonne des Tages heizte sie sich bald schon auf, und die Wärme setzte das Wasser frei. Wegen des kleinen Volumens der Kiste entstand in ihrem Inneren eine übersättigte Wasseratmosphäre, so dass die Flüssigkeit an der Außenwand kondensierte. Zumindest im Labor war das immer der Fall gewesen.
    "Am ersten Tag haben wir gemerkt, dass Labor eine Sache ist, die Realität eine andere. Das heißt, wir mussten erst noch einige Modifikationen durchführen, um dann wirklich Wasser gewinnen zu können."
    Forscher der UC Berkeley richten in einem Garten in der Nähe von Phoenix ein Gerät aus, das Wasser aus Wüstenluft gewinnen kann
    Das Gerät der Forscher von der UC Berkeley kann Wasser aus Wüstenluft ernten (UC Berkeley / Farhad Fathieh )
    Externe Energiequelle unnötig
    So haben die Forscher zum Beispiel die Ausrichtung der Kiste zur Sonne optimiert, um noch mehr Wärmeenergie einzufangen. Und das ursprüngliche MOF auf Basis von Zirkonium haben sie ausgetauscht gegen eines mit Aluminium. Das ist billiger, ungiftig und kann sogar noch mehr Wasser binden. So konnten die Experten in einer Nacht 175 Milliliter Wasser mit einem Kilogramm MOF aus der Wüstenluft ernten. Um größere Mengen einzusammeln, müssten mehr Kisten aufgestellt werden. Was das System jedoch allen anderen Geräten zur Wasserernte aus der Luft voraus hat: Es braucht keinen Strom, sondern nur die Sonne, unterstreicht Markus Kalmutzki.
    "Der Vorteil bei unserem System ist, dass es wirklich komplett unabhängig ist von jeglicher Elektronik. Das heißt, auch wenig wartungsanfällig im Gegensatz zu anderen Systemen. Und das erlaubt es auch, dass man womöglich in der Zukunft portable Systeme machen kann, weil man damit natürlich auch das Gewicht niedrig halten kann. Und das, würde ich sagen, sind die Kernvorteile unseres Systems."
    Wassermangel auf dem "blauen Planeten"
    Das Gerät zur Wasserernte wollen die Wissenschaftler aus Kalifornien nun noch weiter für den Einsatz in der Wüste optimieren. Bedarf bestehe genug, sagt Markus Kalmutzki: Denn obwohl die Erde ein blauer Planet ist, haben viele Menschen keinen Zugang zu Trinkwasser.

    "Wenn man sich erst einmal vor Augen führt, dass von dem ganzen Wasser nur drei Prozent überhaupt Süßwasser sind, und davon können wir nur 0,4 Prozent überhaupt direkt abgreifen in Flüssen und Seen, dann wird einem so langsam die Dringlichkeit bewusst, in Bezug auf die Nutzung von Wasser was zu ändern."