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Forschungen zum Grünen Gewölbe
Ein Thron gibt Rätsel auf

Der Thron des Großmoguls ist eine aufwendig mit Edelsteinen besetzte Platte, die August der Starke in Auftrag gab. Er befindet sich im Grünen Gewölbe in Dresden. Ein israelischer Historiker recherchierte die Hintergründe - und kann so einiges über die Machtfantasien des Herrschers erzählen.

Von Sebastian Engelbrecht |
Das rekonstruierte Historische Grüne Gewölbe in Dresden beinhaltet Kunstsammlungen aus mehreren Jahrhunderten.
In das Juwelenzimmer des Grünen Gewölbes im Dresdner Schloss wurde am 25.11.19 eingebrochen (Picture Alliance / dpa / Matthias Hiekel)
Einen Tag vor dem Juwelendiebstahl von Dresden, am 24. November, reiste Dror Wahrman mit einigen Kollegen nach Dresden. Er zeigte den Professoren das Grüne Gewölbe, eine der berühmtesten Schatzkammern der Welt.
"Ich erzähle gerne Geschichten. Ich will eine Geschichte erzählen, die die Zuhörer fesselt, weil ich sie überrasche. Ohne Überraschung lohnt es sich für mich nicht."
Geschichtsträchtiges Schmuckstück
Wahrman versammelte seine Kolleginnen und Kollegen vor allem um ein Werk - das glücklicherweise von den Dieben nicht mitgenommen wurde: "Der Thron des Großmoguls", hergestellt in den Jahren 1701 bis 1708 von Johann Melchior Dinglinger, dem Hofgoldschmied Augusts des Starken. Wahrman hatte das Werk schon vor einigen Jahren entdeckt: eine Platte, 1,20 Meter mal 1,20 Meter groß. Darauf ist das Geburtstagsfest des Großmoguls Aureng-Zeb zu sehen: neben dem absolutistischen Herrscher selbst sein Thron, seine Diener, die Fürsten, die ihm huldigen. Eine höfische Szene aus 5223 Diamanten, 189 Rubinen, 175 Smaragden, 53 Perlen und einem Saphir. – Aber: Was macht ein Historiker mit so einem Prunkstück?
"Ich greife eigentlich eine Mikrogeschichte heraus, die sehr viele Themen enthält, zum Teil europäische, zum Teil außereuropäische. So bin ich in der Lage – und das ist das Besondere, und da habe ich auch großes Glück – anhand einer Sache viele große Geschichten aus dieser Epoche zu erzählen."
König und Großmogul
Dror Wahrman hält dieses fabelhafte Schmuckstück für das "fantastischste Einzelobjekt im Europa der frühen Neuzeit". Dem Betrachter gibt es zunächst vor allem Rätsel auf. Und genau das ist der Grund, warum Dror Wahrman den Thron des Großmoguls erforscht.
"Ich liebe Rätsel. Was mich wirklich begeistert, ist, in der Lage zu sein, Dinge miteinander zu verbinden, die noch nie im Zusammenhang gesehen wurden. Das kann ich auch als Historiker, Dinge in einen Zusammenhang bringen. Sachsen ist ein absoluter Zufall."
Dror Wahrman kann anhand der Szenerie in Edelsteinen belegen, welche politischen Fantasien August der Starke hatte. Dieser maß sich am mächtigsten der absolutistischen Herrscher der Welt, dem Regenten über den ganzen indischen Subkontinent, dem Großmogul. Er herrschte als Muslim über ein Volk von Hindus. Auch damit konnte sich August identifizieren, der als katholischer König von Polen über die erzprotestantischen Sachsen regierte.
Der sächsische Herrscher ließ sich das Werk aus Juwelen fast 59.000 Taler kosten – obwohl er die Staatskasse um die Jahrhundertwende vom 17. zum 18. Jahrhundert für sein Unternehmen, König von Polen zu werden, geplündert hatte. Feldzüge und Bestechungsgelder, die nach Polen floßen, kosteten hunderttausende Taler. Ohne Rücksicht auf den strapazierten Etat investierte er in das Kunstwerk aus Diamanten und Brillanten, das seinen Wunschtraum von der absolutistischen Monarchie in Perfektion illustrierte.
Trost nach der Katastrophe
Ausgehend von dem Schmuckstück schreibt Dror Wahrman ein Buch: über den König von Polen und sächsischen Kurfürsten, über den indischen Großmogul, über Motive auf den Thronen der absolutistischen Epoche, über gekrönte Häupter und den Ehrgeiz, ein König zu werden. So eingehend wurde das Werk von Hofgoldschmied Dinglinger vermutlich noch nie erforscht. Die patriotischen Sachsen werden es Dror Wahrman, dem Israeli, danken.
"Es gibt einen sehr, sehr starken Lokalstolz. Und ich denke, er war sehr deutlich zu spüren, gerade nach der Katastrophe, die passiert ist, nach diesem Diebstahl. Die Heftigkeit der Reaktion der Lokalpresse, von Menschen, die ich kenne, auf den Diebstahl war sehr groß. Größer als das an anderen Orten, zum Beispiel in Marseille, der Fall wäre."
Die verlorenen Juwelen kann auch Dror Wahrman den Dresdnern nicht so schnell zurückzaubern ins Grüne Gewölbe. Aber manches Rätsel, das die Schatzkammer aufgibt, hat er gelöst.