"Hello Munich, it is great being here with you tonight"
So begrüßte Roboterin Sophia im Februar 2018 die Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz. Nach ihrem Vortrag stand Sophia noch für Fragen zur Verfügung. Nicht nur die CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön war von Sophias Auftritt im Bayerischen Hof zu München völlig begeistert. In der Debatte über die Einrichtung der Bundestagsenquete-Kommission über Künstliche Intelligenz lobt Nadine Schön:
"Sophie hat gelächelt, hat ganz intelligent Fragen beantwortet – mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz."
Künstliche Intelligenz - maschinelles Bewusstsein, als im Bundestag über diese Fragen diskutiert wurde, konnte man bei vielen Politikern eine gewisse Hilflosigkeit feststellen. Roboter mit Künstlicher Intelligenz, vielleicht sogar mit einer "Superintelligenz", KI-Systeme mit Bewusstsein, die dem Menschen weit überlegen ist – wann wird es die geben? Wann werden die für den Menschen Entscheidungen treffen? Auf solche Fragen reagiert auch so mancher Wissenschaftler etwas hilflos.
Hat Künstliche Intelligenz ein Bewusstsein?
Und genau hier setzt ein Forschungsprojekt am Karlsruher Institut für Technologie an. "Abklärung des Verdachts aufsteigenden Bewusstseins in der Künstlichen Intelligenz" lautet der etwas sperrig klingende Titel. Die Ausgangsfrage formuliert Projektleiter Professor Karsten Wendland so.
"In Hollywood-Produktionen sehen wir, dass irgendwelche Maschinen plötzlich erwachen. Und da ist natürlich für uns sehr interessant zu beobachten, wie das dargestellt wird und was da passiert und was diesen kleinen Unterschied bewirkt. Und die Frage nach einem Erwachen der Maschine, die uns dann ebenbürtig ist, die begegnet uns schon."
Können Filme, kann Fiktion aus Hollywood Hinweise geben für sich entwickelndes Bewusstsein in der Realität? Was wir heute schon haben: Computersysteme mit künstlicher Intelligenz geben Empfehlungen ab, welcher Bewerber für einen bestimmten Job eingestellt werden soll. Sie prognostizieren, wann ein Mensch eine Straftat begehen wird. Sie erkennen Hauttumore. Doch die Frage, die nicht nur Hollywood-Regisseure bewegt: Wann werden die Maschinen mit Künstlicher Intelligenz so viel Selbstbewusstsein entwickeln, dass sie zur Einsicht gelangen, die Gesellschaft könnten sie eigentlich viel besser managen als diese fehleranfälligen Menschen? Diese Frage beschäftigt viele Schriftsteller, Politiker und Wissenschaftler. Karsten Wendland betrachtet sie aus einem ganz besonderen Blickwinkel.
"Uns interessiert, wie andere die Situation einschätzen. Wenn jetzt ein Kollege aus den Neurowissenschaften beispielsweise sagt: Wir sind alles Bio-Roboter. Dann fragen wir uns natürlich schon: Wie kommt er da drauf? Und wie sind die Argumentationslinien in seiner Disziplin so aufgebaut, dass er das so für sich schlussfolgern kann, dass er Prognosen aus dieser Haltung heraus für die Zukunft abliefern kann? Und da unterscheiden sich die unterschiedlichen Fachrichtungen doch teilweise enorm voneinander."
Und deshalb will das Karlsruher Forscherteam zunächst einmal den Status quo in Sachen "Künstliche Intelligenz mit Bewusstsein" untersuchen.
"Zunächst einmal sichten wir das, was an Literatur zur Verfügung steht. Literatur bezieht sich mittlerweile nicht mehr nur auf das Geschriebene, sondern es gibt zahlreiche Quellen, die auch im Internet verfügbar sind, Filme beispielsweise, viele Podcasts und auch Fachdiskussion auf Konferenzen, die oftmals auch am Rande der Konferenzen stattfinden im Einzelgespräch. Und da suchen wir auch zu Kollegen aus dem Wissenschaftsbetrieb, das Einzelgespräch am Rande dieser Konferenzen, weil man da doch oftmals noch ein bisschen mehr erfährt als im direkten offiziellen Dialog."
Dabei wenden die Forscher ganz klassische Methoden der Technikfolgenabschätzung an. Die Methoden der Technikfolgeabschätzung wurden zum Beispiel auch genutzt, um die Konsequenzen eines Stromausfalls abzumildern oder die Trinkwasserqualität zu verbessern. Dazu wurden Verwaltungsfachleute und Techniker befragt. Zum Thema maschinellen Bewusstseins wollen Karsten Wendland und sein Team mit Theologen, Philosophen und Neurologen sprechen.
"Zu den Gesprächen entwickeln wir Gesprächsleitfäden, die sich Zug um Zug weiterentwickeln. Wir haben ein Analyseraster als Grundlage. Also wir entwickeln schon Interview-Leitfäden, also das sind qualitative Leitfaden-Interviews, mit denen wir auf die Kollegen zugehen. Aber genaugenommen suchen wir das offene Gespräch zu diesem Thema, das noch so viele Fragezeichen hat. Und da ist uns der wissenschaftsbasierte offene Austausch am liebsten."
Künstliche Intelligenz ist letztlich Algorithmik
Dabei steht schon jetzt, am Anfang des Forschungsprojekts, für die beteiligten Wissenschaftler fest: Sie müssen das Thema Künstliche Intelligenz mit Bewusstsein auch ein wenig entmystifizieren. Deshalb schauen sich die Forscher auch die Computerprogramme, denen Künstliche Intelligenz zugeschrieben wird, genauer an. Karsten Wendland:
"Wenn wir KI-Systeme betrachten, was die können, dann sind wir teilweise begeistert. Das KI-System kann Spiele gewinnen, kann also den besten Schachspieler der Welt besiegen, kann den besten Go-Spieler besiegen, kann mittlerweile Autos autonom durch die Gegend fahren. Wenn wir das sehen, sind wir sehr beeindruckt und nennen das Ganze Intelligenz. Allerdings ist das keine Intelligenz im engen Sinne, sondern es ist letztlich eine Algorithmik."
Also Rechenrezepte, mit denen Menschen sich das Rechnen leichter gemacht haben. Denn Schritt für Schritt gibt so ein Algorithmus vor, was als nächstes berechnet werden muss. Auch für den Computer haben Menschen solche Rezepte geschrieben.
"Das sind genau genommen dumme Computer, die einfach nur sehr schnell sind und sehr clever programmiert, so könnte man das sagen."
Hinter dieser cleveren Programmierung stecken sogenannte heuristische Verfahren, d.h. die Rechenrezepte werden assoziativ verändert. Da wird auch mit Versuch und Irrtum gearbeitet. Das macht das menschliche Gehirn sehr erfolgreich. Projektmitarbeiter Dr. Christian Wadephul
"Solche heuristischen Verfahren machen uns als Menschen ja auch so stark, weil sie dazu in der Lage sind, robust aber natürlich vereinfacht mit viel Information und Komplexität umzugehen. Neue maschinelle Verfahren sind jetzt genau dadurch in der Lage, komplexe mathematische Probleme sogar mit Gütegarantie angehen zu können."
Dafür mussten aber mathematische Modelle für die Funktionsweise des Gehirns entwickelt werden. Und beim Herausarbeiten dieser Unterschiede von menschlichen und maschinellen Problemlösungen ist bei der Frage nach dem Bewusstsein schon ein wenig Bescheidenheit angesagt, meint Karsten Wendland
"Am empirischen Nachweis des Bewusstseins sind, soweit wir das wissen, bisher alle Kolleginnen und Kollegen gescheitert, weil wir überhaupt nicht genau wissen, was das Bewusstsein genau ist und wo es herkommt. Ähnlich wie wir auch nicht wissen, was die Intelligenz genau ist oder wo sie herkommt."
Roboterin Sophia drückt das etwas anders aus: "I don’t think it’s a competition."
Da gebe es einfach keinen Wettbewerb zwischen der künstlichen und der menschlichen Intelligenz, meint die Roboterin.