Silvia Engels: Die mittelitalienische Gebirgsregion der Abruzzen ist in der Nacht von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden. Vor allem in der Provinzhauptstadt L'Aquila stürzten zahlreiche Gebäude ein. Dabei sind nach offiziellen Angaben mindestens 50 Menschen ums Leben gekommen. Die italienischen Behörden sehen sich nach dem Erdbeben mit Vorwürfen konfrontiert, sie hätten auf Warnungen nicht reagiert, dass ein schweres Erdbeben in den Abruzzen drohe. Tatsächlich hatte der italienische Forscher Giampaolo Giuliani wenige Tage vor der Katastrophe schon für Ende März ein Erdbeben angekündigt. Er begründet das mit seiner neuen Methode, die Ströme des Gases Radon messen könnte, und hatte gesagt:
Giampaolo Giuliani: "Mit den Methoden der herkömmlichen Forschung, etwa mit Seismographen, wird es nie möglich sein, Erdbeben länger vorherzusagen. Was wir machen, das ist etwas anderes. Wir haben in den Abruzzen fünf Mess-Stationen, über die wir die Emissionen des Gases Radon beobachten. Auf der Grundlage können wir dann tatsächlich Erdbeben mit einem Vorlauf von 6 bis 24 Stunden vorhersagen."
Engels: So weit die Aussage des italienischen Erdbebenforschers Giampaolo Giuliani vor einigen Tagen im italienischen Fernsehen. Seine Ankündigung führte zu Unruhe. Nun also einige Tage später das Erdbeben. Am Telefon ist nun Monika Sobiesiak. Sie arbeitet am Geoforschungszentrum in Potsdam. Guten Tag!
Monika Sobiesiak: Schönen guten Tag!
Engels: Wir haben gerade noch mal die Stimme gehört. Was halten Sie von der Methode, Radon zu verwenden? Kann man damit tatsächlich Erdbeben genauer vorhersagen?
Sobiesiak: Von meiner Ansicht aus muss ich sagen, dass es im Moment eigentlich noch keine wirklich verlässliche Methode gibt, ein Erdbeben in der Zeit ganz genau vorherzusagen. Im Fall von dieser Radon-Methode ist es so, dass natürlich Gase aus der Erdoberfläche austreten, vor allen Dingen dann, wenn es Mikrorisse gibt, und kurz vor einem Erdbeben ist das sicher der Fall. Wenn sich quasi die Spannungen so erhöhen, dass die Erdkruste kurz vor einem Riss oder vor einem Bruch steht, dann treten eben diese Gase an die Erdoberfläche aus und man kann sie messen. Aber es gibt natürlich auch jede Menge anderer Mechanismen, die so etwas hervorrufen können. Das heißt, sie werden sicherlich Signale erkennen, aber ob in dem Radon-Signal jeweils immer ein Erdbeben dahinter steckt, das ist eben die große Frage. Das heißt also, Radon wird als Indikator für Erdbeben zwar untersucht, aber die Forschung ist noch im Gange und es ist nach meinem Erachten noch keine Möglichkeit gegeben, das als verlässliche Voraussage für ein großes Erdbeben zu nehmen.
Engels: Ist es also Ihrer Einschätzung nach seriös, so konkret, wie Herr Giuliani es getan hat, vor einem Erdbeben zu warnen? Das hat ja auch Unruhe in der Region vorher ausgelöst.
Sobiesiak: Richtig und das ist genau das, was ich für sehr riskant halte, weil sie natürlich auch Panik auslösen können. Ich denke, in ganz vielen Fällen werden sie ein Radon-Signal eventuell sehen können, aber es folgt kein großes Erdbeben. Gerade dieses Gebiet, wo das Erdbeben jetzt stattgefunden hat, ist grundsätzlich ein seismisch aktives Gebiet. Das wissen wir schon seit langem und vor allen Dingen auch die Geophysiker in Italien wissen das natürlich. Es gibt also auch immer wieder kleinere Erdbeben, die von der Bevölkerung zum Teil gar nicht gespürt werden, weil sie die nur mit dem Seismometer aufzeichnen können. Sie können, glaube ich, bei einem solchen Radon-Signal ganz schlecht unterscheiden, kommt jetzt ein großes Erdbeben, oder gibt es halt eben nur ein relativ kleines Erdbeben.
Engels: Nun kann man andererseits argumentieren, Herr Giuliani hat sich um einige Tage vertan, aber im Grundsatz Recht behalten. Gibt es denn Möglichkeiten, dass die Behörden vielleicht doch etwas sensibler auch auf diese Methode reagieren könnten? Heißt: sollte man da vielleicht eine Art von Zwischenwarnungen einführen?
Sobiesiak: Ich glaube, Warnungen in dem Sinne wären wirklich noch sehr, sehr schwierig, weil ich halte das jetzt im Moment eigentlich für ernsthaft einen Zufall. Was natürlich wichtig ist, wenn eine Stadt in einem erdbebengefährdeten Gebiet steht, dass man entsprechende Baunormen einführt, die dann umgesetzt werden. Das heißt, dass die Gebäude nur für bestimmte Magnitudenklassen sagen wir ausgelegt werden, und somit haben sie natürlich eine präventative Maßnahme ergriffen.
Engels: Frau Sobiesiak, schauen wir abseits von der Radon-Methode jetzt auf die generelle Gefahr von Nachbeben. Das ist ja auch eine Touristen-Region. Setzt man sich jetzt einer stärkeren Risikoentwicklung aus, wenn man seinen Urlaub, den man vielleicht geplant hat, tatsächlich dort verlebt?
Sobiesiak: Ich würde sagen, jetzt im Moment einen Urlaub in einem Katastrophengebiet anzufangen, das wäre sowieso nicht ganz richtig und auch sehr, sehr schwierig. Vor allen Dingen ist das ganze Gebiet jetzt im Moment abgesperrt und ich denke, Touristen werden gar nicht reingelassen werden. Man muss aber natürlich auch sehen, dass die meisten Urlaubsgebiete, die sich die Deutschen aussuchen, tatsächlich seismisch gefährdete Gebiete sind. Das heißt, in Italien haben sie überall in den Feriengebieten eine große, starke seismische Gefährdung und es kann immer wieder zu großen Erdbeben in diesen Regionen kommen. Wie schon gesagt: dadurch, dass wir in der Zeit noch nicht genau vorhersagen können, können sie natürlich auch immer damit rechnen, dass es große Erdbeben in diesen Regionen geben wird.
Engels: Monika Sobiesiak vom Geoforschungszentrum Potsdam. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
Giampaolo Giuliani: "Mit den Methoden der herkömmlichen Forschung, etwa mit Seismographen, wird es nie möglich sein, Erdbeben länger vorherzusagen. Was wir machen, das ist etwas anderes. Wir haben in den Abruzzen fünf Mess-Stationen, über die wir die Emissionen des Gases Radon beobachten. Auf der Grundlage können wir dann tatsächlich Erdbeben mit einem Vorlauf von 6 bis 24 Stunden vorhersagen."
Engels: So weit die Aussage des italienischen Erdbebenforschers Giampaolo Giuliani vor einigen Tagen im italienischen Fernsehen. Seine Ankündigung führte zu Unruhe. Nun also einige Tage später das Erdbeben. Am Telefon ist nun Monika Sobiesiak. Sie arbeitet am Geoforschungszentrum in Potsdam. Guten Tag!
Monika Sobiesiak: Schönen guten Tag!
Engels: Wir haben gerade noch mal die Stimme gehört. Was halten Sie von der Methode, Radon zu verwenden? Kann man damit tatsächlich Erdbeben genauer vorhersagen?
Sobiesiak: Von meiner Ansicht aus muss ich sagen, dass es im Moment eigentlich noch keine wirklich verlässliche Methode gibt, ein Erdbeben in der Zeit ganz genau vorherzusagen. Im Fall von dieser Radon-Methode ist es so, dass natürlich Gase aus der Erdoberfläche austreten, vor allen Dingen dann, wenn es Mikrorisse gibt, und kurz vor einem Erdbeben ist das sicher der Fall. Wenn sich quasi die Spannungen so erhöhen, dass die Erdkruste kurz vor einem Riss oder vor einem Bruch steht, dann treten eben diese Gase an die Erdoberfläche aus und man kann sie messen. Aber es gibt natürlich auch jede Menge anderer Mechanismen, die so etwas hervorrufen können. Das heißt, sie werden sicherlich Signale erkennen, aber ob in dem Radon-Signal jeweils immer ein Erdbeben dahinter steckt, das ist eben die große Frage. Das heißt also, Radon wird als Indikator für Erdbeben zwar untersucht, aber die Forschung ist noch im Gange und es ist nach meinem Erachten noch keine Möglichkeit gegeben, das als verlässliche Voraussage für ein großes Erdbeben zu nehmen.
Engels: Ist es also Ihrer Einschätzung nach seriös, so konkret, wie Herr Giuliani es getan hat, vor einem Erdbeben zu warnen? Das hat ja auch Unruhe in der Region vorher ausgelöst.
Sobiesiak: Richtig und das ist genau das, was ich für sehr riskant halte, weil sie natürlich auch Panik auslösen können. Ich denke, in ganz vielen Fällen werden sie ein Radon-Signal eventuell sehen können, aber es folgt kein großes Erdbeben. Gerade dieses Gebiet, wo das Erdbeben jetzt stattgefunden hat, ist grundsätzlich ein seismisch aktives Gebiet. Das wissen wir schon seit langem und vor allen Dingen auch die Geophysiker in Italien wissen das natürlich. Es gibt also auch immer wieder kleinere Erdbeben, die von der Bevölkerung zum Teil gar nicht gespürt werden, weil sie die nur mit dem Seismometer aufzeichnen können. Sie können, glaube ich, bei einem solchen Radon-Signal ganz schlecht unterscheiden, kommt jetzt ein großes Erdbeben, oder gibt es halt eben nur ein relativ kleines Erdbeben.
Engels: Nun kann man andererseits argumentieren, Herr Giuliani hat sich um einige Tage vertan, aber im Grundsatz Recht behalten. Gibt es denn Möglichkeiten, dass die Behörden vielleicht doch etwas sensibler auch auf diese Methode reagieren könnten? Heißt: sollte man da vielleicht eine Art von Zwischenwarnungen einführen?
Sobiesiak: Ich glaube, Warnungen in dem Sinne wären wirklich noch sehr, sehr schwierig, weil ich halte das jetzt im Moment eigentlich für ernsthaft einen Zufall. Was natürlich wichtig ist, wenn eine Stadt in einem erdbebengefährdeten Gebiet steht, dass man entsprechende Baunormen einführt, die dann umgesetzt werden. Das heißt, dass die Gebäude nur für bestimmte Magnitudenklassen sagen wir ausgelegt werden, und somit haben sie natürlich eine präventative Maßnahme ergriffen.
Engels: Frau Sobiesiak, schauen wir abseits von der Radon-Methode jetzt auf die generelle Gefahr von Nachbeben. Das ist ja auch eine Touristen-Region. Setzt man sich jetzt einer stärkeren Risikoentwicklung aus, wenn man seinen Urlaub, den man vielleicht geplant hat, tatsächlich dort verlebt?
Sobiesiak: Ich würde sagen, jetzt im Moment einen Urlaub in einem Katastrophengebiet anzufangen, das wäre sowieso nicht ganz richtig und auch sehr, sehr schwierig. Vor allen Dingen ist das ganze Gebiet jetzt im Moment abgesperrt und ich denke, Touristen werden gar nicht reingelassen werden. Man muss aber natürlich auch sehen, dass die meisten Urlaubsgebiete, die sich die Deutschen aussuchen, tatsächlich seismisch gefährdete Gebiete sind. Das heißt, in Italien haben sie überall in den Feriengebieten eine große, starke seismische Gefährdung und es kann immer wieder zu großen Erdbeben in diesen Regionen kommen. Wie schon gesagt: dadurch, dass wir in der Zeit noch nicht genau vorhersagen können, können sie natürlich auch immer damit rechnen, dass es große Erdbeben in diesen Regionen geben wird.
Engels: Monika Sobiesiak vom Geoforschungszentrum Potsdam. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.