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Fortschrittsdächer

China gilt als Klimakiller. Kein anderes Land pustet so viele Treibhausgase in die Luft wie das Reich der Mitte. Gleichwohl werden die Gefahren durch den Klimawandel gesehen: In der nordostchinesischen Stadt Dezhou sind fast alle Gebäude mit klimafreundlichen Solaranlagen ausgestattet.

Von Ruth Kirchner | 28.11.2009
    Eigentlich ist Dezhou eine ganz normale Stadt. Im Zentrum, am Platz der Harmonie, treffen sich abends Rentner zum Trommeln und Fächertanz. Der Feierabendverkehr rauscht auf den mehrspurigen Straßen. Am Stadtrand stehende qualmende Fabrikschlote. Doch auf den Dächern der Fünf-Millionen-Stadt hat in den letzten Jahren eine kleine Revolution stattgefunden. Fast alle Gebäude sind mit Solaranlagen ausgestattet. Die Geräte versorgen die Menschen mit heißem Wasser zum Waschen, Kochen und Duschen ohne das städtische Stromnetz zu belasten, freut sich Zhang Yunfa von der Stadtverwaltung.

    "Fast 90 Prozent aller Gebäude haben integrierte Solaranlagen. In den Vororten haben über 50 Prozent aller Häuser Solarwasserbereiter, in der Innenstadt haben wir eine Deckungsrate von fast 100 Prozent."

    Die Technologie ist relativ einfach: In doppelwandigen schwarzen Glasröhren auf dem Dach wird die Sonnenenergie gespeichert und damit das Wasser in den Tanks erwärmt.

    Der Hersteller der Solarwasserbereiter hat seine Fabrik direkt am Stadtrand in Dezhou. "Chinas Solartal" steht in Leuchtschrift auf der Zufahrtsstraße. In den Fabrikhallen werden Metallplatten gestanzt, zu Röhren verschweißt und dann zu Wassertanks weiterverarbeitet. Firmenchef Huang Ming sieht sich als Vorkämpfer für eine grüne Zukunft.

    "Schon damit die nächste Generation blauen Himmel und weiße Wolken hat, müssen wir Solarenergie einsetzen. Das war immer mein Traum, meine Vision und wird mein Traum und meine Aufgabe bleiben."

    Der ehemalige Erdölingenieur Huang ist die treibende Kraft hinter Dezhous grüner Revolution. Im Stadtzentrum baut er an seinem nächsten Projekt - Utopia Garden, 1600 umweltfreundliche Wohnungen. Über den Dächern der Hochhaus-Anlage werden sich gewaltige Sonnensegel aus Solarzellen spannen. Auch wenn diese Luxuswohnungen für viele Menschen zu teuer sind, die Solarwasserbereiter will keiner mehr missen – sie drücken für jeden einzelnen die Stromkosten. Auch sonst versucht Dezhou sich als Stadt der Erneuerbaren Energien zu etablieren – Straßenlaternen etwa leuchten mit Solarstrom. Klimaexperte Zheng Mingqing von Greenpeace ist beeinddruckt.

    "In Dezhou hat die Regierung die Entwicklung, Produktion und den Einsatz von Sonnenenergie zu einem Schwerpunkt gemacht und versucht damit, die wirtschaftliche Entwicklung auf eine nachhaltige Basis umzustellen. Andere Städte können von Dezhou lernen. Dann könnte man eine Menge Energie sparen und die CO2-Emissionen Chinas reduzieren."

    Doch Unternehmer Huang Ming will mehr. Er träumt davon, dass Dezhou international zu einem der größten Solarzentren aufsteigt. Rund um seinen Firmensitz lässt er ein Kongresszentrum bauen, Modellsiedlungen, ein Solarkraftwerk. Dass die Solarindustrie im Kohleland China bislang nur ein marginale Rolle spielt, ficht ihn nicht an. Noch sei Dezhou wie eine kleine Insel. Aber...

    "Ich denke, diese Insel wird größer und größer werden; und der Einfluss dieser Insel wird gewaltig sein, nicht nur in China, sondern in der ganzen Welt."