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Eduardo Bértola und Graciela Paraskevaídis
La visión de los vencidos

Sowohl der Argentinier Eduardo Bértolas als auch Graciela Paraskevaídis in Uruguay lebten und komponierten in den 1970er-Jahren in faschistischen Diktaturen. In beider Schaffen spiegeln sich dekoloniale Perspektiven und politischer Widerstand.

Von Tina Vogel |
Die Flagge Argentiniens weht über einer Protestaktion in Buenos Aires, während der Himmel so trüb ist, dass die Sonne nur ein fahles Licht auf die Straße strahlt.
In den 1970er-Jahren litten die Bürger Argentiniens unter einer Diktatur, die mit Verschleppungen und Folter agierte. (picture alliance / AA / Pablo Barrera)
Eduardo Bértolas Flötenquartett „La visión de los vencidos“ ist obertonreich und voller Einklänge, ein eher leises Stück. Der argentinische Komponist schrieb es 1978, während der Diktatur von Jorge Videla. „Die Sicht der Besiegten“ – so der Titel auf deutsch – weist weit in die koloniale Geschichte zurück. Bértola bewegte die Vorstellung, es sei an der Zeit, eine indigene Sicht quer zur Geschichtsschreibung der Europäer zu entwerfen, gewissermaßen um an die Wurzeln jahrhundertelanger Ohnmacht zu kommen.

Stille als künstlerischer Widerstand

Graciela Paraskevaídis hatte sich kurz zuvor zuvor für ein Leben in der uruguayischen Dikatur entschieden. Auch ihr 1979 verfasstes Bläsersextett „todavía no“, was "noch nicht" bedeutet, verstand sich als kultureller Widerstand. Es arbeitet mit Stille, an der Untergrenze der Wahrnehmbarkeit.
Eine ältere Frau mit vollem, weißem Haar steht neben einem gleichaltrigen Mann.
Graciela Paraskevaídis, hier mit ihrem Ehemann Coriun Aharonian, suchte ein Leben lang nach einer eigenständigen lateinamerikanischen Identität in der Musik und hielt engen Kontakt mit dem deutschen Ensemble Aventure. (Iberoamerikanisches Institut Berlin / Nairí Aharonián )
Autorin Tina Vogel setzt beide Kompositionen exemplarisch in Bezug zueinander und zeigt auf, wie engagiertes Komponieren in der Militärdiktatur dekoloniale Perspektiven entwirft. 
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