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Energieträger und Klimaschutz
Öl, Gas und Kohle sollten größtenteils in der Erde bleiben

Um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, müsste die Erdöl- und Erdgasförderung laut einer britischen Studie schon in diesen Jahren ihren Höhepunkt erreichen. 60 Prozent aller Öl- und Gasreserven, die als wirtschaftlich förderbar gelten, dürften nicht angetastet werden – und sogar 90 Prozent der Kohle.

Von Volker Mrasek |
Blick vom Skywalk in der Nähe von Titz-Jackerath ( Kreis Düren ) in den Braunkohletagebau Garzweiler mit seinen Schaufelradbaggern. Am Rande des Tagebaus stehen Windräder.
Für den Klimaschutz sollte 90 Prozent der förderbaren Kohle nicht gefördert werden, sagt eine Studie (picture alliance / Ralph Goldmann)
Die britische Studie kommt zu einem deutlichen Ergebnis: Der überwiegende Teil aller Erdöl-, Erdgas- und Kohlereserven, die heute als wirtschaftlich erschließbar gelten, muss im Boden bleiben. Anders sind die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht zu erreichen. Erstautor am University College London ist der Energie- und Umweltökonom Dan Welsby:
"Es sind dramatische Einschnitte in der Nutzung fossiler Energieträger nötig, um die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius oder nur wenig darüber zu begrenzen. Das geht nur, wenn fast 60 Prozent der globalen Erdöl- und Erdgasreserven im Boden bleiben und 90 Prozent der Kohle. Die Öl- und Gas-Produktion muss jetzt ihren Höhepunkt erreichen und bis 2050 jedes Jahr um rund drei Prozent zurückgehen."
Klimaschutz nach dem IPCC-Bericht
Die Erderwärmung hat sich dem neuen Bericht des Weltklimarats IPCC zufolge stark beschleunigt. Um dem Klimawandel entgegenzuwirken, seien jetzt eine große Infrastrukturleistung und Veränderungen "der Grundlagen unserer Gesellschaft" nötig, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im Dlf.

Klimaschädliche und teure Energieträger identifiziert

Welsby und seine Ko-Autoren nutzten ein Modell, das das globale Energiesystem simuliert. Dabei orientierten sie sich am noch verbleibenden Restbudget für Kohlendioxid. Es liegt bei schätzungsweise 580 Milliarden Tonnen CO2. Mehr dürfe die Welt nicht mehr ausstoßen, erklärt der Londoner Umweltingenieur Steve Pye:
"Wir geben dieses CO2-Budget vor und überlassen es dann dem Modell, einen Weg zu finden, um es einzuhalten. Wir schreiben keine Produktionsstopps vor! Das Modell orientiert sich an steigenden Preisen für die Verschmutzung durch CO2. Sie reduzieren die Nachfrage nach fossilen Energieträgern und die Produktionsmengen."
Versorgungschiff Normand Aurora neben Bohrinsel West Phoenix, Ölförderung, Nordsee
Versorgungschiff Normand Aurora neben Bohrinsel West Phoenix, Ölförderung, Nordsee (imageBROKER / Olaf Krüger)
Das Modell entlarvt besonders klimaschädliche und teure Energieträger. Kaum noch Spielraum sieht es für die Nutzung von Schieferöl und Schiefergas. Beide stammen aus sogenannten unkonventionellen Lagerstätten. Heißt: Sie zu fördern ist aufwändig, CO2-intensiv und relativ teuer.

Kannda sollte Ölsandabbau einschränken

Die Studie rückt hier vor allem Kanada in den Fokus. Das Land ist groß in den Abbau von Ölsanden eingestiegen und sitzt auf bestätigten Reserven von 50 Milliarden Tonnen. Doch allenfalls ein Sechstel davon dürfe noch gefördert werden, sagt Dan Welsby:
"Aus Sicht der Ökonomie und des Klimas ergibt es keinen Sinn, dass Kanada mit einer so teuren und CO2-intensiven Technologie das noch verbleibende globale Budget belastet. Nach unserem Modell muss die Produktion von Erdöl in allen Regionen der Erde schon jetzt ihren Höhepunkt erreichen oder spätestens 2025. Das Gleiche gilt für die Erdgasförderung in Europa, den USA und in Russland. Denn im Nahen Osten, in Afrika und in Teilen Asiens wird die Produktion bis 2030 noch zunehmen, vor allem durch einen steigenden Eigenbedarf von Energiewirtschaft und Industrie."
Etwas mehr als 50 Jahre werden die weltweit nachgewiesenen Ölreserven noch reichen. Davon geht der BP Statistical Review of World Energy 2021 aus. 
Ölreserven der Welt (27.08.2021) (dpa-infografik)

Auch Öl-Staaten müssen sich umstellen

Für den Physiker James Price vom Londoner University College macht die neue Studie auch sehr klar, dass es immer riskanter wird, in fossile Energieträger zu investieren. Oder noch lange auf sprudelnde Steuereinnahmen aus diesem Sektor zu setzen. Auch Öl-Staaten wie Saudi-Arabien, Katar oder der Irak müssten sich dringend umstellen:
"Jahr für Jahr werden die Kostenkalkulationen für Windkraft- und Solaranlagen nach unten korrigiert. Das Gleiche kann man für batteriebetriebene Autos und für Energiespeicher sagen. Das System funktioniert immer besser, auch ohne fossile Energieträger. Es geht jetzt darum, der Versuchung zu widerstehen, noch das letzte Quäntchen fossiler Brennstoffe zu fördern."
Wie die EU den Umbau der Wirtschaft absichern will
Mit dem Green Deal will die Europäische Union ihre Wirtschaft bis 2050 klimaneutral gestalten. Um nicht von Konkurrenten außerhalb der EU verdrängt zu werden, plant die EU für ihre Unternehmen eine außenwirtschaftliche Absicherung.
Die Forscher wissen durchaus, dass es ein dickes Brett ist, das sie da bohren. Sie sehen aber auch schon positive Entwicklungen. So hat Dänemark entschieden, keine staatlichen Lizenzen für neue Öl- und Gasprojekte mehr zu erteilen. Costa Rica will folgen. Beide Länder, so heißt es, planten eine "Nach-dem-Öl-und-Gas-Allianz". Weitere Mitglieder im Klub seien hochwillkommen.