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Foto-Ausstellung im Schloss Clervaux
Universales Bekenntnis zur Humanität

Von 1951-55 konzipierte Edward Steichen die Fotoausstellung "Family of Man" für das New Yorker Museum of Modern Art. Nach der Station im MoMA ging sie auf Weltreise. Seit 1994 ist die Schau im Schloss Clervaux in Luxemburg zu sehen und wurde zum Weltdokumenterbe der UNESCO erklärt.

Von Katrin Kühne |
Schloss Clervaux im Norden Luxemburgs
Die Ausstellung des Fotografen Edward Steichen, die "Family of Man", ist auf Schloss Clervaux im Norden Luxemburgs zu sehen (picture alliance / imageBROKER / Barbara Boensch)
"Es gibt nur einen Mann auf der Welt und sein Name ist Alle Männer. Es gibt nur eine Frau auf der Welt und ihr Name ist Alle Frauen. Es gibt nur ein Kind auf der Welt und sein Name ist Alle Kinder."
So steht es, allerdings in Englisch, am Beginn der monumentalen Ausstellung des Fotografen Edward Steichen. Die "Family of Man", so der Titel, wird seit den 1970ern zunächst teilweise, seit 1994 in Gänze, auf Schloss Clervaux im Norden Luxemburgs gezeigt. Das Zitat stammt von Carl Sandburg, Pulitzer-Preisträger und Schwager von Edward Steichen. Eigentlich Edouard Jean Steichen - er war gebürtiger Luxemburger.
Steichen arbeitet als Kriegsfotograf für die US-Armee
Zwei Jahre ist er alt, als die Eltern mit ihm 1881 nach Amerika auswandern. In beiden Weltkriegen arbeitet er als Kriegsfotograf für die US-Armee. 1947 wird der überzeugte Pazifist mit über 60 Direktor des Dokumentar-Bild-Archivs des Museum of Modern Art in New York. Für das 25-jährige Jubiläum des MoMA kreiert er von 1951-55 sein Meisterwerk - die "Family of Man", die "Familie der Menschheit". Aus zunächst rund vier Millionen gesammelter Fotografien wählen er und sein Team, darunter Kriegsfotograf Wayne Miller und seine Frau Laura, 503 für das epochale Projekt aus. Ausstellungsspezialistin Gaby Wenkin von Schloss Clervaux erklärt, dass der bei der Restaurierung 2013 rekonstruierte Rundgang dem ursprünglichen im MoMA folgt.
"Das Leben fängt an, die schwangere Frau, das Baby wird jetzt zur Welt kommen. Also der Anfang von allem."

Gleich am Beginn der Ausstellung faszinieren diese zwei Fotografien. "Wayne Miller war ein sehr guter Freund von Edward Steichen und das ist sein Sohn, der zur Welt kommt und der Großvater ist der Doktor. Also ein echtes Familienfoto, was man eigentlich zuhause der Familie oder ein paar Freunden zeigt, aber nicht in einem öffentlichen Museum Hunderttausenden von Besuchern."
Damals ein absoluter Schock im prüden Amerika der 50er-Jahre: Erst das Bild mit dem nackten Schwangerenbauch von Laura Wayne, dann das nächste mit dem noch nicht abgenabelten Säugling. Das erste Mal krass realistische und - ein Begriff, der sich überhaupt erst im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts herausbildet – dokumentarische Fotografien des menschlichen Lebens. 32 Themenblöcke erzählen von Liebe, Lachen, Tanzen, Arbeit oder auch Hunger.
Fotos der Ausstellung "Family of Man"
Fotos der Ausstellung "Family of Man" (picture alliance / dpa / MAXPPP / Pierre Heckler)
Im Grunde genommen sind wir alle Teil der Family of Man
Das ikonographische Foto von Steichens guter Freundin Dorothea Lange, der Queen der Dokumentarfotografie, zeigt ihre "Migrant Mother". Es ist eine verhärmte junge Landfrau mit ihren zwei hungrigen Kindern während der Großen Depression in Amerika, die da skeptisch in Langes Kamera schaut. Insgesamt verwendet Steichen Material von 273 Künstlern aus 68 Ländern. Gaby Wenkin zeigt mir ihre ganz besonderen Lieblingsfotos. Das erste, von Arthur Witmann, entsteht 1952 in einer Kleinstadt in Indiana:
"Das mit den Menschen, die in der Show sitzen. Wie verschieden die Menschen sind, auch wenn sie gemeinsam etwas anschauen und dann da meine Freunde mit den Hüten. Da oben, die schon ein Gläschen getrunken haben. Mit denen würde ich gerne mal diskutieren."
Der Schweizer Fotograf Werner Bischof hat sie 1947 in einem Gasthof in der Puszta abgelichtet. Die Installation in Clervaux ist mit Textzitaten von Dichtern und Denkern versehen, die das Team um Steichen damals in New York ausgewählt hat. Der Abschnitt über die Einsamkeit etwas ist mit einem poetischen Zitat des chinesischen Dichters Lui Chi übertitelt: "Ich bin allein mit dem Schlagen meines Herzens."
Ob in China, in Ungarn oder den USA, in Deutschland - im Grunde genommen sind wir alle Teil der Family of Man, der Menschheitsfamilie. Fast am Ende des Parcours hängt als ewige Warnung das Bild einer Atombombenexplosion von 1952 auf dem Bikini-Atoll, wie alle Fotos der Ausstellung, in schwarz-weiß. Das letzte Bild des Rundgangs stammt von dem US-Kriegsfotografen Eugene Smith. Es zeigt seine eigenen Kinder, die ins Licht laufen.
"Die Endbotschaft ist nicht die Zerstörung der Welt, die Atombombe, sondern die Hoffnung für die nächste Generation, für eine bessere Zukunft."
Seit 2003 Weltdokumenterbe der UNESCO
Nach dem Riesenerfolg im MoMA Anfang 1955 geht die Ausstellung auf Weltreise. Zehn Kopien wandern in zehn Jahren rund um den Erdball und werden von über zehn Millionen Menschen gesehen. Die auf Schloss Clervaux installierte Version ist die einzige noch erhaltene auf der Welt. Mit ein Grund, weswegen "The Family of Man" bereits 2003 zum Weltdokumenterbe der UNESCO erklärt wird. Natürlich sei es in der Zeit des kalten Krieges auch um Propaganda für Amerika gegangen, meint die zu uns stoßende Kuratorin Anke Reitz. Wieso aber war die "Familie der Menschheit" derart erfolgreich?
"Das dies der Fall sein konnte, liegt auf der einen Seite an der Aussage, auf der anderen Seite ist es aber auch so clever konstruiert, dass sich wirklich jeder darin zurückfinden kann und dass es so ein Friedensbedürfnis gab, da hat die Ausstellung darauf geantwortet."

Wenn man sich heute auf der Welt umschaut, wäre es vielleicht an der Zeit, Edward Steichens universales Bekenntnis zur Humanität erneut auf Reisen zu schicken. Der interessierte Hörer, "Mensch", kann aber auch zu den Bildern in Schloss Clervaux reisen, im Norden Luxemburgs, dem Kernland der Europäischen Union.