Der Mann steht breitbeinig, die Hände in den Taschen seiner verschmutzten Jacke. Seine Brust schwillt stolz über seinem Bauch. Fast ein Held der Arbeit.
"Man sieht ihn stehen. Hinter ihm industrielle, zerstörte Landschaft, Schrott. Aber es könnte ganz anders wirken, wenn hinter ihm irgendwelche Kulissen der erfolgreichen sowjetischen Industrialisierung zu sehen wären. Dann sollte seine Weste oder sein Anzug absolut sauber sein. Oder malerisch verschmutzt werden. Und in diesem Fall ist es nicht so."
Die Fotos sind stark und voller Respekt für die Menschen, die trotz des Krieges jeden Tag zur Arbeit gehen. Yevgenia Belorusets ist 34 Jahre alt. Die Propagandaästhetik der Sowjetunion hat auch sie geprägt.
"Ich versuche sie sehr oft zu ignorieren. Aber manchmal knüpfe ich die Bilder an sie an, um zu zeigen, wie lügnerisch sie war und inwieweit sie noch in unseren Köpfen existiert. Es gibt Stellen, wo ich zu ihr zurückkomme."
Sie bricht diese Ästhetik gekonnt. Sie heroisiert nicht. Auf dem ersten Bild der Ausstellung ist ein Bergarbeiter zu sehen, unter Tage, verschmutzt. Er sitzt leicht gekrümmt auf einer zusammengenagelten Holzbank und telefoniert mit einem Werkstelefon. Belorusets hofft, damit Gedanken der Betrachter über Mobiltelefone in Kriegen anzuregen.
"Man ruft an die Menschen, die in Krieg sind man sehr leicht jemanden erreichen, der in Schützengraben ist. Das ist teilweise absurd. Das ist fast surrealistisch. Du hörst die Stimme von jemandem, den du liebst, deinen Freund, deinen Verwandten, deinen Mann, deine Frau. Aber du kannst nichts tun, du kannst nicht retten diese Person, du bist zu weit entfernt. Ich bin in Kiew, in Berlin, woanders. Es ist wie letzte Nachricht. Wir, die geschützt und dieses Gespräch führen und plötzlich verstehen, dass wir absolut handlungsunfähig sind gegenüber dem, den wir lieben."
Die Separatisten haben die Arbeiter in den Kohlegruben bedrängt, sich ihnen anzuschließen. Ohne Erfolg. Das sieht man nicht. Auf den Bildern sind auch keine Ruinen zu sehen, keine Panzer oder Soldaten. Die Bilder sind gut, richtig stark werden sie aber nur, wenn der Betrachter um den Krieg weiß.
Es ist geplant, dass die Ausstellung von Berlin aus in die Nationalgalerie der Ukraine in Kiew weiterwandert. In Berlin sind die Bilder in der Versöhnungskapelle in der Bernauer Straße zu sehen. Nicht gerade der Ort für Fotos dieser Qualität.
"Ich finde, dass die Kapelle der Versöhnung ist der beste Ort für diese Arbeit. Viel besser als ein Pavillon in Venedig. Weil gerade hier, am Todesstreifen Berliner Mauer kann man vorstellen, was bedeutet für die Menschen, plötzlich künstlich voneinander getrennt zu werden. Durch eine Grenze, die überhaupt nie da existiert hat. Mich interessiert auch jemand, der nicht zu Kunstpublikum gehört und jemand, der plötzlich auf diese Bilder stößt. Und das erreiche ich nur in der Versöhnungskapelle. Und das ist wirklich ein offener Ort. Man kann immer dorthin kommen. Man muss für den Eintritt nichts bezahlen. Und das ist vielleicht für mich diese Serie unheimlich wichtig. Diese Bilder dürfen nicht in diesen geschützten Kunstraum gebracht werden und nur da gezeigt werden. Ich will das für sie nicht. Diese Erzählung kann nur dann leben, wenn wir alle möglichen Rahmen zerstören. Und Kunst ist auch nur ein Rahmen."