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Fotoausstellung über Flüchtlinge
Ganz nah dran an den Menschen

Für ihre Ausstellung "Grenzüberschreitungen" hat die Fotografin Silvia Hauptmann Flüchtlinge in Erstunterkünften in Leipzig und Umgebung porträtiert. Es sind keine voyeuristischen Bilder - Hauptmann will mit ihren Bildern zeigen, wie es den Menschen geht. Das Schicksal einer Frau hat sie besonders berührt.

Von Anke Behlert |
    Eine Fotografie der Ausstellung "Grenzüberschreitungen", zu sehen in der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien in Leipzig.
    Eine Fotografie der Ausstellung "Grenzüberschreitungen", zu sehen in der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien in Leipzig. (Silvia Hauptmann)
    Eine herrschaftliche Gründerzeitvilla im Leipziger Westen, direkt gegenüber dem Clara-Zetkin-Park. In den Büroräumen drinnen dominiert dunkles Holz, die gebohnerten Böden knarzen ein wenig unter den Füßen. Zwischen den senkrechten Holzbalken sind die Wände geweißt, dort hängen die Portraits von Fatima und ihren Kindern aus dem Kosovo, Saif aus Libyen und Jelena aus Serbien. Sie schauen direkt in die Kamera, viele lächeln oder posen ein wenig. Silvia Hauptmann hat 600 Fotos in Flüchtlingsunterkünften aufgenommen, 22 davon für die Ausstellung ausgewählt. Sie portraitiert vor allem Frauen.
    "Weil in den Medien so viele junge Männer gezeigt werden. Männer, Männer, Männer - jede sagenumwobene Story handelte von Männern. Ob die stimmte oder nicht war egal. Über Frauen wurde so gut wie nicht geredet."
    Silvia Hauptmann erzählt zum Beispiel von einer Familie, die aus Afghanistan über die sogenannte Balkanroute nach Deutschland gekommen ist. Über die Hintergründe der Flucht erfährt man selbst nichts. Es sind aber auch keine voyeuristischen Bilder. Die Fotografin will zeigen, wie es den Menschen geht.
    "Also habe ich mich auf die Suche gemacht, bin da hingefahren und habe mit denen Kaffee getrunken. Bis die sich entspannen, bis die denken, ich bin nicht mehr da."
    Nicht entblößend oder dramatisch
    Silvia Hauptmann arbeitet mit offener Blende und ist ganz nah dran an den Menschen, die sie fotografiert. Die Bilder vermitteln diese Nähe, man hat das Gefühl direkt vor den Geflüchteten zu stehen. Manche Bilder wirken fast wie Schnappschüsse. Die Bilder sind nicht entblößend oder dramatisch, sie wirken eher alltäglich. Im Hintergrund eine Wand oder ein Sofa, die Menschen stehen im Fokus. Es gibt keine weinenden, verzweifelten Schiffbrüchigen. Die meisten Menschen wirken trotz der Ungewissheit, in der sie leben, positiv und hoffnungsvoll.
    "Deswegen habe ich mich auch bemüht, nicht solche traurigen, tragischen Bilder zu machen. Die Leute waren in dem Sommer fröhlich. Das Klischee der weinenden Mutti - ich hab's nirgends getroffen. Die waren wirklich hoffnungsgesteuert."
    Für Christoph Waitz vom Sächsischen Medienrat und Mitorganisator der Ausstellung zeigen zwei Fotographien besonders eindrücklich die Gefühle, zwischen denen die Menschen hin und herschwanken.
    "Da sieht man auf dem linken Bild eine Gruppe von jungen Syrern, die eine positive Ausstrahlung haben. Und direkt daneben hängt ein Bild, wo eine einzelne Frau mit einem schweren Mantel vor einer offenen Wiese steht und man plötzlich merkt, dass die Situation nicht nur erwartungsvoll und fröhlich, sondern auch als belastend und als Krisensituation wahrgenommen wird."
    Auch die Frauen im Blick
    Die Farben der Fotos sind nicht strahlend bunt, sondern bewusst blass. Sie sind alle auf 60x80cm großen Platten aufgezogen. Dadurch wirkt die Ausstellung nicht aufgeregt, sondern nüchtern. Bei Flüchtlingen denkt man vor allem an Syrier, Afrikaner, aber Silvia Hauptmann hat auch Frauen wie Fatima aus dem Kosovo im Blick. Sie wird von ihren beiden jugendlichen Kindern flankiert. Sohn und Tochter lächeln, Fatima wirkt ernst. Für Silvia Hauptmann ist es eines der wichtigsten Fotos der Ausstellung.
    "Sie ist Romafrau, Muslima und aus dem Kosovo. Schlimmer geht es eigentlich nicht. Sie redete von Suizid, wenn sie abgeschoben wird. Sie wird auf alle Fälle nicht zurückgehen. Noch ist sie da. Ihr Bleibeschein ist, dass sie sehr krank ist. Sowas ist tragisch."
    Wenn man sich die Bilder und kurzen Beschreibungen mit Name, Alter und Herkunftsland anschaut, will man mehr über die portraitierten Personen zu erfahren. Wie geht es ihnen heute? Wo wohnen sie? Gehen die Kinder zur Schule? Wollen sie wieder in ihre Heimatländer zurück? Christoph Waitz:
    "Für mich war es ganz wichtig, dass die einzelnen Betroffenen in der Ausstellung so ein spannendes Gesicht bekommen, dass man auch Lust darauf bekommt, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und über diese Situation zu reden und über die Hoffnung, die die Menschen nach Deutschland mitgebracht haben."