Peaches. Wirbelt seit 15 Jahren aus ihrer Wahlheimat Berlin die Popbranche auf. Sie ist eine Underground-Queen mit Umschnall-Dildo, Plastikbusen und Achselhaaren, die mit viel "Fuck" und "Bitch" für die Gleichheit der Geschlechter eintritt, und die künstlerische Inszenierung perfektioniert hat.
"What else is in the Teaches of Peaches" fragt sie selbst in ihrem Song "Fuck the Pain away". Das war ihr kleiner Durchbruch vor 15 Jahren. Was ist da noch in den "Teaches of Peaches" neben der Provokation, den angeklebten Schamhaaren, den männlichen Gesten auf der Bühne? Das hat sich auch der Berliner Fotograf Holger Talinski gefragt.
"Was steckt dahinter? Wie ist sie privat? Ist sie nur eine Maske, um Aufmerksamkeit zu bekommen? Oder ist sie irgendwie total wahnsinnig?"
Wo hört Merrill Nisker an, wo fängt Peaches an?
Sechs Jahre hat sich Holger Talinski auf die Suche begeben. Wo hört Merrill Nisker, wie sie bürgerlich heißt, auf und wo fängt Peaches an? Schon das Cover des Fotobandes zeigt, worum es ihm geht: Da hockt sie nämlich auf der Toilette. Oberkörper frei. Die Brust ist nur beiläufig erkennbar. Im Mittelpunkt steht nicht der intime Moment, sondern das Zusammenspiel ihrer blonden, zerzausten Haare mit den fünf Barbies an der Toilettenwand. Was für eine Farbkomposition.
"Das nimmt so eine Dynamik irgendwie an. Dann ist es das irgendwie: 'Ah cool, da hängen diese Barbiepuppen auf der Toilette, das ist total cool. Komm ich setze mich hier mal hin. Ich muss auf Toilette.' Und dann hatte sie aber auch so einen Anzug an, den man komplett ausziehen musste."
Talinski ist kein Pop-Fotograf, der ständig in den Fotogräben vor den Bühnen auf das perfekte Bild wartet. Gerade deshalb blickt er neugierig und unverbraucht auf Peaches. Er versucht, nie sich ihrem Stil anzugleichen, sondern zeigt sie schlicht: müde, kaputt, verausgabt. Mal strahlt sie, wirkt weich, verletzlich und dann doch wieder stark, energisch.
Intensität von Peaches
Ihre Intensität bei allem was sie tut, berührt. Auch, wie sie mit über 40 noch im Schoß ihrer Mutter schläft. Solche Fotos scheinen ihr zu gefallen. Sie hat sie für das Buch gemeinsam mit Talinski ausgewählt und schreibt im Vorwort.
"Es ist toll für mich, durch diese Fotos zurückzuschauen, und zu verstehen, wie viel ich in die letzten sechs Jahre gesteckt habe."
Talinski war dabei. Viel Zeit. Die hatte er zu Beginn des Projekts. Da hat er noch studiert.
"Hätte man mich dafür bezahlen müssen, das wäre es so teuer geworden. Das wäre irre gewesen. Als Fotograf arbeitet man halt an Projekten, die einem am Herzen liegen, umsonst. Und kann froh sein, wenn man nicht drauf zahlt. Normalerweise muss man für die Buchproduktion selber noch mal 10.000 Euro auf den Tisch legen. Was ich nicht machen musste."
Bildband mit drei Essays
Ein kleiner amerikanischer Verlag fand dieses Projekt so spannend, dass sie es nun veröffentlichen. Und noch drei Essays in Kurzformat hinzufügten. Wirkt ein wenig wie Marketing, um Peaches relevanter erscheinen zu lassen: Ihre körperliche Präsenz sei unfassbar, schreibt Yoko Ono und Micheal Stipes bezeichnet sie als beeindruckenste Künstlerin seit Patti Smith. Und Talinski resümiert:
"Sie steht niemals still, arbeitet wahnsinnig viel. Worauf ich scharf war, heraus zu finden: Ist das was, was sie macht, um Aufmerksamkeit zu bekommen? So ist es aber nicht. Ich habe herausgefunden, dass sie das ganz dringende Bedürfnis hat, Leuten mitzuteilen, dass jeder einfach machen soll, worauf er Lust hat und sich nicht für seine Sexualität zu schämen."
Talinskis neugierige Linse fängt das beeindruckend ein. Seine Suche nach dem wahren "Ich" der Künstlerin zeigt aber auch: So einfach ist das natürlich nicht. Sie ist nicht hinter der Bühne privat und während der Show der Star. "What else is in the Teaches of Peaches" dokumentiert, dass die Grenzen zwischen Künstleridentität, Theater, Show und authentischer Geste im Pop verschwimmen. Wäre ja auch langweilig, wenn nicht.