Doris Schäfer-Noske: Es war Liebe auf den ersten Blick, schrieb der Fotoreporter Robert Lebeck über Retina. Das war keine Frau, sondern ein Fotoapparat, den ihm seine Frau zum 23. Geburtstag geschenkt hat. Sie hatte nämlich die Idee, er könnte Bildreporter werden. Vor ein paar Jahren erzählte er dann, wie damals alles anfing.
Robert Lebeck: "Noch ohne Aufträge habe ich das erste Bild gemacht, was auf der ersten Seite bei der "Rhein-Neckar-Zeitung" gedruckt wurde. Das war Konrad Adenauer auf dem Blumenfest in Baden-Baden. Ja ich hatte auch stotternd eine Vespa gekauft. Meine Frau saß hinten drauf auf der Vespa. Da sind wir nach Baden-Baden geschaukelt. Dann stand darunter, "Bilder: Lebeck", und da war ich ganz von den Socken. Aber schlimm war es, als ich dann das Honorar bekam. Für zwei Fotos gab es 16 Mark."
Schäfer-Noske: Die Bezahlung wurde später besser. Und andere berühmte Persönlichkeiten folgten, zum Beispiel Romy Schneider mit Schiebermütze, Joseph Beuys mit der Axt oder Alfred Hitchcock hinter der Tür. Nun ist Robert Lebeck im Alter von 85 Jahren gestorben. - Frage an den Fotohistoriker Klaus Honnef: Was war denn das Besondere an Robert Lebeck? War das das Gespür für den richtigen Augenblick?
Klaus Honnef: Das Gespür für den richtigen Augenblick hatte er ohne Zweifel, aber das ist das normale Rüstzeug für einen guten Fotoreporter. Robert Lebeck war sicher mehr, nämlich dass dieser Augenblick für irgendetwas symptomatisch war. Das heißt, dass sich in diesem Augenblick etwas vom Fluss der Realität oder aus dem Fluss der Realität heraushob und sich die Realität sozusagen zu erkennen gab. Das sicherlich berühmteste und um die ganze Welt gegangene Beispiel von Robert Lebeck ist jenes Bild, in dem ein Schwarzer bei einer Parade in Kinshasa, also in der Hauptstadt von Kongo, dem belgischen König den Säbel entwendet. Das war eine Situation, als Belgien die langjährige Kolonialherrschaft über den Kongo aufgab, und dieses Bild war eigentlich die totale Demütigung des langjährigen Kolonialherren, den König Baudouin natürlich nur repräsentierte. Dieses Bild hat so viel symbolische Kraft, dass es eigentlich eines der großen Bilder ist, die das Ende der weißen Kolonialherrschaft in Afrika einläutet und dafür steht.
Schäfer-Noske: Es war eigentlich das Gespür für den richtigen Augenblick, der aber über den Augenblick hinausweist.
Honnef: Exakt.
Schäfer-Noske: Wie entwickelte sich denn die berufliche Laufbahn von Robert Lebeck weiter?
Honnef: Er hat ja bei "Revue" und dann "Kristall", die heute nicht mehr existieren, angefangen, ist dann zum "Stern" gegangen beziehungsweise wurde zum "Stern" gerufen, und 1966 ist er dann schon sogenannter "Starfotograf", also Bildreporter im Stab des "Stern" gewesen. Der "Stern" hatte damals eine ganze Riege berühmter Fotografen unter Vertrag und Robert Lebeck war sicherlich einer der herausragenden. In einem Buch, das Robert Lebeck mir mal geschenkt hat – das heißt "Der Beobachter" -, bezeichnete ihn der damalige Chefredakteur und Gründer Nannen als einen Bildsteller, also analog zum Schriftsteller, und ich denke, das ist ein ungewöhnlicher, aber treffender Begriff für die Arbeit, die Sicht und die Haltung von Robert Lebeck.
Schäfer-Noske: Sie kannten Robert Lebeck auch persönlich. Er traf ja berufsbedingt mit Stars zusammen, war auf Empfängen. Was war er für ein Mensch?
Honnef: Robert Lebeck war einer der bezauberndsten Menschen, die ich in meinem Leben kennenlernen durfte. Er war auch einer der bescheidensten. Natürlich wusste er, wer Robert Lebeck war. Das versteht sich am Rande. Aber er ließ das nie raushängen. Er war nicht nur einer der nettesten und bescheidensten Menschen, die ich kennengelernt habe, sondern auch einer der hilfsbereitesten. Er hat mir bei der Vorbereitung vieler Ausstellungen immer wieder auch aus einer Klemme geholfen, indem er die Teile seiner Sammlung, die meine Lücken füllten, ohne große Fragen zur Verfügung stellte. Auch teilweise nachts haben wir Bilder oder Zeitschriften für eine bestimmte Ausstellung, deutsche Fotografie in Bonn etwa, zusammen ausgewählt.
Schäfer-Noske: Im Rückblick: Welche Bedeutung hatte denn Robert Lebeck für den Fotojournalismus?
Honnef: Robert Lebeck gehört eigentlich zu den Pionieren einer Erneuerung des Fotojournalismus. Der Fotojournalismus ist durchs Dritte Reich völlig kompromittiert worden wie das gesamte Illustriertenwesen und Robert Lebeck hatte seinen Blick ja auch an den Immigranten in Amerika geschult, die den amerikanischen Fotojournalismus in entscheidendem Maße geprägt haben. Mit Robert Lebeck und ein paar anderen Fotoreportern, Thomas Höpker und so weiter, beginnt eigentlich eine neue Ära, ein Schnitt in der Geschichte des deutschen Fotojournalismus in den 50er-, in der Mitte der 50er-Jahre.
Schäfer-Noske: Das war der Fotohistoriker Klaus Honnef über den Fotoreporter Robert Lebeck, der im Alter von 85 Jahren gestorben ist.
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