Archiv

Fotografische Nachlässe
Wohin mit Abzügen und Negativen?

Fotografie, das Speichermedium des kollektiven visuellen Gedächtnisses, soll besser gesichert werden als bisher. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat dafür Geld angekündigt und ein Expertenteam berufen. Was aber kann es leisten?

Von Andreas Langen |
Archiv-Stehsammler in einem Regal in einem Fotoarchiv
Fotoarchiv in Berlin: Ordnung ist das halbe Leben - was aber geschieht nach dem Tod mit Fotos und Negativen? (dpa-Zentralbild / Jens Kalaene)
Freiberufliche Fotografie ist ein anspruchsvoller Job. Akquise, Auftragsabwicklung, Zeitdruck, zunehmende Konkurrenz durch digitale Apparate – der ganz normale Stress eben. Wie viel Zeit bleibt im Berufsalltag, um so entlegene Dinge zu bedenken wie den eigenen Nachlass?

"Ich würde sagen: keine", sagt der Stuttgarter Architektur-Fotograf Wolfram Janzer. Er ist seit den 70er Jahren in der Branche und zählt auf, was da bei ihm alles zusammenkommt, sprich: sortiert werden müsste.
"Meine Negative, das sind meinetwegen zehn, zwölf große Archivordner voll. Dann habe ich verschiedene große Kisten. Dias habe ich natürlich. Mein gesamtes Schwarz-Weiß-Archiv, meine gesamte Bibliothek, meine anderen Sammlungen mit historischer Fotografie. Meine Ausarbeitungen von historischer Forschung."
Ein bis zwei Angebote pro Woche
Klingt nach reichlich Arbeit. Der Umgang mit fotografischen Nachlässen ist ein sperriges Thema – und bislang in Deutschland wenig strukturiert. Das weiß man auch bei der Deutschen Fotothek in Dresden, mit fünfeinhalb Millionen Fotos eine der großen Sammlungen in Deutschland. Fotothek-Leiter Jens Bove berichtet:
"Die Erben von Fotografen wenden sich nicht nur an Museen. Die versuchen es schon auch in regionalen Instituten, selbst Bibliotheken werden gefragt."

Bove bekommt im Schnitt ein bis zwei solcher Angebote pro Woche. Etwa die Hälfte davon könnte den Aufwand einer Archivierung lohnen; zu klären ist das nur durch den Augenschein vor Ort:

"Wir fahren tatsächlich viel durch die Gegend, schauen uns Sachen an, denn im Grunde kann man sich nur vor Ort wirklich ein Bild machen: Wie ist dieser Nachlass beschaffen, lohnt es sich – also: Das Angebot ist wirklich groß."
"Keiner weiß, wohin damit"
Dieses große Angebot soll in Deutschland künftig systematischer als bislang gesichtet, bewertet und gegebenenfalls erhalten werden. So will es Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die Anfang Juli eine Arbeitsgruppe namhafter Spezialisten berufen hat, um Strategien zu erarbeiten. Das Thema ist nicht neu. Die Hamburgerin Anna Gripp ist Chefredakteurin des Magazins "Photonews" und kümmert sich auch im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Photographie um das Thema Nachlässe:

"Es ist dringend, wir haben so viele wertvolle Nachlässe, wo keiner weiß, wohin damit. Wir reden ja nicht ausschließlich von künstlerischer Fotografie, sondern das kann auch Auftragsfotografie umfassen oder wichtige Zeugnisse der Presse und journalistischen Fotografie. Das ist jetzt in 20 Jahren der dritte energische Versuch, da was zu reißen, und in dem Fall war die einladende Person die Kulturstaatsministerin. Das lässt natürlich hoffen, dass es diesmal auch was werden könnte."
Spreu und Weizen
Aber was genau? Eine Mega-Institution braucht niemand. Stattdessen geht es um Vernetzung, und um einen kritisch-kompetenten Blick auf fotografische Nachlässe. Das betont auch Alice Koegel, Kuratorin an der Staatsgalerie Stuttgart:

"Die Auswahl ist eigentlich das entscheidende Skill, was wir alle haben müssen: Was aus der Bilderflut heben wir tatsächlich für die Zukunft auf?"

Der Stuttgarter Fotograf Wolfram Janzer wäre jedenfalls froh, wenn er wüsste, wohin mit seinem Lebenswerk:

"Ich weiß es nicht, wer sich wirklich dafür interessieren könnte. Man muss halt auch in einem kleinen, privaten Archiv irgendwann die Spreu vom Weizen trennen. Ich hoffe, ich schaffs noch irgendwann. Ich bin ja erst 74, ich hab noch 20 Jahre vor mir."