Mit einem Skype-Anruf - so ungewöhnlich beginnen in Corona-Zeiten die Foto-Shootings von Richard Pflaume:
"Ich mache es so, dass ich mir von den Fotografierten mit ihrer Kamera im Handy oder am Laptop immer ein bisschen zeigen lasse, wie es bei denen zu Hause aussieht und dann auch schaue, wie das Licht dort ist und wie sie selbst vor diesem Licht wirken. Dementsprechend suchen wir irgendeine Ecke aus in der Wohnung. Und dann muss ich natürlich immer noch Regie darüber führen, wo das Telefon hingestellt wird oder der Laptop, welcher Winkel sich dadurch ergibt. Und ich mache dann ganz einfach Screenshots und gebe so ein bisschen Anweisungen, sich vielleicht noch mal anders hinzusetzen oder ins Licht zu schauen und fotografiere dann per Screenshot. Dementsprechend mache ich trotzdem das Bild über meinen Bildschirm. Es ist trotzdem mein Foto."
Intime Bilder trotz Distanz
Auf einem Foto ist ein Paar zu sehen - Nadja und Niels. Sie lümmeln auf dem Sofa ihrer Berliner Wohnküche. Beide sind Freunde von Richard Pflaume, die sich schon früh mit dem Corona-Virus angesteckt hatten, auf dem Foto aber erstaunlich munter wirken. Ein anderes Foto zeigt die Italienerin Nora, die in ihrer Wohnung in Turin in Quarantäne festsitzt.
"Die Sache hat sich so entwickelt, dass ich am Anfang natürlich sehr daran interessiert war, Leute zu porträtieren, die wirklich von Corona betroffen waren, sei es jetzt, die Corona hatten oder in wirkliche Isolation geraten sind, wie es einfach in Italien passiert ist. Da ist es wirklich so. Nachdem die Grenze geschlossen wurde und sie das Haus nicht verlassen durfte, hätte ich sie physisch nicht fotografieren können."
"In dem Zusammenhang ist es natürlich auch immer interessant, mit den Leuten darüber zu sprechen: Wie sehr seid ihr betroffen? Seid ihr in Quarantäne? Wie sind die Maßnahmen in eurem Land? Und um diesen Kontext ein bisschen weiter zu umgreifen als nur in einem Foto, habe ich angefangen, ganz einfach ganz simpel über WhatsApp mit den Leuten zu chatten und diesen Chat-Verlauf als Interview teilweise dazu zu geben."
Schlechte Bedingungen - spannende Fotos
Richard Pflaume ist mit "Remote from Quarantine" in Zeiten wegbrechender Aufträge kreativ geworden, aber wie befriedigend kann es für einen professionellen Fotografen sein, plötzlich auf mittelmäßige Handykameras und Screenshots zurückgeworfen zu sein? Viele der Bilder sind leicht verschwommen und unscharf, auch das Licht ist nicht immer optimal.
"Den Zugang zu haben zu den Leuten über das Internet ist viel wichtiger als die Qualität der Fotos. Auch, wenn ich den direkten Zugang mit meiner eigenen Kamera natürlich präferiere. Aber das ist dem experimentellen Konstrukt, was ich dort aufgebaut habe, nicht möglich. Und dann habe ich lieber diese Fotos, als keine. Wir haben alle gerade dauernd Videochats, ob es jetzt um die Arbeit geht oder auch privat, um mit den Großeltern zu sprechen oder mit den Eltern oder mit den Geschwistern, mit den Freunden. Das heißt, wir sind die Ästhetik gerade so ein bisschen gewohnt. Und ich finde die Ästhetik gar nicht so schlecht. Es hat irgendwie etwas - was Weiches und was Naives."
Neue Betrachtungsweisen lernen
Und schnell auch etwas Laszives. Das Foto von Sonja, die Richard Pflaume im blauen Kimono auf dem Bett ihrer Berliner Einzimmerwohnung porträtiert, erinnert in seiner Intimität durchaus auch an Cam-Girls, die übers Internet sexuelle Dienstleistungen anbieten.
"Sonja, da haben die Leute relativ schnell gesagt, es hat aber so einen sexy Cam-Girl-Charakter. Es war gar nicht von uns so gewollt, dass das diese intime Ästhetik entsteht, sondern es ist einfach das, was wir machen konnten, weil es eben nicht mehr Platz gab. Natürlich benutzen die genauso Webcams. Aber der Kontext ist ja ein ganz anderer. Und da fällt es manchmal dem Betrachter schwer zu unterscheiden. Vielleicht muss man das erst lernen."
Von der NASA für die Zukunft lernen
Mittlerweile denkt Richard Pflaume auch über andere Möglichkeiten nach, wie er aus der Ferne und mit Sicherheitsabstand fotografieren könnte, ohne auf Webcams angewiesen zu sein. Der Berliner Fotograf hat jetzt bei der NASA nachgefragt, welche Technik sie eigentlich genau einsetzt, wenn der Mars-Rover "Curiosity" Fotos macht - seine Hoffnung, vielleicht lassen sich ja bald auch auf der Erde Fotos aus der Ferne machen - geschossen von einem Roboter. Noch wartet er auf eine Antwort.