"Die Macht der Bilder hat definitiv zugenommen, das liegt an der Medialisierung der Welt, insbesondere auch Social Media. Zugleich haben wir immer mehr Bilder, das heißt: die Wirkung von propagandistischen Bildern hat vielleicht sogar eher abgenommen", sagte der Publizist Hendrik Wieduwilt im Dlf.
In der jüngsten Vergangenheit war CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet mit einigen ungünstigen Aufnahmen aufgefallen, die auch im Wahlkampf negativ auf den NRW-Ministerpräsidenten zurückfallen könnten.
Außerdem sei ein Mechanismus in Gange gekommen, dass viele solcher Bilder in den Sozialen Medien gesucht und geteilt werden, sagte Wieduwilt. So seien die Bilder von Laschet bei einer Pressekonferenz vor einem Müllberg in der Hochwasserregion Schleiden sehr unglücklich gewesen. Laschet sei auch von Anfang an nicht der Kandidat der Herzen gewesen, vor diesem Hintergrund wirkten die unglücklichen Fotos auch noch einmal ganz anders.
Das Interview im Wortlaut
Jürgen Zurheide: Welche Bilder produziert der Kanzlerkandidat da denn im Moment aus Ihrer Sicht?
Hendrik Wieduwilt: Ja, natürlich keine guten. Ich glaube, jeder hat jetzt inzwischen gesehen, dass es da einige Ausrutscher gab. Wir hatten Herrn Laschet vor diesem Müllhaufen, wir hatten Herrn Laschet lachend, teilweise mit herausgestreckter Zunge, teilweise liegt das durchaus ein bisschen in seiner Kontrolle, beim Pult zum Beispiel, teilweise ist da jetzt auch so ein Mechanismus in Gang gekommen, dass immer mehr solcher Bilder natürlich auch gesucht und dann besonders eifrig geteilt werden. Also, es sieht sehr schlecht aus.
Zurheide: Jetzt könnte man sagen, das ist bösartig, auch dass wir heute morgen darüber reden. Also, wenn man mich hier heute fotografiert, da gibt es möglicherweise auch Situationen, wo ich mich nicht so unter Kontrolle habe. Ist das jetzt nur bösartig oder was passiert da eigentlich?
Wieduwilt: Natürlich spielt auch Häme eine große Rolle. Wir freuen und kichern natürlich ein bisschen darüber, was dem Laschet da gerade passiert. Aber tatsächlich sind es auch andere psychologische Phänomene, dass man also natürlich danach sucht. Und jetzt finden wir noch etwas, was diese These, Laschet kommt auf Fotos schlecht rüber, verstärkt.
Aber man muss ja auch sagen, das Ganze ist ja nicht einfach nur so, guck mal, der Laschet sieht da doof aus, sondern es passt ja auch zu einem gewissen Image, das Herr Laschet vorher schon hatte. Er war ja von Anfang an nicht unbedingt der Kandidat der Herzen, um es mal so auszudrücken, sondern er hat sich da in einem langen Machtkampf durchgesetzt, er hat viel Kritik erfahren, was die Bewältigung von Corona angeht. Ob die berechtigt ist oder nicht, will ich mal dahingestellt lassen, aber das war das Bett sozusagen, in das er sich da gelegt hat. Und vor diesem Hintergrund wirken solche Fotos natürlich ganz anders.
Vielleicht kann ich das an einem kleinen Beispiel mal darlegen. Als er gelacht hat, hat Steinmeier auch gelacht. Letzteres hat überhaupt nicht verfangen, das hat niemanden interessiert. Das liegt nicht daran, dass Steinmeier jetzt irgendwie linker ist, und deswegen sagen die Leute, ach ja, das ist nicht so schlimm, sondern bei Steinmeier gab es einfach keine Vorgeschichte, die einen Resonanzraum bilden konnte für so einen Ausrutscher. Bei Laschet war das etwas ganz anderes.
"Die Öffentlichkeit hat sich nicht gegen Armin Laschet verschworen"
Zurheide: Ja, Politikwissenschaftler, auch wir hier in unserem Programm hatten Menschen, die dann gesagt haben, ja, so Bilder verdichten etwas. Und dann ist das die Bilanz eines Monats, dann heißt es nicht krisentauglich. Ich komme noch mal mit der Frage: Es ist nicht nur bösartig, sagen Sie?
Wieduwilt: Es ist nicht nur bösartig, es spielt natürlich immer so ein bisschen Häme und Bösartigkeit mit eine Rolle, aber Bilder zeigen ja auch einen Menschen.
Ich meine, bei Laschet stand immer schon im Raum, dass er ein bisschen reizbar ist, bisschen ist gut gesagt, ich würde sogar sagen, sehr reizbar ist. Dass er auch in Situationen wie zum Beispiel Talkshows oder Interviews schnell mal die Souveränität verliert, auch da gab es ja mehrere Szenen. Und all das spielt ja darauf ein, das heißt, solche Fotos sind ein weiterer Beleg für solche Thesen, die sich in der Öffentlichkeit ausbilden über einen Kandidaten.
Insofern würde ich nicht nur von Boshaftigkeit sprechen, dass natürlich jetzt auch hübsche Bilder gebastelt werden und Memes im Internet rumgereicht werden und man irgendwie satirische, lustige Glossen darüber verfasst, das ist der ganz normale Medienmechanismus. Aber ich glaube nicht, dass wir davon sprechen können, dass jetzt die Öffentlichkeit sich gegen Armin Laschet verschworen hat.
Zurheide: Ist das relevant, gerade wir im Deutschlandfunk legen Wert auf Relevanz, ist das relevant, was wir hier besprechen?
Wieduwilt: Ja, ich halte das für sehr relevant. Denn erst mal ganz simpel, wie jemand wirkt, wie er sich in Szene setzt, wie er mit der Medienöffentlichkeit umgeht, ist nun mal ein Teil der Kompetenz für ein solches Amt, das er ja anstrebt. Das, finde ich, kann man nicht sonderlich bestreiten.
Zum anderen ist auch die Frage, sind das alles Indizien dafür, dass er vielleicht auch in anderen Dingen nicht komplett professionell agiert, zum Beispiel dass niemand in seiner Umgebung gesagt hat, lasst uns dieses Pult nicht vor den Müllhaufen stellen, das ist eine blöde Idee. Dass er da nicht drauf gehört hat oder solche Leute nicht in seinem Umfeld hat, das kann auch ein Symptom sein für andere Inkompetenzen.
Und ich will da überhaupt kein Urteil sprechen, aber dass es relevant ist und dass man diese Dinge besprechen muss und auch mal mit dem Finger drauf zeigt, guck mal, der macht das ganz anders als andere Kandidaten. Das halte ich für sehr relevant, ja.
"Macht der Bilder hat definitiv an Bedeutung zugenommen"
Zurheide: Andersherum formuliert, wir kennen natürlich auch aus der Geschichte die Beispiele über die Macht der Bilder. Ich habe den Begriff Macht der Bilder gestern eingegeben, dann kommt sofort Leni Riefenstahl. Ich weiß nicht, ob das ein Zufall ist oder ob das so ist, die Macht der Bilder in der Politik hat eine enorme Bedeutung gewonnen. Wir können vielleicht sagen, zu Unrecht, wir reden jetzt über Bilder und nicht über Inhalte. Ist das so?
Wieduwilt: Die Macht der Bilder hat definitiv an Bedeutung zugenommen, das liegt an der gesamten Medialisierung der Welt, die enorm zugenommen hat, insbesondere auch Social Media. Wenn Sie überlegen, Instagram ist eines der größten sozialen Netzwerke überhaupt und gerade bei jungen Leuten extrem relevant. Und das ist ein Bildermedium. Auch auf Twitter werden zunehmend Bilder geteilt, die ganze große Welt der sozialen Medien lebt sehr stark von Bildern, insofern haben Bilder an Bedeutung zugenommen.
Zugleich haben wir immer mehr Bilder, das heißt, die Wirkung von propagandistischen Bildern hat vielleicht sogar eher abgenommen, denn es gibt immer mehr ungestellte, nicht inszenierte Bilder, die irgendwer im Vorbeigehen mit dem iPhone aufgenommen hat und danach über Twitter geteilt hat, die vielleicht viral gehen.
Insofern würde ich das gar nicht so furchtbar dämonisieren, ich weiß, ich spreche mit einem Audiomedium, da muss man natürlich ein bisschen vorsichtig sein, aber insgesamt halte ich es durchaus für gut, dass wir mehr Bilder haben.
Es gib natürlich einen seriösen Umgang damit, man kann manipulieren durch Bilder, indem man bestimmte Ausschnitte wählt, indem man vielleicht sogar Bilder fälscht. Das ist aber noch mal ein anderes Thema, worüber wir jetzt sprechen, sind ja authentische Bilder von Armin Laschet, die ihn in einem bestimmten Moment zeigen. Und dieser Moment ist ja passiert, das ist ja nicht so gewesen, da jemand irgendwie … Armin Laschet popelt kurz in der Nase und jetzt lachen wir uns darüber zwei Wochen tot, so war es ja nicht. Es gab ja Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln, manche waren dann ein bisschen boshaft ausgewählt, andere nicht. Aber es gibt diese Bilder und die zeigen die Realität.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.