So sieht sie also aus, die Generation Y, zumindest in der gleichnamigen Serie des Fotostudenten Malte Schürmann. Ypsilon oder englisch "Y" ist: Eine Frau um die 20, nackt, die Brüste bedeckt in der Manier von Boticellis Venus. Über dem Kopf hat sie eine Strickmaske wie in der Maskerade von Pussy Riot. Einer von 94 Wettbewerbsbeiträgen von "Youngstars: Image now!" Rund 300 Gäste bevölkern die lange Ballustrade des Wissenschaftsparks: Ein Pulg-Besucher hat sich vor der "Generation Y" zusammengefunden. In diesem Kongresszentrum hat man Publikum.
- "Irgendein Journalist oder irgendein Schreiber denkt sich das immer aus. Da gab es mal eine Generation X."
- "Ich nenne die lieber Digital Natives, die sind mit dieser Digitalisierung aufgewachsen. Weniger Angst, weniger Sorge, aber auch manchmal weniger Sorgfalt, das ist für mich die Generation Y."
- "Ich nenne die lieber Digital Natives, die sind mit dieser Digitalisierung aufgewachsen. Weniger Angst, weniger Sorge, aber auch manchmal weniger Sorgfalt, das ist für mich die Generation Y."
Ein Meta-Bild: Playboy-Hasen-Löffel an den Strickmasken deuten an: Der Körper ist - zumindest in Online-Form - grundsätzlich immer Fetisch und Objekt. Und es soll ja – Jugendwort des Jahres - Tinderellas geben, die ihr ganzes Sexleben nurmehr online anbahnen. Andererseits erzählen diese Fotos: Gut, dann inszenieren wir diese Generationen X, Y und Z einmal klischeehaft, denen wir angeblich angehören sollen. Gesichtserkennung exklusive.
"Unsere Jury hatte es in diesem Jahr besonders schwer, weil sie musste verschiedenste Arbeiten miteinander vergleichen: Äpfel, die man mit Birnen vergleichen musste, Kirschen mit Zitronen, Sultaninen mit der Drachenfrucht."
Seit 2008 richtet Peter Liedtke von "Bildsprachen" den Nachwuchspreis "Youngstars" aus. Jeweils drei Fotos sind von den Teilnehmern mit einem Altersdurchschnitt von 25 zu sehen. Schon fast traditionell – und wie vielleicht zu erwarten - ist Sexualität Thema Nummer eins. Malte Schürmanns Serie wird flankiert von artifiziellen Montagen: PostPornos: Das sind Ready-Made-Sexspielzeuge, in denen sich zum Beispiel ein Penis in einen Staubsaugerschlauch verwandelt hat: Tool zur Dauerbefriedigung.
Und daneben kuscheln zwei Schwestern lesbisch und dazu noch inzestuös. Anspruchsvoll gemachte Reaktionen auf die Dauerverfügbarkeit von Sex online. Aber es geht auch subtiler: Zeigen Sie Fotos, die zugleich Bilder, Porträts sind, die aber auch das Image von etwas zum Thema machen, lautete der Wettbewerbsauftrag.
Da sieht man in einer Serie wirklich Obst, fleckige Äpfel, offenbar bio, ausgeleuchtet wie in konventioneller Food-Fotografie, also wie in normaler Supermarktreklame. So ein Bio-Apfel soll ja ruhig ein paar Flecken im Image haben.
Ein Image-Problem dürfte bei jungen Leuten das Szenario haben, von dem Marc Botschen, Student an der Fachhochschule Dortmund, reportiert. Das Schützenfest seiner Heimatstadt Borken.
"Ja, durchaus. Aber da ging es mir im Endeffekt nicht darum, da jetzt noch einen drauf zu setzen und die Leute in Uniform zu zeigen."
Kein Schützenfest-Bashing, stattdessen feine Autorenfotografie. Schwarzweiß und etwas auf alt retuschiert, versucht Marc Botschen, seine Erinnerungen zu fotografieren. Klar hieß es für den Fotostudenten vor ein paar Jahren: Borken adieu, eine Großstadt muss es sein. Doch ist er jetzt, auf seine Vita bezogen, einen Schritt weiter: Die Heimat hat ihn schließlich auch geprägt. Ein ganz anderes Meta-Bild, in dem sich Millionen Deutsche wiedererkennen werden.
"So, es ist eine Gewinnerin. Und zwar ist die Preisträgerin Sina Weber mit ihrer Arbeit Kaltlichthypnose."
Mit einem Preis ist es für Marc Botschen nichts geworden. Das hatte er schon erwartet. Prämiert mit 1000 Euro wurde dann doch eine Arbeit aus einem urbanen und digitalen Kontext: Sina Weber hat ein junges Paar in einer Badewanne abgelichtet, ganz eng zusammen, die allerdings – gemeinsam allein – auf einen eigenen Screen starren. Von der blauen Aura der Screens illuminiert, nur deshalb sehen wir sie: So sieht es aus, das Kommunikationsmodell Mensch-Screen-Mensch.
Schön und gut. Aber wo ist die Nische für den Nachwuchs, das Nadelöhr zur erfolgreichen Fotokarriere? Das wurde auf dem Podium diskutiert. Michael Biedowicz vom "Zeit-Magazin" sagte, er würde nach wie vor lieber junge Leute engagieren, die sich klassisch oder vermeintlich klassisch mit einer Mappe vorstellen: Da könne man eine künstlerische Handschrift besser erkennen. Eine Art Gegenpart besetzte Phoebe Draeger, die seit 2012 eher bekannt ist als "Paloma Parrot". Unter diesem Nickname hat sie auf der Plattform Instagram 300.000 Abonnenten und lebt von ihrer Onlinekarriere.
"Also, ich nehme mich selber da nicht so wichtig. Und man nimmt sich teilweise zu wichtig oder man hält sich selbst für einen Künstler. Für mich ist es ein Job. Ich mache Bilder, verdiene damit mein Geld. Und wenn ich eigene Projekte habe, dann kann ich die dadurch umsetzen, das könnte ich ja ohne das gar nicht."
Fotografie im digitalen Umbruch, verortet zwischen Meta-Bild und Pragmatismus: Soll ein Ansporn sein für die Teilnehmer von "Youngstars". Es war immer schon schwer, mit Fotografie zum Weltstar zu werden. Andererseits hat jede Weltkarriere damit begonnen, dass jemand irgendwann zum ersten Mal an einem Wettbewerb teilnahm. Die dazu gehörende sehr heterogene Ausstellung ist übrigens ein Augenschmaus und absolut besuchenswert.
Ausstellungsinfos:
Im Wissenschaftspark Gelsenkirchen bis zum 16. Februar
Im Wissenschaftspark Gelsenkirchen bis zum 16. Februar