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Frachter mit Nebenwirkungen

Täglich kreuzt eine Flotte von rund 80.000 Schiffen auf den Weltmeeren. Die Kähne transportieren dabei Ballastwasser, um stabil in den Wellen zu liegen. Und in diesem Wasser reisen unzählige blinde Passagiere mit - Fische, Muscheln, Krabben und ein Heer von Kleinstlebewesen. Sie gelangen ungewollt in neue Ökosysteme, wo sie eigentlich nicht hineingehören. Technische Möglichkeiten gibt es, diese invasiven Spezies wieder zu entfernen. Aber einige davon werfen wieder neue Probleme auf.

Von Arndt Reuning |
    Im Laufe der vergangenen zehn Jahre hat die Zahl der invasiven Spezies, die uns per Schiff erreicht haben, kontinuierlich zugenommen. Eine Beobachtung, die auch Gerhard Schories bestätigen kann. Er ist technischer Leiter des Umweltinstituts beim Forschungsdienstleister ttz Bremerhaven.

    "Es gibt ein Beispiel, das gerade hier für Norddeutschland relevant ist. Das ist die sogenannte Wollhandkrabbe, die ursprünglich aus Asien hier eingeschleppt wurde, die sich hier sehr wohl fühlt, hier aber keine natürlichen Feinde hat und sich dementsprechend auch ausbreitet."

    Die Krabbe lässt sich noch relativ einfach aus dem Ballastwasser entfernen. So wie alle Lebewesen, die größer sind als ungefähr fünfzig Mikrometer. Die lassen sich nämlich mechanisch abtrennen, zum Beispiel mit einer Filteranlage. Bei allen Kleinstlebewesen, wie etwa Algen, Plankton und Bakterien, müssen andere Methoden ran, um das Wasser zu desinfizieren - zum Beispiel die Bestrahlung mit UV-Licht. Oder eben die Chemie. Mit Chlor oder Ozon lässt sich das Wasser zum großen Teil von Mikroorganismen reinigen. Jedoch greifen diese aggressiven Substanzen nicht nur die Lebewesen an, sondern alle Substanzen im Meerwasser. Und dabei können bei manchen Verfahren auch chemische Verbindungen entstehen, die giftig sind.

    "Da sind insbesondere die trihalogenierten Methane zu erwähnen. - der klassische Vertreter ist Bromoform - die eben toxisch sind und eben durchaus auch sich schädlich auf die Umgebung dann auswirken können. Aber natürlich gibt es natürlich eine Vielzahl von Stoffen, die man dabei auch im Auge behalten muss."

    Bromoform ist eine Verbindung, die dem Chloroform ähnelt. In welchen Mengen man diese Substanzen freisetzt, wenn man Ballastwasser in Schiffen desinfiziert, das wollten Gerhard Schories und seine Mitarbeiter ganz genau wissen. Weil Wasser aus dem Tank eines Ozeanriesen gerade nicht zur Verfügung stand, versuchten sie es zunächst einmal mit Wasser aus dem Hafenbecken von Bremerhaven. Das behandelten sie mit einer verhältnismäßig hohen Menge Ozon - um abzuschätzen, in welchen Konzentrationen die Desinfektionsnebenprodukte im schlimmsten Fall entstehen. Und tatsächlich: Bromoform bildete sich in erheblich erhöhter Konzentration. Gut zehnmal mehr als die deutsche Trinkwasserverordnung erlauben würde.

    "Wobei man da sagen muss: Die deutsche Trinkwasserverordnung ist natürlich für etwas anderes gemacht als, worüber wir hier sprechen, wenn wir über Ballastwasser sprechen. Die deutsche Trinkwasserverordnung ist für Trinkwasser gemacht. Aber eben diese Stoffe wie Bromoform spielen auch beim Trinkwasser eine Rolle."

    Daher bot die Verordnung bloß eine erste Orientierung. Der Verfahrenstechniker aus Bremerhaven ging dann aber noch einen Schritt weiter und schaute sich an, wie das behandelte Wasser auf einheimische Kleinstlebewesen wirkt. Und zwar auf die Alge Tetraselmis. Die steht am Anfang der Nahrungskette im Meer. Zehn Tage lang ließ Gerhard Schories sie in unbehandeltem Hafenwasser gedeihen und im Vergleich dazu in dem Wasser, das er extrem stark mit Ozon behandelt hatte.

    "Wir haben in unseren Versuchen festgestellt, dass wir doch deutliche Unterschiede sehen, dass in dem unbehandelten Hafenwasser sich die Alge prächtig entwickeln kann, während sie sich in diesem behandelten Hafenwasser nicht weiter entwickelt. Und das hat entscheidende Auswirkungen auf die Ökosysteme. Denn wie gesagt: Diese Alge steht am Anfang der Nahrungskette. Und wenn diese Alge nicht mehr in ausreichender Menge produziert wird, dann haben wir sozusagen Probleme mit der Nahrungskette."

    Bis jetzt gibt es nur wenige Schiffe, die ihr Ballastwasser aufbereiten, bevor sie es ablassen. Doch in naher Zukunft schon dürfte sich das ändern. Und dann gilt es, die verschiedenen Technologien noch einmal einem kritischen Blick zu unterziehen.