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Niedrigwasserfrachter
Wie die Binnenschifffahrt niedrigen Flusspegeln trotzen will

In diesem Sommer fiel der Pegel des Rheins zeitweise unter die Nullmarke, der Schiffsverkehr kam teilweise zum erliegen. Reedereien und Schifffsbauer beginnen sich auf solche Bedingungen einzustellen - neu entwickelte Schiffe sind bereits im Einsatz.

Von Volker Mrasek |
Oberwesel: Ein Frachtschiff passiert auf dem Rhein einen Felsen.
Aufgrund der anhaltenden Trockenheit erreichte der Rhein in diesem Sommer Rekordtiefststände (dpa/Thomas Frey)
Fische gibt es hier zwar keine! Dennoch trägt man am besten Anglerhosen – im Versuchsbecken des DST, des Duisburger Entwicklungszentrums für Schiffstechnik und Transportsysteme. „Bisschen runter!“ - „Ja!“ - „Gut! Und auch wieder hoch!" 200 Meter ist das Becken lang. Winzig dagegen der Wasserstand: nur 35 Zentimeter. „Ja, wir haben jetzt den Trimm kontrolliert und die Krängung. Also, ob das Schiff nicht tiefer mit dem Heck im Wasser liegt als mit dem Bug. Oder umgekehrt.“
Die Versuchsstrecke des DST ist heute gefragter denn je. Ingenieure testen hier erste Modelle der Rümpfe neuer Binnenschiffe. Und das sind immer öfter Tanker oder Frachter, die auch bei Niedrigwasser noch fahren können. „Ich nehm‘ den Laser etwas hoch, Helmut!" - „Ja.“ - Ein stählerner Schleppwagen zieht die meterlangen Holzmodelle die Versuchsrinne hinauf. Auf der Arbeitsbühne Ellen Kämmerling und Helmut Broß, beide Schiffbauingenieure. „Wir müssen nur den Versuch noch einrichten, und dann geht’s gleich wieder los.“ - „Ja, jetzt haben wir so weit alles vorbereitet.“ - „Messung startet.“ - „Kannst los, Helmut! “

Schon 2018 hat viel verändert

In Duisburg residiert auch die HGK Shipping, eine der knapp zwei Dutzend großen Reedereien mit einer Schiffsflotte auf dem Rhein. Auch sie lässt neue Modelle im DST testen. 2018 habe viel verändert, sagt Tim Gödde, zuständig für das Schiffsmanagement bei der Reederei. Es war das erste Jahr mit extrem niedrigen Pegelständen im Rhein. Binnenschiffe konnten kaum mehr fahren oder nur noch leicht beladen.
Der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF war gezwungen, Produktionsprozesse zurückzufahren: „Vor dem historischen Niedrigwasser in 2018 sind viele Reedereien eher auf Volumen gegangen, das heißt es wurden sehr, sehr große Rheinschiffe gebaut. Diese Schiffe – ich glaube, das ist nachvollziehbar – haben natürlich ein sehr, sehr hohes Eigengewicht und können entsprechend in Niedrigwasserphasen nicht mehr operieren.“
Vier Jahre und eine weitere Extremdürre später ist die Situation anders. Die Branche hat damit begonnen, eine Flotte von Niedrigwasserschiffen aufzubauen. Besonders aktiv dabei: die HGK Shipping. „Wir haben bis zu zehn Schiffe in Planung, bis einschließlich 2026. Der Fokus liegt absolut auf dem Rhein.“ Bei diesen Schiffen handelt es sich um Tanker für die Chemieindustrie. Transportieren sollen sie Gase wie Propen oder Flüssigkeiten wie Schwefelsäure.

Niedrigwassertanker bestehen Härtetest

Zwei von ihnen sind bereits fertiggestellt und im Einsatz. Eines dieser Tankschiffe heißt "Gas 94" und fährt jetzt für die BASF, das andere "Synthese 18": „Die Gas 94 war tatsächlich eines der wenigen Schiffe, welches auch bei einem wirklich kritischen Pegel, welchen wir vor knapp anderthalb Wochen erreicht hatten, noch operierte. Und ich kann bestätigen, dass auch die Synthese 18, dass auch dieser Neubau bei den kritischen Pegeln die Chemiefabrik in Budenheim versorgte.“          
Tanker, die nicht mehr 1,40 oder 1,50 Meter tief eintauchen, sondern 30 bis 40 Zentimeter weniger. Typisch für sie ist eine konsequente Leichtbauweise, die jede Menge Gewicht spart. Die Schiffshüllen haben zudem verbesserte Auftriebseigenschaften. Die Antriebspropeller sind Neuentwicklungen und kleiner, so dass sie auch bei sehr niedrigen Wasserständen noch eingetaucht bleiben und nicht plötzlich Luft schaufeln.
„Ich suche nach der Position der Rhenus Duisburg. Ich sehe: Das Schiff liegt.“ - Auch bei Containerschiffen auf dem Rhein tut sich etwas. Die Rhenus Schiffsmanagement GmbH lässt derzeit zwei sogenannte Koppelverbände bauen, die auch bei Niedrigwasser noch fahren können. Das Unternehmen sitzt ebenfalls in Duisburg, Herbert Berger ist dort Geschäftsführer. Man kann sich den ganzen Tross wie einen Frachter mit Anhängern vorstellen, die in diesem Fall „Schubleichter“ heißen:
„Es ist ein Gütermotorschiff speziell für die Containerfahrt. Vor diesem Gütermotorschiff wird noch ein Schubleichter positioniert. Dieses Schiff wird auch die Möglichkeit haben, noch zwei Schubleichter auf der Backbordseite mitzuführen, so dass wir dann eine Gesamtbreite von 22,90 Meter haben werden.“                           

Fahrtrinne vertiefen - möglicherweise unerlässlich aber umstritten

Ab 2024 sollen diese Container-Schubverbände zwischen Karlsruhe und Rotterdam verkehren. Doch was, wenn der Rhein immer häufiger und noch extremeres Niedrigwasser führt? Auch Tim Gödde von der Reederei HGK Shipping sieht diese Gefahr: „Ich denke, dass wir eine Einstellung der Schifffahrt durch Niedrigwassereffekte nicht gänzlich ausschließen können für die Zukunft.“                                                    
Gödde hält deshalb auch noch etwas anderes für unerlässlich, damit die Binnenschifffahrt auf dem Rhein eine Zukunft hat: Die Fahrtrinnen an den kritischen Stellen im Strom müssten vertieft werden. „Das brauchen wir definitiv!“ Allerdings sind solche Eingriffe in den Fluss aus ökologischen Gründen höchst umstritten.