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Fracking am Bodensee

Am Bodensee suchen britische Konzerne nach Erdgasvorkommen, die im Gestein eingeschlossen sind. Herauslösen lässt sich dies nur unter hohem Druck und mit einem Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien. Fracking heißt die Methode. Anwohner jedoch stehen dem Vorhaben skeptisch gegenüber und fürchten um die Trinkwasserqualität.

Von Thomas Wagner |
    Gunther Gross lebt in Hohenfels, einer 1200 Einwohnergemeinde rund zehn Kilometer vom Bodensee entfernt. Doch die kleine Gemeinde liegt mitten drin in einer jener drei Explorationszonen, in denen zwei britische Unternehmen nach Erdgas und Erdöl suchen. Wenn genug davon da ist, sollen Öl und Gas mit dem sogenannten Fracking-Verfahren ans Tageslicht befördert werden. Gunther Gross hat sich mit Bekannten in Hohenfels im Internet angesehen, wie so etwas funktioniert.

    "Viele Bürger, die in Hohenfels leben, waren sehr betroffen: Auf den Videos hat man gesehen, wie martialische Bohrmaschinen und Höchstdruckmaschinen in Unmengen Chemikalien in Bohrlöcher pumpen. Und wir haben uns gesagt: So etwas bei uns am Bodensee – kann doch gar nicht sein!"

    Kann aber doch sein – jedenfalls dann, wenn es nach Richard Moreton geht. Er ist Managing Director des Londoner Unternehmens Bell Exploration. Und das darf in einer Erkundungszone im Bodensee-Hinterland zwischen den Städten Bad Saulgau und Wangen nach Erdgas und Öl suchen. Das geschieht derzeit noch über die Auswertung von Datenmaterial. Bohrtürme sieht man nicht – noch nicht.

    "Bevor wir mit irgendwelchen Bohrungen beginnen, brauchen wir weiteres Datenmaterial. Dann benötigt en wir eine spezielle weitere Lizenz dafür. Also ganz realistisch, zwei, drei Jahre wird das mindestens noch dauern."

    Was für den britischen Geschäftsmann als langer Zeitraum erscheint, sorgt im Raum Bodensee-Oberschwaben für Proteste und Aufregung.

    "Das ist eine Abwägung zwischen Energie und Trinkwasser. Das Trinkwasser ist ein Volksgut. Und damit müssen alle zukünftigen Generationen leben. Das darf nicht kaputt gemacht werden." - "Wenn ein Erdbeben käme und die Leitungen brechen, dann wäre das Wasser versaut. Und dann sagt man: Damit hat man nicht gerechnet."

    Denn durch stählerne Leitungen wird beim Fracking-Verfahren unter Hochdruck ein Cocktail aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Untergrund gepresst. Dieser Cocktail soll Gas und Öl aus geschlossenen Gesteinsschichten rund 3000 Meter unter der Erde nach oben spülen. Das ist nicht nur für besorgte Bürger ein Schreckensszenario, sondern auch für Marcel Meggender, Geschäftsführer des Zweckverbandes Bodensee-Wasserversorgung:

    "Das sind die Risiken der Geologie. Wir können nicht herunterschauen, was unten passiert. Es gibt offene Punkte der Entsorgung. Und das wollen wir gar nicht erst zulassen. Der Bodensee ist ein wichtiger Trinkwasserspeicher, der wichtigste Trinkwasserspeicher Europas für fünf Millionen Menschen. Und hier werden wir nicht mit uns reden lassen."

    Der Bodensee aber ist nicht nur Trinkwasserspeicher – und genau das ist das Problem. Für Professor Ralph Watzel, Präsident des baden-württembergischen Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, ist die Region zwischen Bodensee und Donau nicht nur eine, wie das im Fachjargon heißt "Wasserprovinz", sondern auch

    "eine Kohlenwasserstoffprovinz. Also der Raum Bodensee-Oberschwaben, der Raum grob zwischen Donau, Iller und Bodensee ist ein so genanntes geologisches Becken. Und in diesem geologischen Becken sind aus der Geschichte heraus Kohlenwasserstoffe, Erdöl und Erdgas vorhanden."

    Und das sorgt für Begehrlichkeiten bei den einschlägigen Unternehmen. Bevor die allerdings tatsächlich Bohrtürme aufstellen dürfen, bedarf es eines weiteren, umfangreichen Genehmigungsprozesses. Dabei würden, versichert Watzel, auch Gewässerschutzaspekte berücksichtigt. Alexander Fraser zeigt sich davon eher unbeeindruckt. Er ist ‚Chief Financial Offiver‘ beim britischen Unternehmen ‚3legs Resources.‘ Und das forscht ebenfalls in zwei ‚Aufsuchungs-Regionen‘ in Konstanz und in Biberach nach Gas und Öl. Der Widerstand dagegen wird bröckeln, glaubt er – nämlich dann, wenn fossile Energien teuer werden. Dann, so seine Prognose, werden sich die Verbraucher noch freuen über zusätzliche Öl- und Gasvorräte auch aus dem Bodenseeraum.

    "Ich glaube ja auch, dass erneuerbare Energien wichtig sind. Aber im Moment sind die ja noch viel zu teuer. Dagegen braucht man für das, was wir tun, nämlich für das Beforschen von Ölvorräten im Untergrund, keinen Cent öffentlicher Unterstützung. Im Gegenteil: Das kann sehr viele Arbeitsplätze schaffen. In den USA hat Fracking zu einer Millionen neuer Jobs geführt. Und jedermann kann sich über niedrigere Gas- und Energiepreise freuen."