Jule Reimer: Fracking bezeichnet das Aufbrechen von Gesteinsschichten, indem mit viel Druck bestimmte Flüssigkeiten, Chemikalien in das Gestein gepumpt werden, um Gas und Erdöl noch aus der letzten Ecke einer Lagerstätte zu gewinnen. Das konventionelle Fracking von Gas in Sandsteinen gibt es in Deutschland seit den 60er-Jahren – man spricht hier von Tight Gas. Jetzt soll aber auch zumindest probeweise Schiefergestein untersucht werden, Fracking in Schiefergestein, nur nicht in Trinkwasserschutzgebieten und mit Flüssigkeiten, die Mensch und Umwelt schädigen könnten. Dennoch regt sich Protest selbst in der CDU, die ja eigentlich als sehr wirtschaftsfreundlich gilt, gegen diesen Gesetzentwurf. Thematisiert werden soll all das morgen in einer fraktionsoffenen Sitzung der CDU-Fracking-Befürworter im Bundestag.
Aber auch die Kritiker wollen sich melden, und dazu zählt der Abgeordnete Andreas Mattfeldt. Er stammt aus der Region Verden-Rothenburg, dem größten Erdgas-Fördergebiets Deutschlands. Herr Mattfeldt, Fracking ja, aber so nicht. Was passt Ihnen denn nicht?
Andreas Mattfeldt: Hallo, Frau Reimer. - Was passt uns nicht? Der Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung. Er hat aber einen entscheidenden Aspekt nicht berücksichtigt, und das ist der, dass bei jeder Erdgas-Förderung, egal ob sie durch das Fracking-Verfahren geöffnet wurde oder durch konventionelle Art und Weise geöffnet wurde, das Abfallprodukt, was bei jeder Erdgas-Förderung entsteht, nämlich das giftige Lagerstätten-Wasser, was Benzol und Quecksilber-belastet ist, dass hier in diesem Gesetzentwurf keine Aussagen getroffen werden, wie wir mit diesem Abfallprodukt umgehen, und das kritisieren wir ganz konkret.
Reimer: Was kann denn dieses Abfallprodukt bewirken?
Mattfeldt: Dieses Abfallprodukt ist hochgradig Benzol- und Quecksilber-belastet und wird derzeit wieder verpresst, aber nicht verpresst in Tiefen, wo es hergekommen ist, sondern in Tiefen, die auch näher an Wasser führenden Schichten gelangt sind. Deshalb fordern wir ganz deutlich, dass dieses Lagerstätten-Wasser aufbereitet wird, dass Quecksilber, dass Benzol und sonstige Stoffe entzogen werden und dass dieses Produkt, dieses Abfall-Endprodukt ungefährlich gemacht wird.
"Alle haben sich vor diesem Problem weggeduckt"
Reimer: Das heißt aber, da ist schon lange ein Problem, über das keiner gesprochen hat, denn dieses Lagerstätten-Wasser, sagten Sie ja, entsteht auch bei den bisherigen Methoden. Wie kommt das?
Mattfeldt: Das ist in der Tat ein Problem, wo sich alle weggeduckt haben. Das ist ja nichts Neues. Auch bei der Kernenergie haben wir lange weggeschaut, dass wir das Abfallprodukt nicht berücksichtigen. Genauso ist es bei einer sauberen Quelle wie Erdgas, die immer von allen politischen Parteien als extrem sauber tituliert worden ist. Auch dort hat man sich nie Gedanken gemacht um das Lagerstätten-Wasser. Die Industrie hat dieses Lagerstätten-Wasser immer verpresst ins Erdreich, was nach meinem Dafürhalten heute überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist, nicht mehr dem Stand der Technik entspricht, und deshalb sagen wir, das ist nicht hinzunehmen und der Gesetzentwurf muss hierzu ganz klare Aussagen treffen, dass das Lagerstätten-Wasser aufzubereiten ist, bevor es dann, ich sage es mal, eines Endverbringens oder Abgebens an eine Kläranlage zugeführt wird.
Reimer: Um noch mal klarzustellen: Diese Belastung des Lagerstätten-Wassers hat nichts mit dem Fracking-Fluid, dieser Fracking-Flüssigkeit zu tun, sondern das sind Stoffe, die praktisch im Erdreich sowieso vorhanden sind und dann in diesem Lagerstätten-Wasser landen. Liegt es vielleicht auch daran, dass es einfach zu teuer ist, das ordentlich aufzubereiten?
Mattfeldt: Eine Aufbereitung, eine oberirdische Aufbereitung, das ist sicherlich teurer als, ich sage es mal, das Verbringen, wie das so schön heißt, in das Erdreich. Dieses ist aber wie gesagt technisch möglich. Das ist keine Hexerei, wie Fachleute uns sagen. Und ich sage es noch mal: Man hat sich hier jahrelang weggeduckt.
Egal, ob eine Bohrung nun durch das Fracking-Verfahren gewonnen wurde, oder wie gesagt konventionell, wie wir es in Niedersachsen seit vielen Jahren erleben, immer tritt Lagerstätten-Wasser auf. Das ist bei uns im Gebiet - ein Konzessionsgebiet - cirka 200.000 Kubikmeter jährlich. Auch wenn sich in manchen Fernsehsendungen Wissenschaftler und Energieunternehmer hinstellen und diese Fracking-Fluide trinken, das mag sein und das kann man sicherlich auch, und das ist auch das, was ich sage, dass die Fracking-Fluide an sich vielleicht gar nicht so sehr das Problem darstellen, sondern dass das Problem viel tiefgreifender geht beim Lagerstätten-Wasser, was nach meiner Einschätzung viel giftiger ist als das Fracking-Fluid an sich.
"Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung"
Reimer: Ansonsten wäre der Gesetzentwurf zum Thema Fracking für Sie okay?
Mattfeldt: Ansonsten geht der Gesetzentwurf zumindest in die richtige Richtung. Der Gesetzentwurf, der uns jetzt vorliegt, betrifft ja nur das Wasserhaushalts-Gesetz. Derzeit streitet man sich noch, wie es denn aussieht im Bereich der Themen, die den Minister Gabriel betreffen, und da gehen wir davon aus, dass auch im Bergschadensrecht eine Beweislastumkehr eintritt, damit die Häuslebauer, die Schäden an ihren Häusern haben, die durch die Gasförderung und dann in der Folge Erdbeben ausgelöst werden, dass hier die Erdgasunternehmen auch diese Schäden tragen. Das ist derzeit nicht der Fall. Wir sagen aber gerade bei uns in der Region: Wenn hier die Energieriesen Milliarden-Gewinne aus der Erde ziehen, dann kann es einfach nicht sein, dass die Häuslebauer auf diesen Schäden sitzen bleiben. Das muss die Industrie dann tragen.
Reimer: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt fordert Nachbesserungen beim Fracking-Gesetzentwurf. Vielen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.