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Fracking und seine Folgen

Die umstrittene Schiefergas-Fördermethode Fracking wird in den USA in großem Stil eingesetzt. Mögliche Folgen werden vorab aber meist nicht wissenschaftlich geprüft. Das Fachmagazin "Science" hat nun eine Studie in Auftrag gegeben, die die Auswirkungen von Fracking auf die Wasserversorgung zusammenfassen soll.

Von Dagmar Röhrlich |
    Technologisch war es eine Revolution, als das Fracking zuvor unzugängliche Gasvorräte förderbar machte. Dabei wird eine Mischung aus Wasser, Sand und chemischen Zusätzen in den tiefen Untergrund gepresst. Risse entstehen, über die das Erdgas dann ausströmt. Zwar hat dieser Schiefergasboom zu stark sinkenden Energiepreisen geführt, aber das Verfahren ist umstritten. Selbst in den USA: Im Staat New York gibt es ein Moratorium, in Pennsylvania dagegen wird aus Hunderttausenden von Bohrlöchern gefördert. Dabei fehlen dort für eine Beurteilung der Umweltfolgen anscheinend grundlegende Daten:

    "Als wir nach Grundwasserdaten suchten, wurde der eklatante Datenmangel in Pennsylvania offensichtlich. Weil dort die Überwachung des Grundwassers nicht gesetzlich verlangt wird, wissen wir nichts über den Methangehalt im Grundwasser, bevor das Fracking begonnen hat. Die Industrie veröffentlicht ihre Daten nicht. So gibt es oft nur 20, 50, 60 Jahre alte Anekdoten über brennendes Wasser. Damals stammte das Methan aus den Kohleflözen. Die befinden sich über den Horizonten, in denen heute das Fracking läuft. Aber das sind Anekdoten und keine belastbaren Daten."

    Immerhin konnte Radisav Vidic von der University of Pittsburgh durch einen Vergleich der vorhandenen Daten feststellen, dass sich die Belastung des Grundwassers in Pennsylvania kaum von der im Staat New York unterscheidet, wo kein Schiefergas gefördert wird:

    "Mangels Hintergrundinformationen können wir keine Verbindung zwischen der Schiefergasproduktion und Methankontaminationen im Grundwasser herstellen",

    so das unbefriedigende Resultat. Zu den neuralgischen Punkten der Schiefergasförderung gehört die Versiegelung des Bohrlochs:

    "Diese Versiegelung besteht aus mehreren Lagen Stahl und Zement und soll dafür sorgen, dass das Erdgas durch die Bohrung fließt und nicht an ihr vorbei und so ins Grundwasser gelangt."

    Der Umweltbehörde von Pennsylvania zufolge passiert das bei rund drei Prozent der neu eingerichteten Bohrungen. Zwar konnte die Behörde keine Verunreinigung im Grundwasser nachweisen, daraus zu folgern, dass generell keine Kontaminationen auftreten, wäre jedoch voreilig. Deshalb fordert Radisav Vidic, dass die Versiegelung der Bohrlöcher verbessert werden müsse. Mehr Sorgen als neue Bohrungen bereiten ihm jedoch die bestehenden:

    "Wir müssen uns darum kümmern, was mit den Bohrlöchern passiert, wenn sie nach 20 oder 50 Jahren nicht mehr produzieren. Wir brauchen Regeln und Haftungsrückstellungen, die dafür sorgen, dass diese Bohrlöcher sorgfältig verschlossen werden. Aber derzeit wissen wir von den mehr als 300.000 Bohrlöchern in den Marcellus-Schiefern in Pennsylvania bei 100.000 nicht einmal, wo sie genau sind."

    Die alten, nicht oder nur schlecht versiegelt verlassenen Bohrlöcher sind riskant. Sie können das Grundwasser nicht nur mit Methan kontaminieren, sondern auch mit dem Chemikaliencocktail der Fracking-Flüssigkeit: Wird im Umkreis von 800 Metern um sie herum erneut gefrackt, dienen die verlassenen Bohrlöcher der Fracking-Flüssigkeit als Leitung ins Grundwasser. Im übrigen fordert Radisav Vidic die Unternehmen auf, ihre Daten zur Grundwasserqualität freizugeben. Insgesamt bleibt seine Beurteilung jedoch vage. Genau das monieren andere Forscher. Etwa Avner Vengosh von der Duke University:

    "Dieser Artikel sendet widersprüchliche Signale aus. Auf der einen Seite wird gesagt, dass es keine Kontaminationen gibt und nichts passieren kann. Auf der anderen Seite werden strengere Reglementierungen gefordert."

    Um die langfristigen Umweltfolgen des Frackings beurteilen zu können, müssten noch sehr viel mehr und sehr viel gründlichere Untersuchungen durchgeführt werden.