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Fracking
Wie unabhängig sind die Gutachter?

Die Bundesregierung steht kurz vor der Entscheidung über das umstrittene Fracking. Nun geraten dessen Befürworter in die Kritik. WDR-Recherchen ergaben: Wissenschaftler, die Fracking für unbedenklich halten, haben oder hatten Verbindungen zur Gasindustrie. Darunter auch ein Gutachter der Bundesregierung

Von Jürgen Döschner |
    Fracking-Bohrturm nahe Tunkhannoclk, Pennsylvania, USA
    Fracking-Bohrturm nahe Tunkhannoclk, Pennsylvania, USA (dpa/picture alliance/Jim Lo Scalzo)
    Maria Krautzberger, die Präsidentin des Umweltbundesamtes, kurz UBA, hatte sich bei der Vorstellung des zweiten Gutachtens zum umstrittenen Fracking klar festgelegt: "Fracking ist und bleibt, so sagen wir, eine Risikotechnologie."
    Das war starker Tobak für Exxon, Wintershall und all die anderen Firmen, die in Deutschland bereits ihre Claims abgesteckt haben. Sie haben ohnehin einen schweren Stand. Die öffentliche Meinung ist mehrheitlich gegen Fracking. Doch seit einigen Tagen scheint sich der Wind zu drehen. Dazu hat nicht nur die Anzeigen-Kampagne von Exxon beigetragen, sondern auch Aussagen wie diese: "Ich weiß, dass die Fracking-Technologie auf Grund der Erfahrungen, die wir haben, durchführbar ist, kontrollierbar ist." So Prof. Hans-Joachim Kümpel, Geologe und Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR, jüngst in einer Fernsehsendung. Ähnlich äußerte sich in derselben Sendung Prof. Horst Rüter, ebenfalls Geologe und Vizepräsident des Bundesverbandes Geothermie: "Es gibt nahezu keine Wissenschaftler, die in Fracking ein erhöhtes Risiko sehen."
    Ihren bedeutendsten und wichtigsten "Kronzeugen" fand die Fracking-Industrie allerdings ausgerechnet in Uwe Dannwolf, dem Leiter jener Studie, die das Umweltbundesamt selbst in Auftrag gegeben und als Beleg für die großen Risiken dieser Technologie angeführt hatte.
    Dannwolf: "Solche Worte stehen da nicht drin und solche Schlussfolgerungen, dass wir sagen, die Technologie könnten wir überhaupt nicht beherrschen und ..."
    Reporter: "Das heißt, Sie halten es durchaus für beherrschbar?"
    Dannwolf: "Ja, sicherlich."
    Mit diesem Statement sahen sich das UBA und Umweltministerin Barbara Hendricks mit ihrem Fracking-kritischen Kurs plötzlich in der Defensive. ExxonMobil jubelte, schaltete kurz darauf seine große Anzeigenkampagne. Für die Gas-Industrie ein Glücksfall – oder etwa mehr?
    Schaut man sich den Gutachter Dannwolf und seine Firma RiskCom GmbH genauer an, stößt man jedenfalls auf einige interessante Details. So hat Dannwolf bis kurz vor der Gründung der RiskCom GmbH als Geschäftsführer des Frankfurter Büros der britischen AMEC gearbeitet, einem bedeutenden Zulieferer und Dienstleister der Öl- und Gasindustrie. Zu den größten Kunden der AMEC gehört ExxonMobil. Auch die beiden Mitarbeiterinnen von Dannwolf haben vor ihrer Tätigkeit für RiskCom mehr als zehn Jahre bei AMEC gearbeitet. Dannwolf selbst hatte zudem seit 1995 auch bei den Firmen URS und ERM gearbeitet, die ebenfalls bedeutende Dienstleister u.a. für die Öl- und Gasindustrie sind. In sein Team für das UBA-Gutachten hatte sich Dannwolf schließlich insgesamt vier Experten geholt, die zuvor bereits an einem von Exxon in Auftrag gegebenen und finanzierten Fracking-Gutachten beteiligt waren.
    Auffällig ist auch, dass sich die wissenschaftliche Expertise von Dannwolf nur schwer nachprüfen lässt. Bei einer Stichprobe konnten z.B. trotz professioneller Recherche von 18 überprüften Publikationen nur neun ausfindig gemacht werden, acht waren nicht auffindbar, ein Artikel war eine Dublette. Die auf der Web-Seite angegebenen Referenzprojekte waren ebenfalls meist nicht verifizierbar. Uwe Dannwolf lehnte ein Interview ab. Schriftlich erklärte er zu seiner früheren Tätigkeit lediglich, dass es sich dabei „ausschließlich um Umweltberatung" gehandelt und es „keine Berührungspunkte mit den erdöl- und erdgasnahen Abteilungen bei AMEC" gegeben habe.
    Die kontroverse Diskussion über Fracking ist aus Sicht anderer Wissenschaftler jedenfalls trotz der jüngsten Statements und Auseinandersetzungen um die Deutung der UBA-Gutachten nicht beendet, meint zum Beispiel Georg Meiners, Geologe und selbst leitender Autor der ersten Fracking-Studie für das Umweltbundesamt: "Das ist auch überall nachzulesen und letztendlich auch gar nicht strittig, dass mit der Förderung von unkonventionellem Erdgas eine größere Belastung der Umwelt und auch andere und mehr Risiken verbunden sind."
    Zumal die Technologie des Frackings im industriellen Maßstab noch viel zu jung sei, um ihre Risiken und Auswirkungen in vollem Umfang einschätzen zu können, meint der Hamburger Erdöl- und Erdgas-Analyst Steffen Bukold: "Moderne Fracking-Technologien zur Förderung von Schiefergas werden in großem Umfang selbst in den USA ja erst seit fünf Jahren eingesetzt, so dass man viele Folgen, gerade diese Langfristfolgen - zum Beispiel bei der Integrität, also dem Funktionieren der Bohrlöcher über einen längeren Zeitraum – noch gar nicht beurteilen kann."
    Skepsis bleibt also angebracht – vor allem gegenüber jenen, die bei diesen komplexen und kontroversen Fragen scheinbar eindeutige Antworten liefern.
    Die Sendung "Monitor" berichtet über dieses Thema am Donnerstag, 2.10.2014, um 21:45 Uhr im Ersten.