Archiv

Fragen und Antworten
Johnson drängt auf Neuwahlen

Im Machtkampf im britischen Unterhaus überschlagen sich die Ereignisse. Nach der Revolte gegen ihn will der britische Premierminister Johnson Neuwahlen durchsetzen. Außerdem stimmen die Abgeordneten heute über den Zeitplan des Brexits ab. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

    Der britische Premier Johnson zeigt mit seiner linken Hand in die Ferne.
    Der britische Premier Johnson (dpa / picture alliance / NurPhoto / Rita Franca)
    Worum geht es in der heutigen Abstimmung?
    Das Unterhaus entscheidet heute über den Gesetzentwurf gegen einen Brexit ohne Abkommen. Er sieht vor, dass der mögliche Austritt Großbritanniens aus der EU um drei Monate verschoben werden kann, um einen No-Deal-Brexit am 31. Oktober zu verhindern. Gestern war bereits der Antrag für die Abstimmung mit 328 zu 301 Stimmen vom Parlament abgesegnet worden - auch mehrere Tories hatten dem Antrag zugestimmt. Beobachter gehen davon aus, dass nach dem Antrag auch der Gesetzentwurf im Unterhaus durchkommen werde.
    Wie geht der Premierminister mit den parteiinternen Abweichlern um?
    Das Abstimmungsverhalten wird wohl zum Fraktionsausschluss einiger Tories führen. Nach Informationen der BBC und der Nachrichtenagentur AFP sind 21 Abgeordnete betroffen, weil sie dem Antrag zugestimmt hatten. Darunter sind auch der ehemalige britische Finanzminister Hammond und der Enkel von Winston Churchill. Sie sollen nun bei der nächsten Parlamentswahl nicht mehr für die Konservativen antreten dürfen.
    Gegenüber der BBC sagte der frühere Entwicklungshilfeminister Stewart, der ebenfalls zu den Tory-Abweichlern gehört, er habe noch am Abend eine SMS bekommen, dass er fortan aus der Fraktion ausgeschlossen sei.
    Was bedeutet die derzeitige politische Situation für Johnson?
    Der britische Premierminister steckt in der Zwickmühle. Er hat keine Mehrheit mehr im Parlament, nachdem der Tory-Abgeordnete Lee gestern während einer Rede des Premierministers buchstäblich die Seiten gewechselt und sich zu den pro-europäischen Liberaldemokraten gesetzt hat. Außerdem kann Johnson aus eigener Kraft keine Neuwahl auslösen.
    Doch eine Neuwahl könnte für ihn ein Befreiungsschlag sein. War bei der Europawahl noch die Brexit-Partei stärkste Kraft, haben sich die Umfragewerte der Konservativen deutlich verbessert: Eine aktuelle Umfrage von YouGov sieht Johnsons Partei mit 33 Prozent - und damit weit vor der Labour-Partei mit 22 Prozent. Darüber hinaus gelten die persönlichen Werte von Labour-Chef Corbyn als schlecht. Genau deshalb wird Johnson versuchen, Neuwahlen durchzusetzen.
    Was würden Neuwahlen für den Brexit bedeuten?
    Aus Neuwahlen könnte ein gestärkter Premierminister Johnson hervorgehen. Dies wiederum könnte die Wahrscheinlichkeit eines "No Deal"-Brexits stärken. Johnson sagte, Neuwahlen seien "der einzige Weg", sollten die Abgeordneten erneut für "einen erneuten sinnlosen Aufschub des Brexit für womöglich mehrere Jahre" votieren. Doch die Abgeordneten von Labour und Liberaldemokraten arbeiten unterdessen daran, Johnson den Weg zu einem "No Deal"-Brexit zu versperren.
    Wie wahrscheinlich sind Neuwahlen?
    Eine Abstimmung über Johnsons Antrag auf eine Neuwahl könnte ebenfalls noch heute erfolgen. Die vorgezogene Neuwahl sollte den Angaben zufolge am 14. Oktober stattfinden, also vor einem entscheidenden EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober und noch vor dem von Johnson angepeilten Brexit-Termin am 31. Oktober.
    Ob der Premierminister die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen wird, um Neuwahlen durchzusetzen, sehen Kritiker allerdings skeptisch – nicht zuletzt nach der Revolte gegen Johnson in der gestrigen Abstimmung. Die Labour-Partei wies zudem darauf hin, dass zunächst das Szenario eines "No Deal"-Brexits vom Tisch sein müsse, bevor man einer Neuwahl zustimmen könne.
    Weitere Informationen zu den aktuellen Entwicklungen finden Sie in unserem Live-Blog.