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Fragwürdige Jungbrunnen aus dem Internet

Medizin. - Versiegen mit steigendem Alter zunehmend auch die Hormonquellen des Körpers, wachsen damit auch die Probleme der Betroffenen. Pharmaunternehmen entdeckten diesen lukrativen Markt und bieten allerlei medikamentöse Jungbrunnen mit Wunderwirkung an. Während aber kaum seriöse und wissenschaftlich fundierte Studien zu den Hormonpräparaten existieren, gehen immer mehr Konsumenten unter dem Druck der Schönheitsideale die unkalkulierbaren Risiken solche Arzneien ein. Endokrinologen nutzten die Tagung "Hormongabe im Alter", die heute in Bonn zu Ende ging, um auf die Gefahren hinzuweisen.

04.12.2001
    Testosteron und Östrogene sind die wohl bekanntesten Vertreter der hormonellen Botenstoffe, deren Produktion im Alter langsam zum Erliegen kommt und so umwälzende physiologische Veränderungen einleitet. Andere Hormone oder Vorstufen dazu sind etwa Melatonin oder das als DHEA bekannte Dehydroepiandrosteron, die in jüngster Zeit mehr Publikationen in Modeblättern als in Fachmagazinen erfuhren und von zweifelhaften Anbietern als Zauberbremse gegen die Alterung gehandelt werden. Dies sei aber reine Spekulation, meint der Leiter der Klinischen Endokrinologie an der Universität Bonn, Dietrich Klingmüller: "Zwar kann eine zusätzliche Gabe von Hormonen hilfreich sein, allerdings wird man damit niemals eine Verjüngung erzielen."

    Melatonin etwa zeigte in Tierversuchen zwar eine lebensverlängernde Wirkung, doch ob dies auch beim Menschen funktioniert, wurde bislang noch nicht nachgewiesen. "Dieses Hormon wird vor allem nachts vermehrt ausgeschüttet und besitzt eine Reihe von Effekten. So belegen Studien seine positive Wirkung bei Schlafstörungen und auch beim so genannten Jetlag", so Klingmüller. Überdies würden der Verbindung auch wachstumshemmende Effekte auf Tumoren des Blutsystems sowie auf das Immunsystem zugeschrieben, doch fehlten dazu wissenschaftlich fundierte Daten. Folge der "sagenhaften" Eigenschaften von Melatonin: Inzwischen wird das Hormon in den USA als Nahrungsergänzungsmittel in Supermärkten verkauft. Auf dem Umweg über das Internet gelangt das Präparat indes auch immer häufiger nach Deutschland. Aus gutem Grund findet sich das verschreibungspflichtige Melatonin hierzulande nicht in Supermarkt-Regalen, denn Experten vermuten, dass eine vermehrte Einnahme des Hormons über die Stimulation des Abwehrsystems zu Autoimmunkrankheiten, wie etwa Rheuma, führen kann.

    Ebenso beliebt unter den Jüngern des Jugendkultes ist DHEA, das normalerweise in der Nebennierenrinde produziert wird. Zwar konsumieren immer mehr US-Amerikaner das Hormon wie ein Grundnahrungsmittel, doch über seine tatsächlichen Wirkungen ist nur wenig bekannt. "Lediglich bei Frauen, die keine Nebennieren mehr besitzen und daher DHEA nicht selbst herstellen, bewirkte eine Einnahme eine drastische Verbesserung der Befindlichkeit und Belastbarkeit", resümiert der Bonner Endokrinologe. Männer dagegen mit einem verringerten Spiegel an DHEA hätten nicht von einer Hormongabe profitiert. Weil harte Fakten zu den Modendrogen noch Mangelware seien, warnen Klingmüller und seine Kollegen vor dem leichtfertigen Umgang mit diesen sensiblen Stellschrauben des Körpers.

    [Quelle: Eva Schindele]