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Fragwürdiger Rekord

Deutsche Frauenärzte, so scheint es, sind besonders vorsichtig. Öfter als ihre Kollegen in anderen Ländern raten sie Patientinnen in oder nach den Wechseljahren, sich die Gebärmutter entfernen zu lassen. Nur in den seltensten Fällen ist ein bösartiger Tumor Anlass für diese Operation. Dies ist ein Ergebnis einer großen europäischen Vergleichsstudie. Vorgestellt wurde sie am Wochenende auf einem internationalen Symposium zur Frauengesundheit in Bremen.

Eva Schindele | 22.05.2001
    Dass deutsche Gynäkologen schnell eine Gebärmutter-Entfernung empfehlen, vor allem wenn die Frau keinen Kinderwunsch mehr hat, ist seit Jahren bekannt. Nach wie vor ist die sogenannte Hysterektomie (wie sie im Fachjargon heißt) die häufigste Operation bei Frauen in und nach den Wechseljahren. Umstritten ist, ob diese Operation immer medizinisch notwendig ist. Nun liegen Daten aus einer Befragung von 3000 Bremer Frauen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren sowie aus einer europäischen Vergleichsstudie vor. Koordiniert hat diese Studie der Epidemiologe Klaus Giersiepen vom Bremer Institut für Präventionsforschung (BIPS)

    "Wir haben Bremer Frauen gefragt und festgestellt, dass in der Altersgruppe von 65-69 40 Prozent der Frauen keine Gebärmutter mehr haben. Die Werte, die wir hier für Bremen und Deutschland ermittelt haben sind die höchsten weltweit - die mir bekannt sind."

    Bremen ist nicht nur an der Weltspitze, sondern es liegt auch über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Aber auch in Deutschland hat jede 3. Frau im Alter von 60 keine Gebärmutter mehr - allerdings mit rückläufigem Trend. Trotzdem ist diese Rate immer noch höher als in anderen europäischen Ländern.

    Klaus Giersiepen: "Also wir haben Vergleichszahlen aus Finnland, aus einem Teil Spaniens, aus Portugal und können sehen, dass in Spanien und in Portugal rund die Hälfte oder ein Drittel weniger Operationen durchgeführt werden als bei uns. Und Finnland hat aufgeholt. Da waren die Zahlen ursprünglich niedrig und jetzt wird dort häufiger operiert."

    Vor allem männliche Gynäkologen betrachteten lange Zeit die Gebärmutter als ein Organ, auf das Frauen verzichten können, wenn sie keine Kinder mehr bekommen wollen. Doch der Eingriff - egal ob mit Bauchschnitt oder vaginal durchgeführt ist eine große Operation, die mit Nebenwirkungen verbunden sein kann. Zahlen aus Hessen, das als erstes Bundesland eine Qualitätssicherung in der operativen Gynäkologie eingeführt hat, beweisen das. Danach hatten 10 Prozent der Frauen nach der Operation Komplikationen wie Fieber, Wundinfektionen und starke Schmerzen. Doch eine Gebärmutterentfernung kann auch negative Langzeitfolgen haben, wie Inge Jahn vom Bremer Institut für Präventionsforschung bei ihrer Befragung herausfand:

    "Cirka ein Drittel der Frauen waren unzufrieden oder üben Kritik an der Hysterektomie sei, dass es Operationskomplikationen gab, dass sie eine für sie unerwartet hohe Genesungsdauer hatten oder dass sie unerwartete Folgewirkungen verspüren, wie psychische Probleme, Kopfschmerzen, Narbenschmerzen und manchmal kommen Zweifel auf, ob die OP notwendig und auch richtig war."

    Außerdem zeigte die Befragung, dass viele Frauen weder über die Art der Operation noch über mögliche Folgen oder Alternativbehandlungen richtig aufgeklärt war. Mediziner unterscheiden zwischen harten Indikationen, d.h. den Fällen, wo eine Operation unbedingt medizinisch notwendig ist und sog. weichen Indikationen. Medizinisch angezeigt ist die Gebärmutterentfernung bei Krebserkrankungen. Diese waren aber in Deutschland nur in den wenigsten Fällen der Grund für die Operation.

    Inge Jahn: "Wir stellten fest, dass nur bei jeder 10. Frau der Grund für die Operation eine bösartige Erkrankung des Unterleibs war. Bei etwa 90% der Frauen lag etwas Gutartiges vor...etwa 40% der Frauen gaben Myome an , zum Teil verbunden mit Blutungen oder starken Schmerzen."

    Myome und Blutungen verschwinden in der Regel mit Eintritt in die Menopause - außer die Frau schluckt Hormone in den Wechseljahren. Die sog. Hormonersatztherapie kann sowohl das Wachstum der Myome anregen, als auch zu heftigen Blutungen führen. In Finnland ist die starke Zunahme der Hysterektomierate ein Begleiteffekt der in Mode gekommenen Hormoneinnahme in den Wechseljahren. Vor der Operation, so Fachleute, sollte bei Myomen, Blutungen oder Harninkontinenz eine Zweitmeinung eingeholt werden. Außerdem ist ratsam andere therapeutische Möglichkeiten vorher zu versuchen. Nachgedacht wird inzwischen auch über ärztliche Leitlinien für Gebärmutterentfernungen, wie sie inzwischen in der Schweiz und den USA existieren. In diesen Ländern sank danach die Rate der Gebärmutterentfernungen steil ab.