Während der Berichterstattung über die Brände in Moria blieb ich an zwei Formulierungen hängen: die "Migranten-Lager in Moria" und "Migranten zündeten ihr Lager an". An ihnen möchte veranschaulichen, wie subtil Framing funktionieren kann.
Framing durch genau gewählten Wortschatz
Framing, das Lieblingswort von Medienkritikern, wurde spätestens 2019 durch das ARD-Framing-Manual auch über den selbstdrehenden Kreis der Kommunikationswissenschaft hinaus populär. Vereinfacht bedeutet es, dass man in seiner Kommunikation einen bestimmten Bedeutungskosmos aufbaut, indem man zum Beispiel einen genau gewählten Wortschatz und selektierte Sprachbilder verwendet. Man schafft einen Deutungsrahmen.
Im Asyldiskurs wird besonders deutlich, wie Framing als Instrument gebraucht und missbraucht werden kann. Während bei Formulierungen wie "Flüchtlingswelle" oder "Flüchtlingsflut" die Bilderwelt der Naturkatastrophe eindeutig ist und man den Versuch, Menschen als unabwendbare, und deswegen besonders zu fürchtende Naturgewalt zu framen, ziemlich schnell als solchen enttarnen kann, gibt es Formulierungen, die in der Berichterstattung rund um die Lage in Moria wesentlich unauffälliger funktionieren.
"Migrantenlager in Moria": Zunächst ist das Wort "Migrantenlager" ungenau, da es sich bei den Menschen in Moria mehrheitlich um Flüchtlinge handelt. Der Unterschied zwischen Flüchtlingen und Migranten: Das Wort Migrant bezeichnet allgemein Menschen, die ihre Heimat verlassen, gemeinhin wird eine Freiwilligkeit nicht ausgeschlossen. Flüchtlinge hingegen definieren sich eben genau dadurch, dass sie gezwungen sind zu gehen, aufgrund von Krieg oder Verfolgung.
Flucht ist kein freiwilliger Akt
Definitorisch sind also alle Flüchtlinge Migranten, aber nicht alle Migranten sind Flüchtlinge. Nach Angaben des griechischen Roten Kreuzes sind über die Hälfte der Flüchtlinge in den Camps Afghanen, die meist aus dem Iran kommen, wo sie vor Krieg und Taliban geflüchtet waren. Des Weiteren befinden sich dort Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien.
Es ist berichterstatterisch also nicht falsch, von Migranten in den Auffanglagern in Moria zu sprechen oder von "Migrantenlagern", aber die dadurch mitgedachte Rahmenerzählung ist nun, dass die Geflüchteten eine Wahl gehabt hätten und selbst verschuldet in ihrer Situation sind. Es blendet die Ausweglosigkeit ihrer Entscheidung aus und macht die Flucht zu einem freiwilligen Akt der Auswanderung.
Und auch bei der Formulierung "Migranten haben Feuer in Moria gelegt" ist die Information nach derzeitigem Stand nicht falsch, aber testen sie mal an sich selbst, was sie für ein Bild im Kopf beim Hören entwickeln. "Migranten haben Feuer in Moria gelegt": Obwohl wir abstrahieren, dass natürlich nicht alle Flüchtlinge das Feuer legten, macht diese Formulierung unwillentlich aus den Menschen eine amorphe Masse von Brandstiftern und kriminalisiert sie durch Verallgemeinerung. Es ist nicht einer, es sind nicht mehrere, es sind einfach "die Flüchtlinge" - der Formulierung nach ja sogar "die Migranten" -, die das Lager in Brand gesetzt haben.
Die ganze Geschichte erzählen
Das handwerklich Schwierige daran: Präzisierungen wie "einige", "ein oder mehrere", sind sperrig, wirken sogar seltsam vage. Schreibt man zum Beispiel statt "Griechenland wirft Migranten Brandstiftung vor" die Headline "Griechenland wirft ein oder mehreren Migranten Brandstiftung vor" so klingt das paradoxerweise ungenauer – aber macht nicht aus über zehntausend Schicksalen eine einheitliche Gruppe sich selbst Sabotierender.
Diese Spitzfindigkeit nicht, um ein willentlich verfälschendes Framing zu unterstellen, sondern um Sie, liebe Hörer, für die Wirkung der gewählten Worte zu sensibilisieren. Sie erzählen keine falsche Geschichte, diese Wörter. Sie erzählen nur nicht immer die ganze Geschichte.