Merkwürdigerweise ist diese deutsche Ausgabe im konservativen Berliner Siedler Verlag herausgekommen und nicht, wie eher zu erwarten gewesen wäre, in einem linken Haus. Die Autorin vergeht nämlich nicht gerade vor Bewunderung für den kulturell organisierten Antikommunismus, dessen Spuren sie vor allem in US-amerikanischen Archiven und durch Befragung von überlebenden Zeugen jener Aktivitäten nachgegangen ist. Nun scheinen linke Einrichtungen in Deutschland zur Zeit vorwiegend mit der eigenen Nabelschau und mit Ritualen des Abschwörens beschäftigt zu sein, so dass es wiederum seine Logik hat, wenn eine an Zeitgeschichte und nicht an linken Verdauungsbeschwerden interessierte Arbeit in einem konservativen Verlag erscheint.
Im Mittelpunkt des Interesses von Frances Stonor Saunders steht jener 1950 in Westberlin gegründete "Kongress für kulturelle Freiheit", der erst vor kurzem von der Frankfurter Publizistin Ulrike Ackermann wieder mit einem runderneuerten Heiligenschein versehen wurde. Ihr von ahnungslosen deutschen Rezensenten mit Lob überhäuftes Buch "Sündenfall der Intellektuellen" erweist sich nun im Licht der Untersuchung der britischen Autorin als total überholt und vollkommen wertlos. Seine Kernaussage schrumpft zur lachhaften Märchenerzählung.
Dieser Legende zufolge ist der fragliche antikommunistische Kongress nichts anderes als das Werk weitblickender Idealisten gewesen. Abgefallene Kommunisten, Freunde einer demokratischen Arbeiterbewegung, unabhängige, linksliberal gesonnene Intellektuelle, diese alle hätten sich demnach in ganz und gar uneigennütziger Absicht zusammengetan, vor Augen nur das gemeinsame Projekt: den um 1950 in Westeuropa noch virulenten kommunistischen Einfluss zurückdrängen. Die Legende gesteht zwar zu, dass der "Kongress für kulturelle Freiheit" in der Tat mit dem amerikanischen Geheimdienst CIA in Verbindung kam, setzt dafür aber einen sehr späten Zeitpunkt an. Das Netzwerk der vom Kongress unterhaltenen Zeitschriften - wozu "Der Monat" in Deutschland, "Preuves" in Frankreich und "Encounter" in Großbritannien gehörten - sei zusammen mit seinem internationalen Konferenzbetrieb in finanzielle Schwierigkeiten geraten, und erst in diesem Augenblick, Mitte der sechziger Jahre, habe der CIA seine Unterstützung angeboten. Als die "New York Times" 1966 die Geheimdienstfinanzierung von "Der Monat" und anderer Organe und kultureller Aktivitäten enthüllte, wurde das von den Betroffenen als lediglich vorübergehende Nothilfe dargestellt.
Alles falsch, lautet der Befund der britischen Autorin. Ihre Recherchen ergaben, dass der »Kongress« von Anfang an ein Werkzeug in den Händen des US-amerikanischen Geheimdienstes gewesen ist. In ihrer Einleitung heißt es:
"Während der Hochphase des Kalten Krieges investierte die US-Regierung enorme Summen in ein geheimes Programm, das der kulturellen Propaganda in Westeuropa diente... Das Kernstück dieser Kampagne war der 'Kongress für kulturelle Freiheit', der in den Jahren 1950 bis 1967 von dem CIA-Agenten Michael Josselson geleitet wurde... In seiner Glanzzeit verfügte der Kongress für kulturelle Freiheit über Außenstellen in 35 Ländern und beschäftigte eine Vielzahl von Mitarbeitern. Er veröffentlichte mehr als zwanzig angesehene Zeitschriften, veranstaltete Kunstausstellungen, besaß eine eigene Nachrichtenagentur, organisierte spektakuläre internationale Konferenzen und richtete Preisverleihungen und öffentliche Kulturveranstaltungen aus, in deren Rahmen Musiker und andere Künstler geehrt wurden. Sein Auftrag war es, der westeuropäischen Intelligenz allmählich ihre latente Sympathie für Marxismus und Kommunismus auszutreiben, um sie so nach und nach an den American Way heranzuführen."
War dieses ganze Unternehmen bei aller Fragwürdigkeit letzten Endes, im Licht der den Kommunismus beiseitefegenden Weltgeschichte, nicht doch irgendwie historisch sinnvoll und gerechtfertigt? Solche eher geschichtsphilosophischen Sinnfragen interessieren Frances Stonor Saunders ebensowenig wie sich im Zusammenhang mit Geheimdiensten anbietende Verschwörungstheorien. Die Dokumentarfilmerin Saunders ist auf nachprüfbare Fakten aus. Ihr Buch ist zu großen Teilen eine außerordentlich spannend und kurzweilig zu lesende Studie über die Korrumpierbarkeit einer bestimmten Kaste von Intellektuellen und Künstlern. Man begegnet beispielsweise dem erfolglosen Komponisten Nicolas Nabokov, einem Bruder des Literaturnobelpreisträgers, der als kultureller CIA-Agent sich endlich einen Traum erfüllen und über das Konzertleben einer großen Stadt, und zwar des von Willy Brandt regierten Westberlin, bestimmen durfte. In dieser Geschichte tauchen allerlei seltsame Vögel auf, Exemplare einer Spezies, die Hannah Arendts Ehemann Heinrich Blücher 1955 im Blick auf den freiheitlichen Kongresstourismus als "Lumpenintellektuelle" bezeichnet hat.
Von antikommunistischem Idealismus ist da wenig zu spüren, umso mehr jedoch von trivialer Abstaubermentalität: gegen fette Honorare und Unterbringung in Schweizer Luxushotels wurden da im Namen des Kampfes gegen den Kommunismus die immer gleichen, langweiligen, anderweitig bereits bezahlten Vorträge gehalten. Der ehemalige Kommunist Arthur Koestler, Hauptredner des ersten Kongresses für kulturelle Freiheit 1950 in Berlin, hatte eines Tages das dumpfe Gefühl, in einen, wie er sagte, "internationalen akademischen Hurenring" hineingeraten zu sein. Nüchtern betrachtet, ähnelt dieser Kongress einer Art Versorgungsanstalt für ebenso geldgierige wie ruhmsüchtige Lumpenkünstler und Lumpenintellektuelle, die sich das antikommunistische Mäntelchen lediglich aus Verkaufsgründen umhingen. Der Kalte Krieg war ihnen teuer, weil er sie ernährte und ihnen ein wenig Glamour bescherte. In den Augen der kreuzbiederen Ulrike Ackermann handelt es sich bei all diesen recht zweifelhaften Gestalten jedoch um verehrungswürdige einsame Helden der Freiheit.
Aus dem von der britischen Autorin mit Genuss am Sarkasmus beschriebenen kulturellen Kongressmorast ragen nur wenige respektable Figuren heraus, an erster Stelle der französische konservative politische Philosoph Raymond Aron. Dieser ehemalige Studienkamerad Sartres hatte es mit seinen Widerlegungen des Marxismus philosophisch durch und durch ernst gemeint: als er bei einer Versammlung von Kongressmitgliedern erfuhr, dass hinter den Kulissen der amerikanische Geheimdienst die Fäden zog, stürmte er vor Wut kochend und Türen schlagend aus dem Saal. Die gewendeten Kommunisten unter seinen Gefährten, die wohl aus der alten Parteidisziplin den Grundsatz übernommen hatten, dass der Zweck die Mittel heiligt, fanden an der geheimdienstlichen Führung ihres freiheitlichen Idealismus jedoch nichts auszusetzen.
Das Buch "Wer die Zeche zahlt... Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg" breitet seinen gewissenhaft erarbeiteten, zeitgeschichtlich äußerst lehrreichen Stoff auf eine angenehm unterhaltsame Weise aus. Es wimmelt von wissenswerten Anekdoten aus der Zeit des Kalten Kriegs, die noch nirgendwo zu lesen waren. Da begegnet man zum Beispiel dem amerikanischen Dichter Robert Lowell, der vom CIA nach Lateinamerika geschickt wurde, um im Sängerkrieg den populären kommunistischen Dichter Pablo Neruda zu besiegen. Der amerikanische Dichter fiel jedoch noch vor der Schlacht aus Rolle. Kaum in Buenos Aires angekommen, geriet Lowell in eine merkwürdige Euphorie, entwich seinen CIA-Begleitern, hielt mitten in der Stadt eine Rede zu Ehren Hitlers, riss sich dann die Kleider vom Leib und erklomm splitternackt als selbsternannter "Cäsar von Argentinien" ein Reiterdenkmal. So weist auch die Geschichte des Antikommunismus ihre Waterloos auf, und zwar, wie um ein berühmtes Wort von Marx zu illustrieren, in der Form der Farce.
"Wer die Zeche zahlt... - CIA und die Kultur im Kalten Krieg", heißt das Buch von Frances Stonor Saunders. Es hat 478 Seiten und kostet 49,90 DM.