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François-Xavier Fauvelle: "Das goldene Rhinozeros"
Afrika im Zeitalter kultureller Blüte

Oft vergessen: Auch Afrika hatte sein Mittelalter - ein goldenes Zeitalter. Es umfasst acht Jahrhunderte, die von den nubischen Königreichen bis zur Ankunft des weißen Mannes reichen. François-Xavier Fauvelle unternimmt eine Reise durch den historischen Kontinent und gibt Afrika die Geschichte zurück, die ihm das koloniale Europa genommen hat.

Von Thomas Palzer |
    Buchcover: François-Xavier Fauvelle: "Das goldene Rhinozeros"
    Das goldene Rhinozeros auf dem Cover ist Sinnbild dafür, dass die Geschichte der südafrikanischen Zivilisation nicht erst mit der Ankunft des niederländischen Kolonialverwalters Jan van Riebeeck in Kapstadt begonnen hat (Buchcover: C.H. Beck Verlag, Foto: dpa / picture alliance / Arved Gintenreiter)
    Im 18. Jahrhundert wird es üblich, das Wort Geschichte im Singular zu verwenden. Geschichte als Singular verlangt nach einer objektiven Instanz, von der aus sie erzählt und systematisiert werden kann. Für die europäische Geschichte mag eine solche Instanz konstruiert werden können, da genügend Zeugnisse und Dokumente vorhanden sind, um einen Perspektivenreichtum zu garantieren, aus dem dann extrapolierende Schlüsse gezogen werden können.
    Magere Quellenlage
    Anders verhält es sich, wenn man sich auf wenige und höchste subjektive Geschichten stützen muss. Dann ist die Dekonstruktion dieser Geschichten eine Methode, die geeignet ist, um deren wahren Kern freizulegen. Dieser Methode bedient sich der französische Historiker François-Xavier Fauvelle in seinem Werk über das mittelalterliche Afrika.
    "Wenn der Leser dieses Buch aufschlägt, macht er sich auf eine Reise durch mehrere Jahrhunderte afrikanischer Geschichte. Ein chinesischer Reisender im 8. Jahrhundert ist unser erster Führer, ein portugiesischer Eroberer Ende des 15. Jahrhunderts der letzte. Zwischen den beiden begleiten uns Händler, Geographen, Diplomaten, Muslime, Juden, Christen, Persönlichkeiten wie Marco Polo und Ibn Battûta. Wir werden uns damit abfinden müssen, nicht immer zu verstehen, was wir sehen, und nicht immer sicher zu sein, dass das, was wir sehen, von unseren Führern richtig verstanden worden ist."
    Dass wir über das vorkoloniale Afrika so wenig wissen, hängt natürlich mit der mageren Quellenlage zusammen. Die afrikanischen Gesellschaften besitzen bis zum 19. Jahrhundert praktisch keine schriftliche Tradition - und was es an Städten, Palästen, Baudenkmälern, Tempelanlagen und anderen materiellen Zeugnissen gibt, ist aufgrund der Vorurteile eines neuzeitlichen Europa, die sich teilweise bis heute fortgepflanzt haben, von der Forschung nur sehr schlecht bis überhaupt nicht dokumentiert.
    Vor allem arabische, kaum europäische Quellen
    Aufschluss über die sogenannten dunklen oder vergessenen Jahrhunderte Afrikas, die eigentlich dessen goldene gewesen sind, geben Fauvelle vor allem arabische Quellen - europäischen dagegen muss er kaum Platz einräumen, so wenig Gewicht haben sie. Es sind Quellen, die vor allem auf den Aussagen und Mitteilungen von Händlern beruhen - und die alle zusammengenommen nur einen Band von wenigen hundert Seiten ausmachen würden. In etlichen afrikanischen Gesellschaften ist die Tradition mündlicher Überlieferung Spezialisten anvertraut worden - unbrauchbar für den Historiker, weil das Ausmaß der unterwegs erfahrenen Veränderungen nicht zu ermessen ist, zumal, wenn es sich um so ferne Vergangenheiten handelt wie diese, um die es Fauvelle geht. Und wenn der Historiker von einem afrikanischen Mittelalter spricht, ist das kein unzulässiger Begriffsimport aus Europa, sondern spielt auf Entwicklungen und Verknüpfungen an, die Afrika mit der Alten Welt weitgehend teilt.
    "Sehen wir uns einmal die geographische Lage der Orte an, an denen sich die Berichte unseres Buches abspielen. Sie sind über die gesamte Breite des Kontinents verteilt, von den Atlantikküsten der Sahara und der Sahelzone bis zum Roten Meer, in Form einer weiten Sichel, welche die Einzugsgebiete des Niger und des mittleren Niltals umschließt. Diese Sichel umfasst die Hochebene des Horns von Afrika und erstreckt sich dann über die afrikanischen Küstengebiete des Golfs von Aden bis zu den östlichen Rändern des südlichen Afrika und Madagaskar."
    Vergessene und wiedergefundene Jahrhunderte
    Was all diese Orte eint, sind ihre Handelsverbindungen, ihr Kontakt mit den Austauschkräften der islamischen Welt. Ab dem 7. Jahrhundert beginnt die muslimische Religion zusammen mit der arabischen Sprache Afrika einen gewissen Zusammenhalt zu geben, der sich in einer Reihe von Institutionen, Praktiken und juristischen Normen niederschlägt, in der Zirkulation von Händlern und Pilgern und der Verbreitung gemeinsamer intellektueller und ästhetischer Wertvorstellungen. In diesem Sinn ist das afrikanische Mittelalter dem europäischen ähnlich, das seinerseits zwischen Karl dem Großen und der Magna Charta formatiert wurde und zu einer gewissen kulturellen Vereinheitlichung fand. Mit seinem die eigenen Bedingungen reflektierenden Buch macht François-Xavier Fauvelle eindringlich klar, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist: dass Afrika eine Geschichte hat.
    "Was könnte die Intensivität und zugleich die Anfälligkeit des Bemühens, das ihr Schicksal bestimmte, besser zum Ausdruck bringen als jene verschwundenen Städte, erfüllt vom Stimmengewirr verschiedener Sprachen, vom Schaben und Scharren durch die engen Gassen drängender Maultiere und Dromedare, von den gebrüllten Kommandos beim Entladen der Lasttiere, von zivilisiert geführten Handelsgesprächen in den Höfen oder vor der Moschee, von zu laut geflüsterten Bettgeheimnissen. Die vergessenen und wiedergefundenen Jahrhunderte des afrikanischen Mittelalters haben das Leuchten und die Flüchtigkeit eines Goldschimmers."
    Das goldene Rhinozeros als Symbol für das vorkoloniale Afrika
    Einen Eindruck dieses Goldschimmers vermittelt das Cover von Fauvelles Buch, auf dem ein goldenes Rhinozeros abgebildet ist - Sinnbild für eine Einsicht, die von der südafrikanischen Apartheidsregierung als Skandal betrachtet worden ist: dass nämlich die Geschichte der südafrikanischen Zivilisation nicht 1652 begonnen hat - mit der Ankunft des niederländischen Kolonialverwalters Jan van Riebeeck in Kapstadt.
    Um zu begreifen, was es mit dem goldenen Rhinozeros auf sich hat, müssen wir uns einem berühmten Sandsteinhügel mit steil abfallenden Wänden im Norden Südafrikas zuwenden. Mapungubwe wird er genannt: Schakalhügel. Mapungubwe liegt inmitten einer Höhensavanne mit Akazien und Affenbrotbäumen - und liefert den Namen für eine Reihe von Ausgrabungsstätten, die sich auf seinem Gipfel befinden und sich mit den Zeugnissen der Great Zimbabwe Culture befassen, der Vorläuferzivilisation zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert - mit verschütteten Gräbern etwa, gut dreißig an der Zahl, die zusammen mit den Beigaben ein verlorenes Königreich dokumentieren, das Teil eines weit verzweigten Handelsnetzes zwischen Ägypten, Indien, Indonesien und China gewesen sein muss. Gold, Elfenbein und Felle wurden getauscht gegen Perlen, Keramik und andere Waren. Das spätere Königreich von Zimbabwe gilt als Nachfolger dieser Hochkultur, deren Verschwinden mit klimatischen Veränderungen erklärt wird.
    "Die Grabstätten sind nicht sehr tief und waren vielleicht ursprünglich von einer Struktur aus Kacheln überwölbt, möglicherweise zur Aufnahme von Verstorbenen in sitzender Haltung, es sei denn, es handelt sich um Bündel von Gebeinen, die von einer früheren Bestattung stammen. Die Gräber enthalten die Hülle mehrerer Tiere aus Gold, die goldene Verkleidung eines "Zepters" oder eines Stocks, sowie einer Kopfstütze, Schmuck aus massivem Gold und Filigran, mehrere Tausend Goldperlen, Zehntausende von Glasperlen, unversehrtes oder zerbrochenes irdenes Geschirr."
    Mapungubwe, nur über eine enge Kluft erreichbar, besitzt folglich eine reiche Geschichte und zählt mittlerweile zum Weltkulturerbe der Unesco.
    1932 entdeckten Schatzsucher und Elfenbeinjäger auf eben diesem Gipfel das goldene Rhinozeros, eine 15 cm lange und 42 Gramm leichte Figur aus dünnem Goldblech, die aus dem 13. Jahrhundert stammt und zu einem Symbol für das vorkoloniale Afrika geworden ist, inzwischen begehrt von den größten Museen der Welt, nachdem es 2016 erstmals im Ausland zu sehen gewesen ist - im Londoner British Museum.
    "Das goldene Rhinozeros ist nichts anderes als ein gestohlenes und dann wiedergefundenes Dokument, nur dass ein gestohlenes archäologisches Objekt für immer verloren ist - selbst wenn es wiedergefunden wird: Es werden für immer die Verbindungen fehlen, deren Erforschung nur bei einer Entdeckung im Kontext möglich gewesen wäre."
    Die archäologischen Untersuchungen des Hügels ergeben, dass hier schon des Öfteren Grabräuber am Werk gewesen sind. Aber ganz abgesehen von solchen Umständen zeigt die Besiedlungsfolge eine klare Dynamik in Richtung demographisches Wachstum, und ferner, dass zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert eine hohe gesellschaftliche Differenzierung stattgefunden hat.
    Fauvelle schreibt:
    "Diese Dynamik weist auf den Gipfel des Mapungubwe, der ab dem 12. Jahrhundert von einer neuen Elite besiedelt wird, und auf die oberste Schicht der stratigrafischen Ablagerung, die den letzten Besiedlungen kurz vor 1300 entspricht, als sich Personen hohen Ranges dort mit den Reichtümern bestatten lassen, die sie damit gleichzeitig den Lebenden wegnehmen. Dürfen wir sie Könige nennen, ohne voreilig ein Urteil über das Wesen eines politischen Gebildes zu fällen, das wir nur durch das sehr unzureichende Prisma der Archäologie erfassen können?"
    Afrika die Wiege der Zivilisation?
    In den nubischen Königreichen hat es mehr Pyramiden gegeben als in Ägypten. Pyramiden gibt es aber auch im präkolumbischen Amerika, in den Kulturen der Olmeken, der Maya, der Tolteken oder Azteken. Das hat zumal im 19. Jahrhundert Europäer zu dem Schluss verleitet, dass die mesoamerikanischen Kulturen ihre Blüte der Migration aus dem pharaonischen Ägypten verdanken. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren es wiederum Afrikaner beziehungsweise Afroafrikaner, die sich dieser Annahme angeschlossen haben -allerdings mit dem Unterschied, dass sie behaupteten, Ägypten sei eine schwarze Kultur gewesen, weshalb das Verdienst, die Wiege aller Zivilisation zu sein, Afrika zukomme. Ein ideologischer Kampf, der ausgetragen wird, um das kulturelle Gedächtnis jeweils für die eigene Kultur zu reklamieren.
    Fauvelle glaubt nicht an die These des außeramerikanischen Ursprungs der mexikanischen Pyramiden. In seinen Augen gibt es kein starkes Indiz dafür. Dennoch beginnt er, sich mit Berichten und Mythen auseinanderzusetzen, die in einem weiteren Sinn für eine solche Annahme sprechen könnten. Da wäre etwa die Geschichte, die den Sultan von Malí betrifft. Mûsâ - so sein Name - soll im Jahr 1324, da er sich auf Pilgerreise nach Mekka befand, in der ägyptischen Hauptstadt mit der Frage konfrontiert worden sein, wie er an die Macht gekommen sei - eine Frage, die er seinerseits mit einer Geschichte beantwortet habe, deren Eigentümlichkeit wiederum den Historiker Fauvelle zu einem Gedankenexperiment angeregt hat. Die Geschichte des Sultans dreht sich auf den ersten Blick um die Möglichkeit, den Atlantischen Ozean zu überqueren und auf dessen anderen Seite auf Land zu stoßen - wobei man im Hinterkopf behalten muss, dass im Mittelalter der Horizont des Ozeans den Rand der Welt markierte, Abgrund und Finsternis.
    "Die Geschichte erzählt uns von einer See-Expedition, von einer Schiffsflotte, die nie zurückgekehrt ist, vielleicht - kann man sich vorstellen, möchte man glauben -, weil sie eine andere Küste erreichte. Waren das also die wahren Entdecker Amerikas? Da sie sicher nicht nur ein paar Handvoll Leute bei ihrer Ankunft waren, haben sie wahrscheinlich etwas von den afrikanischen Kulturen an die andere Seite des Atlantiks hinübergebracht? Und wenn sie es einmal geschafft hatten, konnten sie es da nicht schon viele Male zuvor geschafft haben? Aber die Geschichte - das wollen wir hier festhalten - erzählt uns nichts von einem Festland am Ende der Fahrt."
    Zusammengefasst hat der Sultan die Frage, die ihm bei seinem Aufenthalt in der ägyptischen Hauptstadt gestellt wurde, wie folgt beantwortet:
    "Wir gehören einer Familie an, in der die Macht vererbt wird. Mein Vorgänger glaubte nicht, dass der Atlantische Ozean nicht überquert werden könnte. Er wollte es tun und scheiterte. So wurde ich zum alleinigen Herrscher."
    Nachträgliche Legitimation der Macht
    Fauvelle nimmt bei seiner Interpretation der Sultangeschichte Bezug auf eine Praxis, die in mehreren afrikanischen Gesellschaften ausgeübt wurde und weiterhin ausgeübt wird - eine Praxis, die es im Übrigen auch in Europa gibt, denken wir an die jüngere Geschichte und Begriffe wie Abendland oder Amselfeld. Es sind literarisierte Begriffe, mit denen jedes Mal ein Nationalcharakter konstruiert und nachträglich legitimiert werden soll - einmal der der Serben, ein andermal der des (Alt-)Europäers. François-Xavier Fauvelle vermutet nun, dass die Geschichte, die der Sultan Mûsâ erzählt hat, zu nichts anderem diente als genau dazu: zur nachträglichen Legitimation der eigenen Macht.
    "Es spielt keine Rolle, ob das Abenteuer stattgefunden hat oder ob es sich um einen Mythos handelt; was uns aufhorchen lässt, ist, dass eine lange Seereise bis jenseits des Ozeans nötig war, um unseren jungen Mann doppelt bestätigt zu sehen, als König für sein Volk und als Muslim für die durchreisenden Händler."
    Fauvelle stellt also die Hypothese auf, dass in mehreren Regionen Afrikas womöglich eine gemeinsame Gründungsmythologie des Königtums existiert hat, vielleicht ein gemeinsames Investiturritual für einen neuen Herrscher in Krisenzeiten.
    In "Das goldene Rhinozeros" schreibt der französische Professor für afrikanische Geschichte:
    "Ganz gleich, ob die Geschichte beschreibt, wie die Macht aus dem Machtvakuum herausgekommen ist, oder ob sie vorschreibt, was der König erfüllen muss, um als König anerkannt zu werden, sie erzählt in jedem Fall, dass der Umweg über den Ozean, Vater aller Gewässer, den Herrscher gemacht hat."
    Es sind diese präzisen und auf der genauen Kenntnis dessen, was als "afrikanisch" gelten kann, beruhenden Gedankenexperimente, die den Leser mit ihrer hohen Evidenz bestechen und die Lektüre des goldenen Rhinozeros zu einem aufregenden Abenteuer machen.
    In einem späteren Kapitel, in dem es um das Königreich Malí im 14. Jahrhundert geht, kommt Fauvelle noch einmal auf den Sultan Mûsâ zu sprechen, dessen Bekanntheit sich zwar langsam verbreitet, dafür aber das gesamte Jahrhundert überflutet. So soll sein Aufenthalt und der seines Gefolges in Kairo in den Gemütern der Bewohner tiefen Eindruck hinterlassen haben, war er doch geprägt von Weisheit, Frömmigkeit und Reichtum. Noch ein halbes Jahrhundert später wird darüber gesprochen werden. Fauvelle zitiert einen ägyptischen Autor aus dem Jahr 1375:
    "Im Jahr 1324 traf der König Mûsâ ibn Abû Bakr in Ägypten ein in der Absicht, die Wallfahrt zum ehrwürdigen Hause Gotts zu machen und das Grab seines so ruhmreichen und verehrten Propheten zu besuchen. Es war ein junger dunkelhäutiger Mann, angenehm von Gesicht und wohlgestaltet. (...) Er zeigte sich inmitten seiner Soldaten, prunkvoll gekleidet und zu Pferd; sein Gefolge bestand aus mehr als zehntausend seiner Untertanen. Er brachte ob ihrer Schönheit und ihrer Pracht bemerkenswerte Geschenke. Es wird berichtet, die Ausdehnung seines Reiches sei drei Jahre zu Fuß und er habe unter seiner Hand vierzehn Untergebene, Könige wie Gouverneure."
    Rätselhafte Hinterlassenschaft einer Karawane in der Wüste
    In einer späteren Geschichte gegen Ende des goldenen Rhinozeros geht es um Treibgut in der Sahara - um die rätselhafte Hinterlassenschaft einer Karawane inmitten des Sandozeans. Vermutlich vor mehreren Jahrhunderten im Süden Marokkos aufgebrochen, war die Karawane aus Gründen, die wir nicht kennen, abseits der bekannten Routen nach Walata (Oualata) unterwegs, einem Ort im Südosten von Mauretanien, der damals den Endpunkt der Handelskarawanen darstellte. In Walata tauschte man Gold, Salz, Sklaven und Kleider.
    Warum die Karawane, von der hier die Rede ist, ihre Warenladung zurückgelassen oder besser: sorgfältig im Sand deponiert hat, ist unklar, aber vermutlich in der Absicht, sie eines Tages wiederzufinden.
    Hatte sich die Karawane verirrt? War die Ladung ihr Besitz oder ihre Beute, dass sie sie so sorgsam im Sand verbuddelten? Warum ist nie jemand zurückgekehrt?
    Fragen, die sich der Autor Fauvelle stellt und die heute, Jahrhunderte später, nicht mehr zu beantworten sind.
    "Um die Kuppe von ein paar Dutzend Zentimetern Höhe zu entdecken, die die Stätte in einem Ozean aus Sand bildet, muss man zufällig ganz nah an ihr vorbeikommen, an der Mündung einer Dünensenke, die hunderttausend anderen gleicht. Und das geschah erst im Februar 1962, als Nomaden, die in der Gegend auf der Jagd waren, den Ort entdeckten und dort einige Messingstangen auflasen. Der Ort wurde bald danach Ma’aden genannt, die "Mine" von Ijâfen, das ist der Name der Region. Das Gerücht gelangte bis nach Ouadane, und da die Sahara eine hellhörige Kammer ist, drang es bis zu Monod vor, der sich in Dakar befand. Sein erster Versuch, den Ort zu finden, scheiterte im Januar 1964; sein zweiter gelang."
    Théodore Monod macht sich am 2. Dezember 1964 zusammen mit einem Antilopenjäger und zwei mauretanischen Soldaten auf den Weg, um das Treibgut der Wüste aufzuspüren - in einer Region, wo nichts, absolut nichts als Orientierungspunkt dienen kann. Er zählt die Dünenketten, um sich zu orientieren, und kommt auf einhundertdreißig. Zwanzig Tage wird die Expedition dauern. Nur zwei schwere Metallfässer mit Wasser können die Dromedare neben dem Gepäck tragen. Zurück werden sie zehn Tage ohne Wasser marschieren müssen. Das alles bedeutet für Monod, dass für seine Beobachtungen nur ein kurzer Zeitraum verbleibt. Eines Tages wird er zu der Stätte, wo sich das Treibgut befindet, zurückkehren müssen, um seine Arbeit fortzusetzen.
    "Man gräbt bis zu etwa sechzig Zentimeter tief, aber die anderen dreißig Zentimeter sind schon reiner Sand. Darüber waren sechs Bündel Metallstäbe gelegt worden, jedes etwa einen Meter lang, mit einem Durchmesser von mehr als zwanzig Zentimetern Sie sind unversehrt. (...) Die an der Kuppenoberfläche verstreuten Stäbe stammen aus ähnlichen Bündeln. Auf den Bündeln wiederum ruhten die Ballen mit Muscheln, die sehr schnell aufrissen. (...) Das Depot von Ma’aden entspricht der Ladung von fünf bis sechs Dromedaren. (...) Die Metallstangen sind Barren, die dazu bestimmt waren, wieder eingeschmolzen und zu Schmuck, Waffen und Geschirr verarbeitet zu werden."
    Alles, was über die Stätte inmitten eines Ozeans aus Sand bekannt ist, stammt aus dem Bericht von Monod. Trotzdem hat man sie nie wiedergefunden.
    Erstaunlich eindrückliche Vorstellung vom vorkolonialen Afrika
    34 Geschichten sind es, in denen uns François-Xavier Fauvelle vom mittelalterlichen Afrika erzählt. In ihnen nimmt er den Leser mit auf eine Reise durch den historischen Kontinent und konfrontiert ihn mit dessen verschollenen Schätzen. Von Ostafrika über Nubien, der Zentralsahara und Marokko, Äthiopien, Mali und dem Senegal bis nach Madagaskar und ans Horn von Afrika macht der Band mit dem reichen Erbe eines immer noch unterschätzten Erdteils bekannt - mit versunkenen Wüstenreichen oder mit Stammesherrschaften, die um einen großen zentralen Pferch herum organisiert sind, was die Bedeutung der Kuh für die damaligen Kulturen unterstreicht.
    Trotz der nicht immer gelungenen, in Präpositionsketten sich verheddernden und manchmal hanebüchenen Übersetzung ein Leseabenteuer, das zeigt, was eine kundige, kluge und sich selbst transparente Interpretation zu leisten vermag, auch wenn sie auf nur wenigen und unsicheren Zeugnisse beruht. Nach der Lektüre des goldenen Rhinozeros besitzt der Leser eine erstaunlich eindrückliche Vorstellung vom Leben im vorkolonialen Afrika.