Archiv

Frank Lloyd Wright
Pionier in Höhe und Breite

Eigentlich war er ein Landei aus Wisconsin: Frank Lloyd Wright. Er galt vor allem als Prophet amerikanischer Vorstadtarchitektur. Dass er auch Visionen für die wachsenden Großstädte entwickelte, kann man im New Yorker MoMA wiederentdecken.

Von Sacha Verna |
    Frank Lloyd Wright hatte zwei Visionen für die moderne Großstadt. Die eine ging in die Breite, die andere in die Höhe. Die, die in die Breite ging, trägt den Namen Broadacre City und gleicht einer optimierten Schrebergartenkolonie. In die Höhe, und zwar 1600 Meter in den Himmel ragt Mile High Illinois, ein Wolkenkratzer, in dem sämtliche Bewohner von Broadacre City Platz finden.
    "Frank Lloyd Wright was the inheritor of the 19th century critique of the industrial city, its dirtiness, it's congestion, its unhealthiness."
    Frank Lloyd Wright sei ein Erbe der Kritik aus dem 19. Jahrhundert an der Industriestadt mit ihrem Schmutz gewesen, mit ihrer Überbevölkerung und ihren Krankheiten, sagt der Kurator Barry Bergdoll. Broadacre City war Wrights Gegenentwurf zu den menschenfeindlichen Metropolen und bildet den Kern der ersten einer Reihe von Ausstellungen mit Material aus Frank Lloyd Wrights Archiv. Das Museum of Modern Art hat dieses Archiv zusammen mit der Columbia University vor Kurzem gekauft.
    Die autarke Gemeinde
    Das vier mal vier Meter große Modell von Broadacre City ist das einer Siedlung mit angenehm weit auseinanderliegenden Einfamilienhäusern und viel Grün. Dazwischen schlängeln sich diskrete Straßen, die zu Gemeinschaftszentren und anderen Einrichtungen zur Bedürfnisbefriedigung führen. Man könnte Broadacre City für den utopischen Vorläufer gepflegter Vororte von heute halten, verrieten nicht sorgfältig integrierte Flecken von Agrarland und kleine Fabriken die Ambition einer autarken Gemeinde.
    Wer genau hinschaut, entdeckt in einer Ecke des Modells ein spiralartiges Gebäude, das auffällige Ähnlichkeit mit jenem Bau aufweist, der zu einem Wahrzeichen New Yorks und zu einer von Frank Lloyd Wrights bekanntesten Arbeiten überhaupt geworden ist, nämlich mit dem Guggenheim Museum:
    "So even the Guggenheim Museum is often said, he would have preferred it to be in Central Park rather than facing Central Park. And it is an extraordinary sight on the Upper Fifth Avenue and it integrates with the city quite well."
    Frank Lloyd Wright hätte es lieber im Central Park platziert als ihm gegenüber, so Barry Bergdoll. Und obgleich sich dass Guggenheim Museum gut in seine Umgebung an der oberen Fifth Avenue einfüge, habe Wright Projekte in der freien Natur solchen in Städten immer vorgezogen.
    Ampeln und Asphalt
    War er mit den ungünstigen Bedingungen von Ampeln und Asphalt konfrontiert, dachte Wright einfach darüber hinaus. Den Mile High Illinois zeigen Zeichnungen als Nadel von einem Gebäude mit rhombenförmigem Grundriss, das bestens zur Skyline Abu Dhabis passen würde. Wright war einer der ersten, der seine Wolkenkratzer in Glas kleidete und die Stockwerke daraus herauswachsen ließ, wie ein Baum seine Zweige.
    Auch die Hochhäuser hätte Frank Lloyd Wright lieber vereinzelt auf weiter Flur gesehen. Idealerweise würden spindeldürre Riesen wie der Mile High Illinois Raum schaffen für idyllische Wohnlandschaften wie Broadacre City darum herum. Das Projekt für den Mile High Illinois stammt aus dem Jahr 1956, das für Broadacre City war zwanzig Jahre zuvor entstanden. Realisiert wurde keines von beiden. Aber, meint Barry Bergdoll:
    "Lloyd Wright was always eager to prove, whether it be the European avant-garde or American colleagues, that he was there first."
    Frank Lloyd Wright sei stets darauf erpicht gewesen, der Europäischen Avantgarde und seinen amerikanischen Kollegen gleichermaßen seine Pionierstellung zu beweisen. Die Beispiele in dieser Ausstellung belegen, dass Wrights Arroganz in gewissen Fällen sogar gerechtfertigt war.