Frank Ullrich heißt der neue Vorsitzende des Sportausschusses im deutschen Bundestag. Er tritt damit die Nachfolge seiner SPD-Parteikollegin Dagmar Freitag an. Sport-Interessierten wird der Name nicht unbekannt sein, denn Ullrich war 1980 Olympiasieger im Biathlon für die DDR. Nach der Wiedervereinigung war er Bundestrainer der Biathlon- und später der Langlauf-Nationalmannschaft.
Doch Ullrich ist umstritten. Immer wieder gab es Dopingvorwürfe gegen den heute 63-Jährigen, die aus seiner Zeit als DDR-Biathlet und als Trainer in der DDR herrühren. "Die sind sehr ernst zu nehmen", sagte der Journalist Thomas Purschke im Deutschlandfunk. "Wie wir alle wissen gab es in der DDR ein Staatsdopingsystem. Da war auch Frank Ullrich integriert, sowohl als Athlet als auch später als Trainer."
"Dass er das mehrfach abgestritten hat, ist alles andere als gut"
Purschke weiter: "Er hat das immer vehement abgestritten und dann allen Ernstes behauptet, unter der Bezeichnung 'unterstützende Mittel' habe er Vitamine, Mineralsalze und physiotherapeutische Maßnahmen verstanden. Aber wie die Literatur, die Stasi-Unterlagen und auch die Geschichtsschreibung eindeutig belegt haben, waren 'unterstützende Mittel' überwiegend Anabolika, einfach verbotene Dopingmittel. Und dass er das mehrfach abgestritten hat, ist alles andere als gut. Jetzt, da er dem deutschen Sportausschuss im Bundestag vorsitzt, wo er definitiv eine Vorbildfunktion hat. Also ich halte das für fatal."
Die Doping-Vorwürfe gegen Ullrich seien laut Purschke auch mehrfach untersucht worden, unter anderem vom Deutschen Skiverband. "Und was kam dann dabei raus? Die beiden weiteren Biathlon-Trainer der DDR, Kurt Hinze und Wilfried Bock, die ebenso wie Ullrich von mehreren Athleten belastet wurden, mussten gehen. Frank Ullrich durfte weitermachen. 2009, bei den konkreten Untersuchungen des Skiverbandes, hat man allen Ernstes Frank Ullrich attestiert, unter einem „unbewusst gesteuerten Verdrängungsmechanismus“ zu leiden. Ich kann es nur so interpretieren: Man wollte ihn unbedingt halten und hat dann zu dieser juristischen Sprachbrücke gegriffen."
"Hatte ihn vor Jahren konkret angesprochen"
Purschke habe aber Beweise dafür, dass Ullrich am Dopingsystem der DDR beteiligt war. "Es gibt Stasi-Unterlagen, wo er als Athlet namentlich aufgeführt wird, dass er diese Mittel bekommen hat. Ich hatte ihn auch vor Jahren darauf konkret angesprochen und da hat er gesagt, das kann nur ohne sein Wissen passiert sein. Er wolle den zuständigen Sportmediziner, der zugleich auch DDR-Verbandsarzt im Biathlon war, Dr. Werner Siebert, verklagen. Das hat er nicht getan."
Später, in seiner Funktion als Trainer, sei Ullrich von mehreren Athleten belastet worden. "Die haben gesagt, Ullrich hat uns angewiesen, das Mittel Oral-Turinabol einzunehmen, damit wir schneller regenerieren. Das spricht ja letztlich für sich. Desweiteren haben einstige DDR-Biathlon-Mannschaftskameraden von Frank Ullrich auch gesagt, dass die Aussagen von Frank Ullrich bei seiner polizeilichen Vernehmung im Jahr 1994, wo er gesagt hat, er hätte keine Tabletten in den Trainingslagern bekommen, gelogen gewesen seien."
"Hatte lange genug Zeit, reinen Tisch zu machen"
Dass mit Ullrich jemand, der in das DDR-Dopingsystem verstrickt gewesen sei, jetzt Sportausschuss-Vorsitzender sei, halte Purschke für "hochproblematisch. Frank Ullrich hatte jetzt lange genug Zeit gehabt, mehr als 30 Jahre, da mal reinen Tisch zu machen. Das hat er nicht getan. Insofern bin ich da sehr, sehr skeptisch."
Inhaltlich wolle sich Ullrich sowohl für den Spitzen- als auch für den Breitensport einsetzen. "Er hat da die ganze Klaviatur der Politikerphrasen bedient", sagte Purschke. "Wie ernst er das alles meint, ist schwer zu sagen."