Bundespräsident wiedergewählt
Die Aufgaben für die zweite Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier

Frank-Walter Steinmeier bleibt deutscher Bundespräsident. Die Bundesversammlung hat ihn mit großer Mehrheit wiedergewählt. Die Demokratie stärken, gesellschaftliche Spaltungen überwinden, die Bedeutung der Außenpolitik - seine Themen aus der ersten Amtszeit werden auch weiter dringlich bleiben.

12.02.2022
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lächelnd vor einem Mikrophon, rechts: Fahne des Bundesadlers
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue Ende Januar 2022 (imago images/Metodi Popow)
    Seit März 2017 ist Frank-Walter Steinmeier Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, am 13. Februar 2022 ist er mit großer Mehrheit für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden - mit Unterstützung von SPD, Grünen, FDP und der Unionsparteien. Auf ihn entfielen 1045 von 1437 abgegebenen Stimmen. Gegen Steinmeier angetreten waren für die Linke der Mediziner Gerhard Trabert (96 Stimmen), für die AfD der Ökonom Max Otte (140) und für die Freien Wähler die Physikerin Stefanie Gebauer (58 Stimmen).
    Die Wahl durch die 17. Bundesversammlung fand wegen der Corona-Pandemie nicht wie üblich im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes statt, sondern im benachbarten Paul-Löbe-Haus, wo viele Sitzungssäle und Abgeordnetenbüros liegen. Dort ist mehr Platz, die Wahlfrauen und –männer konnten sich auf fünf Etagen verteilen.

    Welche Themen will Steinmeier in seiner zweiten Amtszeit setzen?

    Die Themen und Akzente für seine zweite Amtszeit umriss Frank-Walter Steinmeier in seiner Antrittsrede. Der Politologe Frank Decker sah in dieser Rede einen Ausdruck von thematischer Kontinuität. Dlf-Chefredakteurin Birgit Wentzien hörte „von der Tonlage sehr kräftige Ansagen“, gegen Bedrohungen von innen und von außen.

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    An den Anfang stellte Steinmeier dabei die Außenpolitik. Er warf Russland eine Bedrohung der Ukraine vor, die nicht misszuverstehen sei, und sprach Kremlchef Wladimir Putin direkt an: „Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine. Suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt.“ Steinmeier bekannte sich zu den Bündnisverpflichtungen in der NATO und betonte ausdrücklich, dass Deutschland auch zu anderen Ländern in Osteuropa stehe, die Aggression aus Russland fürchteten.
    Wie erwartet sprach der neue alte Bundespräsident auch ausführlich über die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und über die Stärken der liberalen Demokratie: „Man zeige mir ein autoritäres System, das besser durch diese Krise gekommen wäre.“ Feinden der Demokratie sagte er den Kampf an: „Überparteilich werde ich sein, ja, aber ich bin nicht neutral, wenn es um die Sache der Demokratie geht.“
    Steinmeier kündigte an, den ersten Tag seiner zweiten Amtszeit programmatisch in Ostdeutschland zu verbringen. An den unterlegenen Gegenkandidaten Gerhard Trabert formulierte er ein Gesprächsangebot: Trabert habe aufmerksam gemacht auf die Lage der Ärmsten und Verwundbarsten in diesem Land. Er hoffe, dass dieser Impuls erhalten bleibe, sagte Steinmeier und bot an, darüber im Gespräch zu bleiben.

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    Welche Aufgaben kommen auf Steinmeier zu?

    Steinmeier hatte bereits im Mai vergangenen Jahres angekündigt, für eine zweite Amtszeit anzutreten. Er begründete dies seinerzeit damit, dass sich während der Corona-Pandemie tiefe Gräben in der Gesellschaft aufgetan hätten. „Wir haben uns wundgerieben im Streit um den richtigen Weg. Ich möchte helfen, diese Wunden zu heilen.“
    Für diese Rolle sei Steinmeier gut geeignet, kommentierte die Chefredakteurin des "Weser-Kurier", Silke Hellwig, im Deutschlandfunk. Politische Impulse seien von ihm nicht zu erwarten, die brauche es in der aktuellen Krisenzeit von einem Bundespräsidenten aber auch nicht. Steinmeier sei "der Fels in der Brandung, der der Bevölkerung gut zuredet und ihr zu verstehen gibt: Wir werden einen Weg aus der Pandemie finden, verlassen Sie sich auf uns und bewahren Sie Ruhe."
    Die SPD-Politikerin und Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan wünscht sich von Steinmeier mehr Mut, auch unbequeme Dinge anzusprechen. Bislang stehe er für Sicherheit und Verlässlichkeit und habe stets gute Umfragewerte, weil er nichts Kontroverses von sich gebe. "Er würde überraschen und damit seine Reputation mehren, wenn er die Kontroversen etwas entschiedener anginge", sagte Schwan im Dlf. Als Beispiel nannte sie Deutschlands Rolle in der Welt und die "Zukunftsfrage der Migration". Dieses Thema mieden alle Parteien - Steinmeier habe aber nichts zu verlieren. Das Staatsoberhaupt sei unabhängig von parteipolitischen Interessen und müsse auch auf internationale Herausforderungen einen Akzent legen.
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    Der Bundespräsident ist zwar Staatsoberhaupt, hat aber in Deutschland vor allem repräsentative Funktionen. Der Politologe und Steinmeier-Biograf Sebastian Kohlmann sagte im Dlf (13. Februar), eine der wenigen Debatten, bei der man als Staatsoberhaupt in der Öffentlichkeit Punkte setzen könne, sei die Debatte um die Impfpflicht.

    Was bleibt von Steinmeiers erster Amtszeit?

    In der Rede direkt nach seiner Wahl rief Steinmeier 2017 die Deutschen dazu auf, trotz schwieriger Zeiten anderen Mut zu machen und diesen selbst zu zeigen. „Wir sind Teil einer Welt mit ihren Risiken, und Risiken gibt es auch bei uns“, sagte Steinmeier damals. „Aber: Kaum irgendwo auf der Welt gibt es mehr Chancen als bei uns. Und wer, wenn nicht wir, kann da eigentlich guten Mutes sein?“

    Steinmeier vor seiner ersten Amtszeit:

    Mut machen – das spielte in Steinmeiers erster Amtszeit eine wichtige Rolle. Ein halbes Jahr nach seiner Wahl erlebte seine Partei die SPD ein Debakel bei der Bundestagswahl. Doch weil die Jamaikaverhandlungen zwischen Union, Grünen und FDP scheiterten, ermutigte Steinmeier die Sozialdemokraten zu einer Neuauflage der Großen Koalition. „Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält“, redete Steinmeier der SPD ins Gewissen.
    Der Amtseid des Bundespräsidenten
    „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

    Der Eid kann auch ohne den letzten Satz geleistet werden.
    Die Demokratie zu stärken, wurde zu einem von Steinmeiers zentralen Themen. So stellte er sich beispielsweise schützend vor Kommunalpolitiker, die sich zunehmend Hass und Hetze ausgesetzt sehen. Nach Ausbruch der Corona-Pandemie wandte er sich in Reden, Videobotschaften und einer Fernsehansprache an die Bürger, warb für das Einhalten der staatlichen Gegenmaßnahmen und bat um Geduld. Später appellierte er an sie, sich impfen zu lassen. Steinmeier rief immer wieder dazu auf, die unter Druck geratene liberale Demokratie zu verteidigen – sei es gegen verbale Angriffe in sozialen Netzwerken oder zuletzt durch aggressive Gegner der staatlichen Corona-Politik.
    Dieses Engagement für Zusammenhalt brachte ihm auch breite Unterstützung der Union ein. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nannte Steinmeier am Tag seiner Wiederwahl "eine moralische Institution". Eine zweite Amtszeit sei genau die richtige Entscheidung für diese Zeit, in der es um Versöhnung gesellschaftlicher Lager und ein gemeinsames Nach-vorne-Schauen gehe.
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit einer schwarzen FFP2-Maske
    Steinmeier möchte in seiner zweiten Amtszeit weiter gegen die Spaltung der Gesellschaft arbeiten (picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka)
    Steinmeier hatte nicht nur in der Bundesversammlung eine breite Mehrheit hinter sich, sondern auch in der Bevölkerung. Im ZDF-Politbarometer vom 11. Februar 2022 vertraten 85 Prozent der Befragten die Meinung, Steinmeier mache seine Arbeit als Bundespräsident eher gut. Als eher schlecht sahen 10 Prozent die bisherige Arbeit an.
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    Auch auf seinen Reisen unterstützte Steinmeier gern Staatschefs, die als Reformer die Werte der Demokratie gegen Widerstand im eigenen Land vertraten oder den Anschluss in Richtung Europa suchten. Das galt für die Republik Moldau mit ihrer jungen Präsidentin Maia Sandu oder für den Sudan mit seinem - inzwischen allerdings gescheiterten – Ministerpräsident Abdullah Hamdok.

    Wie lief die Wahl in der Bundesversammlung ab?

    An Steinmeiers Wiederwahl bestand kein Zweifel. Die ihn unterstützenden Parteien SPD, Grüne, FDP und Union stellten in der Bundesversammlung 1223 der insgesamt 1472 Mitglieder. Rechnerisch hätte für eine Wahl im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit von 737 Stimmen ausgereicht.
    Die Bundesversammlung tritt zum ausschließlichen Zweck zusammen, den Bundespräsidentin oder die Bundespräsidentin zu wählen. Darin sitzen alle Bundestagsabgeordneten und zusätzlich ebenso viele Vertreter der Bundesländer. Da es aktuell 736 Bundestagsabgeordnete gibt, schickten die Landesparlamente also auch 736 Vertreter.
    Überwiegend wählen die Landtage Landespolitiker in die Bundesversammlung, meist aber auch Personen der Zivilgesellschaft ohne politisches Mandat. Darunter waren diesmal bekannte öffentliche Figuren wie die Schauspielerin Sibel Kekilli, der Pianist Iigor Levit, der Fußballer Leon Goretzka oder die Infektiologin Marylyn Addo, aber auch ein Fluthelfer, eine Landesschülervertreterin, eine Intensivpflegerin oder eine Friseurin.
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    Jedes Mitglied der Bundesversammlung kann Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten vorschlagen. Kandidaten müssen deutsche Staatsbürger und mindestens 40 Jahre alt sein. Die Wahl findet in bis zu drei Wahlgängen statt. Im ersten und zweiten Wahlgang brauchen Kandidaten die absolute Mehrheit. Im dritten Wahlgang reicht es, die einfache Mehrheit zu erreichen, also der Kandidat mit den meisten Stimmen zu sein.
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    Steinmeiers Vorgänger: die Bundespräsidenten seit 1949
    Theodor Heuss (1949-1959, FDP*)
    Heinrich Lübke (1959-1969, CDU)
    Gustav Heinemann (1969-1974, SPD)
    Walter Scheel (1974-1979, FDP)
    Karl Carstens (1979-1984, CDU)
    Richard von Weizsäcker (1984-1994, CDU)
    Roman Herzog (1994-1999, CDU)
    Johannes Rau (1999-2004, SPD)
    Horst Köhler (2004-2010, CDU)
    Christian Wulff (2010-2012, CDU)
    Joachim Gauck (2012-2017, parteilos)

    Elke Büdenbender will "Richterin und First Lady" sein

    Für sie werde sich die zweite Amtszeit allein deshalb anders gestalten, weil sie wieder als Richterin arbeiten werde, sagte Steinmeiers Ehefrau Elke Büdenbender den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Sie liebe ihren Beruf und habe nun mit 60 noch einmal die Möglichkeit, zurückzugehen ans Berliner Verwaltungsgericht. "Ich fände es auch mir selbst gegenüber falsch, das nicht zu machen", sagte sie. Sie wolle sich aber weiter für junge Menschen und Frauen, für Teilhabe, Gleichberechtigung und Bildungsgerechtigkeit einsetzen. Deshalb "sind mein Mann und ich überzeugt, dass es am besten ist, wenn ich künftig beides sein werde - Richterin und First Lady".
    Büdenbender ist eine von wenigen „First Ladies“ in Deutschland, die ihren Beruf wieder aufnehmen. Die Buchautorin Heike Specht („Ihre Seite der Geschichte. Deutschland und seine First Ladies von 1945 bis heute“) hält das für ein bewusstes Zeichen. Büdenbender sei aus feministischen Kreisen angefeindet worden, weil sie ihre Aufgabe als Richtern während Steinmeiers erster Amtszeit ruhen ließ.
    Quellen: Frank Capellan, Moritz Küpper, dpa, AFP, pto