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Frankfurter Buchmesse
Proteste gegen rechte Verlage

Über den Protest gegen die Präsenz rechter Verlage auf der Frankfurter Buchmesse diskutierten René Aguigah, Leiter des Ressorts Literatur im Deutschlandradio, und die Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo mit Büchermarkt-Moderator Jan Drees.

Von Nora Karches |
Messestand auf der Frankfurter Buchmesse 2021
Messestand auf der Frankfurter Buchmesse 2021 (IMAGO / Manfred Segerer)
Der Protest gegen die Präsenz rechter Verlage auf der Frankfurter Buchmesse zieht weiter Kreise. Als Grund für die Absage ihrer Teilnahme hatte die schwarze Rowohlt-Autorin Jasmina Kuhnke angegeben, dass sie Morddrohungen aus rechtsextremistischen Kreisen erhalten habe. Zahlreiche weitere Autorinnen und Autoren haben sich mit ihr solidarisiert. Unter ihnen Ciani-Sophia Hoeder, Evein Obulor, Annabelle Mandeng, Nikeata Thompson, Till Raether, der Menschenrechts-Aktivist Raul Krauthausen und der Influencer Riccardo Simonetti.
In einer gemeinsamen Erklärung der Buchmesse und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels hieß es zum Protest und zur Absage der Autorinnen und Autoren: "Ihre Stimmen gegen Rassismus und ihr Eintreten für Diversität werden auf der Frankfurter Buchmesse fehlen." Die Messe sieht sich grundsätzlich in ihrem Selbstverständnis der Meinungsfreiheit verpflichtet.
Ist die Buchmesse, wie der Autor Per Leo ("Mit Rechten reden") im Deutschlandfunk in der Sendung "Kultur Heute" erklärte, eine Infrastruktur, in der letztlich das Gesetz die Grenzen setzt? Oder ein Diskussionspodium, wo eigene Kriterien erhoben werden können, nach denen entschieden wird, wer teilnehmen darf und wer nicht? Und wie ist zu bewerten, dass der Boykott-Aufruf der Autorinnen und Autoren einem bisher unbekannten Kleinverlag unfreiwillig zu Aufmerksamkeit verholfen hat?
Über diese Fragen und den seit Jahren andauernden Streit um die Teilnahme von rechten Verlagen an den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig haben René Aguigah, der Leiter des Ressorts Literatur im Deutschlandfunk, und die schwarze Autorin Sharon Dodua Otoo diskutiert.

"Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist"

Otoo unterstützt den Boykott von Jasmina Kuhnke. Sie sagt: "Wenn wir die Meinungsfreiheit von Rechten schützen wollen, dann gefährden wir die Möglichkeit, dass Menschen, die von Rechtsextremen bedroht werden, ihre Meinungsfreiheit äußern können. Das bedeutet in diesem Fall, dass Schwarze Frauen wegbleiben. ‚Wir bieten nur die Plätze an und alle, die kommen wollen, können kommen‘, das ist, wenn es um Faschismus geht, zu wenig. Wenn wir uns in einer solchen Situation neutral verhalten, dann stärkt das den Faschisten. Es gibt ein Zitat von Erich Kästner: ‚Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist‘. Irgendwann ist es zu spät, um Stellung zu beziehen. Die Frankfurter Buchmesse ist ein privater Betreiber. Sie hat das Hausrecht und kann sagen, gewisse Sachen sollen hier nicht verbreitet werden. "
Auch René Aguigah nimmt die Bedrohungslage, in der sich die schwarze Autorin Jasmina Kuhnke befindet, ernst. "Wie sehr die Autorin und ihre Familie terrorisiert worden sind, sodass sie sich gezwungen sah, umzuziehen und dass es ihr nach den Recherchen des Spiegels nicht einfach gewesen ist, Unterstützung durch Polizei und andere Behörden zu bekommen, ist der eigentliche Skandal. Das ist der Anlass dafür, dass wir hier reden. Dieser Skandal dauert an, auch außerhalb der Buchmessen. Auf dieser Ebene ist für mich nichts Anderes denkbar als Solidarität. Noch ist der Messestand des Jungeuropa Verlags unscheinbar. Das ist kein Vergleich zu der Aufregung, die in den Massenmedien und auf Social Media derzeit wahrzunehmen ist."
* Die Autorin Sharon Dodua Otoo hat den Karin Kramer Verlag in der Audiofassung dieses Beitrags als rechten Verlag bezeichnet. Diese nicht zutreffende Aussage wurde im Audio korrigiert.