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Frankfurter Flughafen
Abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben

Die deutschen Behörden haben vom Frankfurter Flughafen aus 34 abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan in ihre Heimat abgeschoben. Etwa ein Drittel des Landes wird von den radikalislamischen Taliban beherrscht. Deshalb waren die Proteste gegen die Maßnahme groß. In NRW ist die rot-grüne Koalition uneins.

    An der ersten Sammelabschiebung nach Afghanistan beteiligten sich nach Angaben des bayerischen Innenministers Herrmann neben Bayern auch Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Hamburg und das Saarland.
    An der ersten Sammelabschiebung nach Afghanistan beteiligten sich nach Angaben des bayerischen Innenministers Herrmann neben Bayern auch Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Hamburg und das Saarland. (dpa)
    Erstmals sind 34 abgelehnte afghanische Asylbewerber per Sammelabschiebung aus Deutschland Richtung Kabul geflogen worden.
    "Darunter befanden sich auch acht Afghanen aus Bayern", erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in einer Mitteilung am Mittwochabend. Er kündigte weitere Abschiebungen auch nach Afghanistan an und widersprach Kritik daran. Die Menschen wurden vom Frankfurter Flughafen ausgeflogen.
    Herrmann sagte, Bedrohungen durch radikale Kräfte gebe es in vielen Teilen der Welt. In Afghanistan sorgten aber lokale Sicherheitskräfte mit Unterstützung deutscher Bundeswehrsoldaten und Polizisten für die Sicherheit der dort lebenden Menschen und für eine weitere Stabilisierung des Landes. "Das rechtfertigt auch eine Rückführung abgelehnter Asylbewerber in gesicherte afghanische Provinzen", betonte Herrmann. Das hätten das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium übereinstimmend festgestellt.
    Herrmann: sechs Bundesländer beteiligt
    An der ersten Sammelabschiebung beteiligten sich nach Herrmanns Angaben neben Bayern auch Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Hamburg und das Saarland.
    Ein Sprecher des afghanischen Flüchtlingsministeriums sagte Unterstützung zu, sollten sie bei der Rückkehr in ihre Heimatprovinzen Hilfe benötigen. Der Flug soll Medienberichten zufolge der Anfang einer ganzen Reihe solcher Rückführungen sein. Für den Januar ist offenbar die nächste Maschine gechartert.
    Die Abschiebung sorgte für Proteste bei Opposition und Nichtregierungsorganisationen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von einem "unbarmherzigen Spiel" von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Die Ärzteorganisation IPPNW hält die Maßnahme für unvereinbar mit der Achtung der Menschenrechte.
    Am frühen Abend fand am Frankfurter Flughafen eine Protestkundgebung statt. In Sprechchören forderte die Menge: "Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord, Bleiberecht für alle, jetzt sofort." Unter den Demonstranten befanden sich einige Linken-Politiker, darunter die Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag, Janine Wissler.
    Bundesverfassungsgericht stoppt Abschiebung eines Afghanen
    Das Bundesverfassungsgericht hatte heute entschieden, dass ein Mann aus Afghanistan nicht Teil der Abschiebung sein darf. Das Gericht gab dem Antrag des 29-Jährigen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt, weil ihm sonst die Möglichkeit weitgehend verwehrt wäre, den von ihm gestellten Asylfolgeantrag weiterzuverfolgen. "Dabei hat die Kammer die Frage, ob angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan Abschiebungen derzeit verfassungsrechtlich vertretbar sind, ausdrücklich offen gelassen", hieß es in einer Pressemitteilung.
    Offizielle Informationen zu den Abschiebungen gab es nicht. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, dass derartige Maßnahmen grundsätzlich nicht nicht im Vorfeld kommentiert würden. Via Twitter kündigte das Bundesinnenministerium aber eine Stellungnahme an.
    Afghanistans Sicherheit ist umstritten
    Abschiebungen nach Afghanistan sind umstritten, weil es in weiten Teilen des Landes Kämpfe zwischen Regierungstruppen und radikalislamischen Talibanrebellen gibt. Die Bundesregierung erachtet einige Gebiete trotzdem als sicher und hält Rückführungen daher auch für vertretbar. Ähnlich äußerte sich die Internationale Organisation für Migration (IOM). Deren Direktor William Lacy Swing sagte der Zeitung "Die Welt": "Die IOM führt alle paar Tage freiwillige Ausreisen aus Deutschland nach Afghanistan durch, weil es in einigen Regionen ausreichend sicher ist." Jeder Fall werde aber geprüft.
    Grünen-Chefin Simone Peter nannte es "heuchlerisch, dass das Bundesaußenministerium vor Reisen in das von Krieg und Terror geschüttelte Land warnt und das Nato-Mandat der Bundeswehr morgen verlängert werden soll, aber Flüchtlinge gegen ihren Willen dorthin zurückgeschickt werden". Das Auswärtige Amt schreibt in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen für Afghanistan ausdrücklich: "Vor Reisen nach Afghanistan wird dringend gewarnt. In ganz Afghanistan besteht ein hohes Risiko, Opfer einer Entführung oder eines Gewaltverbrechens zu werden. Landesweit kann es zu Attentaten, Überfällen, Entführungen und andere Gewaltverbrechen kommen."
    Demo gegen Abschiebungen nach Afghanistan am Frankfurter Flughafen am 14. Dezember 2016. Zahlreiche Menschen halten Protestschilder in der Hand.
    Hunderte Menschen demonstrierten gegen die Abschiebungen. (AFP / Daniel Roland)
    Pro Asyl appellierte an die Grünen in Landesregierungen, Sammelabschiebungen von nicht als Asylbewerber anerkannten Afghanen zu verhindern. "Einfach Menschen nach Kabul fliegen, ausladen und sie ihrem ungewissen Schicksal überlassen, ist verantwortungslos", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich dagegen an der geplanten Abschiebung erfreut. "Und ich hoffe, dass es keine einmalige Aktion ist", sagte er in der ARD-Sondersendung "Farbe bekennen", die am Mittwochnachmittag aufgezeichnet wurde.
    Säulendiagramm: Zahl der Abschiebungen aus Deutschland, 2000 bis Oktober 2016
    Streit um Abschiebungen in NRW
    In NRW streitet die rot-grüne Landesregierung über die Maßnahme. Aus Protest gegen die Abschiebungen gibt Monika Düker ihr Amt als Flüchtlingssprecherin der Grünen auf. Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) beteiligt sich an der Abschiebung, zehn abgelehnte Asylbewerber aus NRW sollen unter den 50 Menschen sein. "In meiner Funktion als flüchtlingspolitische Sprecherin meiner Fraktion kann ich diese Entscheidung der Landesregierung nicht mittragen. Ich gebe diese Sprecherfunktion mit sofortiger Wirkung ab", sagte Düker der "Rheinischen Post".
    Die stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann schrieb auf Twitter, dass die Grünen in das Vorgehen von Innenminister Jäger nicht eingebunden gewesen seien. Die von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) geführte Koalition wirkt belastet, im Mai 2017 finden in NRW Landtagswahlen statt.
    (nch/fwa)