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Frankreich
Die Identitäre Bewegung: jung, vernetzt, rechts

Tausende Likes hat die Facebook-Seite der sogenannten Identitären Generation, die in bunter, greller, poppiger Verpackung ausländerfeindliche Propaganda verbreitet. Offiziell unterstützen sie keine Partei, doch die meisten setzten ihre Hoffnung auf den Front National.

Von Christine Heckmann |
    "Génération identitaire - identitäre Generation" skandieren rund 70 junge Demonstranten. Die schwarz-gelb gekleideten Aktivisten besetzen im Oktober 2012 das Dach einer Moschee im westfranzösischen Poitiers. "Gallier wach auf, Du bist hier zu Haus!" ist einer ihrer Slogans.
    "Das Problem ist die Einwanderung und ihre Folge: die Islamisierung unseres Landes. Dazu konnten sich die Franzosen bislang nicht äußern. Wir denken, dass die Zeit reif ist für ein Referendum zu diesem Thema."
    Der 30-Jährige Damien Rieu ist einer der Anführer der Identitären Generation, der 2012 gegründeten Jugendbewegung des Identitären Blocks. Seit der Moschee-Besetzung ist Rieu im Visier der Justiz. Die "Identitäre Generation" setzt ihre Aktionen trotzdem fort.
    Mit Schweinsmasken stürmen sie eine Fast-Food-Kette, die Halal-Burger verkauft. Sie besetzen die Parteizentralen von Sozialisten und Konservativen, um gegen die Homo-Ehe zu protestieren. Diese Flashmobs werden gefilmt, mit Techno-Musik unterlegt und im Internet über Youtube und soziale Netzwerke verbreitet.
    "Das sind minoritäre Splittergruppen, die vor allem im Internet agieren", erklärt Politikwissenschaftler Dominique Reynié. "Und sie rufen dort auch Reaktionen hervor, die ihre eigentliche, wahre Bedeutung übersteigt."
    "Wir sind die Identitäre Generation" heißt es in einem Clip - "Wir gehören zu der Generation die stirbt, wenn sie jemanden falsch anschaut, jemandem eine Zigarette verweigert." Man muss genau hinhören um zu verstehen: Jemand ist Ausländer. Und er wird als Bedrohung für Franzosen dargestellt. Und als Lösung preisen die Identitären "Remigration" an, übersetzt "Rauswanderung".
    "Rauswanderung heißt, dass ein Großteil der Einwanderer und ihrer Nachfahren zurück in ihre Heimat geschickt wird. Wir stellen uns eine pazifistische, politisch organisierte Rauswanderung vor, von der wir denken, dass sie für uns aber auch für die Einwanderer, die sich auf unserem Boden nicht wohl fühlen, die beste Lösung ist. Lasst uns deshalb diese "Große Rückkehr" organisieren."
    "Bestimmte Gruppen schreiten zur Tat"
    Philippe Vardon, gerade erst 34, nennt sich "großer Bruder". Er ist ein Identitärer der ersten Stunde. Der Südfranzose hat den Identitären Block 2003 mitgegründet. In seiner Heimatstadt Nizza sorgt Vardon mit der Untergruppe "Nissa Rebella" regelmäßig wegen ausländerfeindlichen Aktionen für Schlagzeilen. Der Politikwissenschaftler Dominique Reynié stellt eine zunehmende Radikalisierung solcher rechten Gruppen fest.
    "Alleine in der ersten Jahreshälfte sind die antesemitischen Gewalttaten in Frankreich um 91 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Das zeigt, dass bestimmte Gruppen zur Tat schreiten. Man darf es nicht dramatisieren, es handelt sich um eine Randgruppe. Aber innerhalb dieser Randgruppe ist die Entwicklung dramatisch."
    Mehr als 5.000 "Likes" hat die Facebook-Seite der Identitären Generation, die in bunter, greller, poppiger Verpackung ausländerfeindliche Propaganda verbreitet. Und junge Menschen damit begeistern will. Doch von Fremdenhass und Rassismus will Philippe Vardon, der große Bruder, nichts wissen.
    "Wir drücken das aus, was die französische Gesellschaft heute bewegt. Sie wollen doch nicht die französische Gesellschaft beleidigen? Wir erkennen uns nicht in diesen Begriffen. Wir sind was wir sind: Identitäre, fest verwurzelt, alternative Patrioten, europakritisch. Und wir glauben dass französischstämmige Menschen, man kann sie Weiße nennen, wenn man das schnell zusammen fassen möchte, sich in diesem Land noch äußern dürfen."
    Offiziell unterstützen die Identitären keine Partei. Doch die meisten setzten ihre Hoffnung in den FN, den Front National. Marine Le Pen, der es gelungen ist, ihre Partei gesellschaftsfähig zu machen, will die radikalen Identitären auf Distanz halten. Doch die machen Lobby-Arbeit, wollen mitreden. Mit Erfolg: Damien Rieu, der Moschee-Besetzer aus Poitiers, macht jetzt PR-Arbeit für einen südfranzösischen FN-Bürgermeister - und das obwohl gegen Rieu ermittelt wird.