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Frankreich
Diskussion um Hijabs für Läuferinnen

Eine französische Sportartikel-Kette will Hijabs für Joggerinnen anbieten. Etwas Ähnliches gibt es zwar schon von einer amerikanischen Firma, aber dass nun eine französische Marke eine solche Kopfbedeckung auf den Markt bringt, gilt als Affront gegen die Laizität und die Rechte der Frau.

Von Suzanne Krause |
Palästinensische Läuferin mit Kopftuch bei den Olympischen Spielen in London 2012
Einige sehen durch Hijabs für Läuferinnen die Trennung von Kirche und Staat in Frankreich bedroht (imago sportfotodienst)
In ihrem jüngsten Werbeclip zeigt die französische Sportartikel-Kette Decathlon mutige Sport-Neulinge. Darunter eine Frau, die an ihrem Badeanzug herum zupft, um ihre Rundungen zu kaschieren, dann aber doch entschlossen ins Schwimmbecken springt. Oder einen Rentner, der erstmals zum Basketball-Training kommt – im Team sind lauter junge Männer. Die Botschaft des Videoclips: "Haben Sie Vertrauen in sich – Haben Sie Vertrauen in den Sport!"
Wie schwierig es ist, einen neuen Schritt zu tun, erfährt der Sportartikel-Hersteller gerade selbst. Er hat etwas Neues im Sortiment: einen Jogging-tauglichen Hijab. Die Kopfbedeckung lässt das Gesichts-Oval frei und ist gedacht für Musliminnen, die Laufsport betreiben wollen, ohne mit traditionellen Bekleidungsregeln zu brechen. Im Online-Katalog bewirbt das Unternehmen den "Hijab für Läuferinnen" wie folgt:
"Dieses Kleidungsstück aus Polyester bietet Frauen, die es anlegen möchten, mehr Komfort bei der Ausübung ihres Sports."
"Komfortabel und atmungsaktiv"
Bei der Entwicklung dieser Kopfbedeckung standen Mitarbeiter aus Decathlon-Läden in Marokko Pate. Dort wurde er auch schon mehrfach getestet, heißt es im Online-Katalog des Herstellers:
"Von 20 Frauen, die sonst mit dem traditionellen Gesichtsschleier laufen gehen; unser Sportmodell gilt als komfortabler und atmungsaktiver."
Um eine Premiere handelt es sich keinesfalls: Ein bekanntes amerikanisches Sportartikel-Unternehmen hat ein ähnliches Modell seit Jahren im Sortiment. Doch als nun in Frankreich publik wurde, dass die französische Firma Decathlon ihren "Hijab für Läuferinnen" nicht nur in Marokko, sondern auch im eigenen Land vertreiben wolle, brach ein Proteststurm los. Eine der ersten Reaktionen kam von Gérard Larcher, Präsident der Abgeordneten-Gruppe der konservativen Partei Les Républicains im Senat.
"Aus allem Geld schlagen zu wollen, entspricht nicht meiner Ethik. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der Männer und Frauen als völlig gleichberechtigt gelten."
"Sexuelle Apartheid"
Annie Sugier ist Feministin. Mit ihrer "Liga für das internationale Frauenrecht" kämpft sie seit Jahrzehnten speziell gegen die Diskriminierung von Sportlerinnen bei den Olympischen Spielen. In einem Presse-Communique ihres Vereins schreibt Sugier, Decathlon benehme sich wie:
"Ein Fürsprecher der sexuellen Apartheid."
"Ich bin überaus schockiert über den Sportlerinnen-Hijab, denn: Der Sport untersteht Regeln. Insbesondere solchen, die Respekt vor der politischen und religiösen Neutralität vorschreiben."
Roxana Maracineanu denkt anders. Bei Schwimmwettkämpfen holte sie international Medaillen, nun ist sie Frankreichs Sportministerin. Ihr Leitmotiv:
"Sport für alle".
Sport als Hebel der Emanzipation?
Ein Motto, das sie in einem Tweet zur 'Decathlon-Affäre' bekräftigte.
"Ich möchte alle Frauen, Mütter, junge Mädchen, überall dort abholen, wo sie sind und egal, wie sie sind. Sie ermutigen, Sport zu treiben. Denn der Sport ist und davon bin ich überzeugt, ein machtvoller Hebel der Emanzipation."
Mit dieser Haltung steht die Sportministerin in Frankreich derzeit ziemlich allein auf weiter Flur. Für Zineb El Rhazoui ist der Hijab für den Laufsport ein rotes Tuch. Die Muslimin, eine Franko-Marokkanerin, arbeitete lange Jahre für das Satiremagazin "Charlie Hebdo", in dessen Redaktion islamistische Terroristen im Januar 2015 ein blutiges Attentat verübten. Im TV-Infosender BFM erklärte nun Zineb El Rhazoui, was sie davon halte, dass Decathlon einen Sportlerinnen-Hijab anbieten wolle: nichts.
"Wenn Decathlon auf dieses Marktsegment setzt, schadet das Unternehmen vehement dem Kampf der Iranerinnen, die sich seit einiger Zeit unter Lebensgefahr gegen die Schleier-Pflicht auflehnen. Auch die Algerierinnen haben kürzlich eine Aktion gestartet, um sich vom Schleier zu befreien."
Der Moderator fragt, was El Rhazoui einer Muslimin empfehle, die verschleiert Sport betreiben wolle.
Die Antwort: "Dann soll sie sich halt in einem Laden mit religiösen Artikeln einen Sportschleier besorgen. Dass aber Decathlon, eine französische Ladenkette, ein Modell anbietet, führt zur Normalisierung religiös und politisch bedingter Forderungen im Sport."
Frage des Laizitäts-Prinzips
Gegen französische Gesetze verstößt das Schleier-Modell für den Sport nicht. Verboten sind lediglich Kopftuch und Schleier für Schülerinnen im Klassenzimmer und auf dem Pausenhof, für Angestellte des öffentlichen Diensts am Arbeitsplatz sowie die Burka-Vollverschleierung im öffentlichen Raum. Doch der Fall des Sport-Hijabs verdeutlicht, wie sehr in Frankreich seit einigen Jahren um das laizistische Prinzip gerungen wird, das 1905 im Gesetz zur strikten Trennung von Kirche und Staat festgeschrieben wurde. Immer unversöhnlicher stehen sich da zwei Strömungen gegenüber: Die einen sind für eine liberale Auslegung des Laizitäts-Prinzips. Und dagegen, das Recht auf freie Religionsausübung gesetzlich einzuengen. Genau das aber verlangen die Verfechter einer restriktiven Auslegung des Laizitäts-Prinzips, erklärt Religionssoziologe Philippe Portier:
"Im Mittelpunkt steht hier, dass zwar natürlich die Religion weiterhin respektiert werden müsse, aber vom Staat überwacht werden solle. Es geht darum, die sichtbare Religion, die Zurschaustellung einer Religionszugehörigkeit, aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Und diese restriktive Auslegung findet in der französischen Gesellschaft immer mehr Zulauf."
Rückzieher des Sportartikel-Herstellers
Zusätzlichen Auftrieb findet diese Strömung seit dem Aufkommen der sozialen Protestbewegung der sogenannten Gelbwesten: Hier tummeln sich auch viele, die Muslime und "den Islam" zum Feind erkoren hat. Die Gelbwesten-Aktionen bieten ihnen Gelegenheit, ihre Behauptung, Frankreich, Europa werde vom Islam überrannt, verstärkt unters Volk zu bringen.
Als publik wurde, dass eine französische Sportartikelfirma die Kopfbedeckung für muslimische Sportlerinnen in Frankreich zugänglich machen wolle, wurden in manchen Läden der Kette die Mitarbeiter von Kunden drangsaliert - angepöbelt, angerempelt. Um die aufgeheizte Stimmung zu befrieden, verkündete Unternehmenssprecher Xavier Rivoire im Radio:
"Diese einer Sportart angepasste Kopfbedeckung wird bis auf weiteres nicht in Frankreich angeboten werden. Wir möchten uns aus jeder Polemik heraushalten."
Der Satiriker Guillaume Meurice setzt in seiner Kolumne beim öffentlichen Radiosender France Inter auf beißenden Humor.
"Natürlich ist das Risiko groß, dass für Jogger bald arabische Pantoffel angeboten werden. Und danach droht das Palästinensertuch beim Badminton. Wir müssen wachsam bleiben!"