Im Grand Palais beginnt die französische Nolde-Entdeckung mit den "Bergriesen". Vier monumentale Gestalten an einem Tisch vor rötlich-gelbem Himmel: vier groteske Fratzen, Trolle vielleicht oder Räuber aus einem Märchen. Dicht gedrängt hocken die Kerle zusammen, so gross und so nah gemalt, dass wer immer das Bild anschaut irgendwie mit am Tisch sitzt bei den fürchterlichen Bergriesen. Noldes erstes Ölbild - gemalt 1895 - zeige bereits "fast den ganzen Nolde", meint Sylvain Amic:
"Hier sieht man schon sein Interesse an übernatürlichen Wunderdingen und Geschichten, an der Welt der Märchen und Legenden, die Bedeutung der Natur für ihn - eine Natur, die jederzeit von Geistern belebt sein kann. Aber auch bildnerisch ist schon alles da: die Monumentalität der Figuren, die Direktheit, die lebhaften Farben. Das findet man später alles wieder, in den religiösen Gemälden, den Wunderbildern den Genrebildern. "
An die 160 Werke - Gemälde, Aquarelle, aber auch Holzschnitte, Radierungen und Zeichnungen sind für diese erste Nolde-Retrospektive nach Frankreich gereist - aus der Sammlung der Nolde-Stiftung in Seebüll und Museen in aller Welt. Denn in Frankreich gibt es nur ein einziges Bild von Nolde - in der Sammlung des Museums für Moderne Kunst. Ein Bild, das erst spät angekauft wurde, in den 1950er Jahren, als Nolde starb. Nolde und der deutsche Expressionismus wurden in Frankreich lange verkannt, bedauert Kurator Sylvain Amric:
"Der deutsche Expressionismus wurde als Fortsetzung des französischen Fauvismus gesehen. Und das, obwohl doch die fauvistischen Maler neben Nolde zahme Kätzchen waren. Die expressive Farbkraft von Nolde und anderen Expressionisten geht viel weiter. Da steckt viel mehr Gewalt drin. Deutschland und Frankreich verstanden sich nicht. Und Frankreich fühlte sich in der Kunst überlegen, allmächtig - man schaute die deutsche Malerei dieser Zeit kaum an."
In Deutschland wiederum war das Verhältnis zur französischen Kunst zwiespältig. Es gab Ausstellungen französischer Malerei, deutsche Museen kaufen Werke von Monet, Manet oder Van Gogh. Was allerdings zu heftigen, nationalistisch gefärbten Protesten führt: "Die Herabwürdigung der deutschen Kunst durch die Parteigänger der französischen Impressionisten." so tauften wütende Künstler und Bürger das Bild um, dass die Manheimer Kunsthalle 1910 ankaufte - Manets "Erschiessung Kaiser Maximilians von Mexiko". Mehr als hundert Künstler unterschrieben einen "Protest deutscher Künstler" gegen die Hegemonie der französischen Kunst.
Emil Nolde unterschrieb nicht. Denn er bewunderte die Künstler, die da angegriffen wurden - Van Gogh, Gaugin, Matisse. Doch nationalistisch war auch Nolde, gerade er. Er sah sich als Vorreiter einer neuen deutschen Malerei, verwurzelt in der Tradition von Cranach, Dürer oder Grünewald. Der Nationalsozialist Joseph Goebbels verehrte Nolde - lieh sich sogar Aquarelle von ihm aus der Nationalgalerie für seine Wohnung aus. Und auch Nolde war Nationalsozialist, trat 1934 in die deutsche NS-Organisation in Dänemark ein. Und wurde dann doch ein exponiertes Opfer der Nationalsozialisten. Es ist besonders diese Opferrolle Noldes, die in Paris jetzt im Vordergrund steht.
"Les splendeurs d'un dégénéré" - "Die Herrlichkeit eines 'Entarteten'" - so überschreibt der Figaro einen Artikel zur Nolde-Schau im Grand Palais. Und ganz ähnlich preist der französische Staatspräident Nicolas Sarkozy in seinem Vorwort zum Ausstellungskatalog, die "aussergewöhnliche Retrospektive eines grossen Malers, dessen Werk fast der totalitären Barbarei zum Opfer gefallen wäre".
Die Ausstellung zeigt neun der 30 Nolde-Bilder, die 1937 in der Ausstellung "Entartete Kunst" zu sehen waren und auch eine kleine Auswahl der sogenannten "ungemalten Bilder", die Nolde heimlich malte, nachdem die Nazis ihn mit Malverbot bestraft hatten.
Noldes anfängliche Nähe zum NS-Regime allerdings wird relativiert. Kurator Sylvain Amric:
"Er schaffte es nicht, gegen den Strom zu schwimmen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Nolde 1937 70 Jahre alt ist, und dass er vor allem eines will: sein werk und seine arbeit zu bewahren. Dafür ist ihm jeder Kompromiss recht, was nicht besonders ruhmvoll ist. Aber es entspricht der etwas eigentümlich hochmütigen Persönlichkeit Noldes, dem die politschen und sozialen Fragen seiner Zeit eher gleichgültig sind."
Es erstaunt ein bisschen, wie sehr die Pariser Ausstellung bemüht ist, möglichst kein schlechtes Licht auf den grossen deutschen Expressionisten fallen zu lassen. Wenn auf Begleittafeln etwa zu lesen ist, Noldes Haltung in der Vorkriegszeit sei als "delikat" einzuschätzen. Ein kurioser Bruch in dieser ansonsten sehr klar und pädagogisch organisierten ersten Nolde-Ausstellung in Frankreich - als ob man sich noch immer nicht traute, sich diesem widersprüchlichen Künstler so richtig anzunähern. Als ob Nolde selbst einer seiner wunderlichen Bergriesen wäre.
"Hier sieht man schon sein Interesse an übernatürlichen Wunderdingen und Geschichten, an der Welt der Märchen und Legenden, die Bedeutung der Natur für ihn - eine Natur, die jederzeit von Geistern belebt sein kann. Aber auch bildnerisch ist schon alles da: die Monumentalität der Figuren, die Direktheit, die lebhaften Farben. Das findet man später alles wieder, in den religiösen Gemälden, den Wunderbildern den Genrebildern. "
An die 160 Werke - Gemälde, Aquarelle, aber auch Holzschnitte, Radierungen und Zeichnungen sind für diese erste Nolde-Retrospektive nach Frankreich gereist - aus der Sammlung der Nolde-Stiftung in Seebüll und Museen in aller Welt. Denn in Frankreich gibt es nur ein einziges Bild von Nolde - in der Sammlung des Museums für Moderne Kunst. Ein Bild, das erst spät angekauft wurde, in den 1950er Jahren, als Nolde starb. Nolde und der deutsche Expressionismus wurden in Frankreich lange verkannt, bedauert Kurator Sylvain Amric:
"Der deutsche Expressionismus wurde als Fortsetzung des französischen Fauvismus gesehen. Und das, obwohl doch die fauvistischen Maler neben Nolde zahme Kätzchen waren. Die expressive Farbkraft von Nolde und anderen Expressionisten geht viel weiter. Da steckt viel mehr Gewalt drin. Deutschland und Frankreich verstanden sich nicht. Und Frankreich fühlte sich in der Kunst überlegen, allmächtig - man schaute die deutsche Malerei dieser Zeit kaum an."
In Deutschland wiederum war das Verhältnis zur französischen Kunst zwiespältig. Es gab Ausstellungen französischer Malerei, deutsche Museen kaufen Werke von Monet, Manet oder Van Gogh. Was allerdings zu heftigen, nationalistisch gefärbten Protesten führt: "Die Herabwürdigung der deutschen Kunst durch die Parteigänger der französischen Impressionisten." so tauften wütende Künstler und Bürger das Bild um, dass die Manheimer Kunsthalle 1910 ankaufte - Manets "Erschiessung Kaiser Maximilians von Mexiko". Mehr als hundert Künstler unterschrieben einen "Protest deutscher Künstler" gegen die Hegemonie der französischen Kunst.
Emil Nolde unterschrieb nicht. Denn er bewunderte die Künstler, die da angegriffen wurden - Van Gogh, Gaugin, Matisse. Doch nationalistisch war auch Nolde, gerade er. Er sah sich als Vorreiter einer neuen deutschen Malerei, verwurzelt in der Tradition von Cranach, Dürer oder Grünewald. Der Nationalsozialist Joseph Goebbels verehrte Nolde - lieh sich sogar Aquarelle von ihm aus der Nationalgalerie für seine Wohnung aus. Und auch Nolde war Nationalsozialist, trat 1934 in die deutsche NS-Organisation in Dänemark ein. Und wurde dann doch ein exponiertes Opfer der Nationalsozialisten. Es ist besonders diese Opferrolle Noldes, die in Paris jetzt im Vordergrund steht.
"Les splendeurs d'un dégénéré" - "Die Herrlichkeit eines 'Entarteten'" - so überschreibt der Figaro einen Artikel zur Nolde-Schau im Grand Palais. Und ganz ähnlich preist der französische Staatspräident Nicolas Sarkozy in seinem Vorwort zum Ausstellungskatalog, die "aussergewöhnliche Retrospektive eines grossen Malers, dessen Werk fast der totalitären Barbarei zum Opfer gefallen wäre".
Die Ausstellung zeigt neun der 30 Nolde-Bilder, die 1937 in der Ausstellung "Entartete Kunst" zu sehen waren und auch eine kleine Auswahl der sogenannten "ungemalten Bilder", die Nolde heimlich malte, nachdem die Nazis ihn mit Malverbot bestraft hatten.
Noldes anfängliche Nähe zum NS-Regime allerdings wird relativiert. Kurator Sylvain Amric:
"Er schaffte es nicht, gegen den Strom zu schwimmen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Nolde 1937 70 Jahre alt ist, und dass er vor allem eines will: sein werk und seine arbeit zu bewahren. Dafür ist ihm jeder Kompromiss recht, was nicht besonders ruhmvoll ist. Aber es entspricht der etwas eigentümlich hochmütigen Persönlichkeit Noldes, dem die politschen und sozialen Fragen seiner Zeit eher gleichgültig sind."
Es erstaunt ein bisschen, wie sehr die Pariser Ausstellung bemüht ist, möglichst kein schlechtes Licht auf den grossen deutschen Expressionisten fallen zu lassen. Wenn auf Begleittafeln etwa zu lesen ist, Noldes Haltung in der Vorkriegszeit sei als "delikat" einzuschätzen. Ein kurioser Bruch in dieser ansonsten sehr klar und pädagogisch organisierten ersten Nolde-Ausstellung in Frankreich - als ob man sich noch immer nicht traute, sich diesem widersprüchlichen Künstler so richtig anzunähern. Als ob Nolde selbst einer seiner wunderlichen Bergriesen wäre.