Der Januar ist der Monat der politischen Neujahrswünsche. Der Staatspräsident steht unter besonderer Beobachtung. Seine Kommunikationsstrategie wurde gerade geändert, er will durchs Land fahren, ohne all zu viele Kameras im Nacken, will den Menschen nahe sein, nicht den Journalisten. Auch inhaltlich hat François Hollande andere Töne angeschlagen. Beinah "sozial-liberal" klang, was er den Franzosen zu Neujahr mit auf den Weg gab.
Während der Sozialist an Profil und Programm feilt, während die konservative Oppositionspartei UMP noch nicht recht weiß, wie sie auf das eine oder das andere reagieren soll, ist von Unsicherheit in der Zentrale des extremen Front National, in einem Vorort von Paris, nichts zu spüren.
Marine le Pen verteilt selbstbewusst ihre Neujahrswünsche an die Presse . "Schön"“, sagt sie zum Auftakt, "dass wir inzwischen in allen feierlichen Erklärungen des Präsidenten vorkommen."
Im gewohnten Schwung ihrer Sprache sagt die blonde Frau am Rednerpult:
"François Hollande hat genau verstanden, dass die 'Front National' sein Hauptgegner ist."
"Die Wurzel allen Übels ist die Europäische Union"
An der Seite des Saals sitzen die anderen Parteigrößen, viele Männer in dunklen Anzügen.
"Mit seiner neuen Kommunikationsstrategie überdeckt François Hollande seine Schwächen, seine Machtlosigkeit, die Tatsache, dass er keine andere Politik macht als sein konservativer Vorgänger. Wir werden mehr denn je die Partei des wahren Lebens sein."
Kündigt sie an und zählt all die Städte auf, die sie in den nächsten Wochen und Monaten bereisen will. Im Gepäck ihre tief sitzende und weitreichende Europa-Kritik:
"Die Wurzel allen Übels ist die Europäische Union", erklärt Le Pen auch an diesem Morgen. "Gegen EU, für die Kooperation freier Nationen."
Und "frei" heißt für Marine Le Pen "frei von deutschem Diktat", hinter dem amerikanischer Imperialismus stecke.
Den "Front National" dauerhaft verankern
"Wir werden auch weiter den europäischen 'Austeritätsvertrag' anprangern, den Frau Merkel in Europa zum Nutzen ihres eigenen Landes und zur Verteidigung des Euro um jeden Preis durchsetzen will."
Die Chefin des Front National entscheidet sich zum Auftakt des Wahljahres 2014 für klare antideutsche Töne und füllt damit eine Lücke, nachdem es von links außen in Frankreich um die Merkel-Schelte zuletzt und nach der Vereidigung der Großen Koalition merklich leiser geworden war.
"Freiheit im Netz" ruft Marine Le Pen für dieses Wahljahr noch aus und streift sich das Gewand der Internet-Aktivistin über, verspricht, die illegalen "Roma-Lager" überall im Land zum Wahlkampfthema zu machen und rechnet schließlich vor, wohin der Weg ihrer Partei mit diesem Jahr führen soll: Fuß fassen in bis zu 1000 Gemeinden bei den Kommunalwahlen im März, dann, im Mai, Spitzenplatz bei den Europawahlen, anschließend punkten bei den Senats- und Regionalwahlen. Um schließlich das zu erreichen, was ihrem nach wie vor offen extremistisch argumentierenden Vater und Parteigründer noch nicht gelungen war: Den "Front National" dauerhaft und auf breiter Basis zu verankern in der politischen Landschaft Frankreichs.
Als Marine Le Pen die Presse schließlich zum traditionellen Umtrunk einlädt, bleibt die eine Hälfte der großen Journalisten-Schar im Saal, die andere drängt es an die frische Luft.