Die Schulwoche beginnt mit einer Zeremonie. Lehrer und Schüler stellen sich im Rechteck auf, der Direktor spricht ins Mikrofon: "Halten Sie sich aufrecht, nehmen Sie die Hände aus den Taschen", mahnt er. Der Direktor siezt die Kinder. Dann ruft er die einzelnen Jahrgänge auf, sie sind nach berühmten Schriftstellern benannt.
Die Schüler antworten mit einem energischen Schlachtruf, der in einen rhythmischen Wortwechsel übergeht, es folgt eine Ansprache des Schulleiters. Wegen des Feiertags haben Sie diese Woche nur drei Tage Unterricht, deshalb, sagt Albéric de Serrant, müsse jeder unverzüglich und mit voller Kraft an die Arbeit gehen, wie ein Sportler, der zum Sprint ansetzt.
"Geben Sie das Beste, so schnell wie möglich. Intelligenz, Courage, Hartnäckigkeit, das sind Sie Ihrer persönlichen Zukunft schuldig, das schulden Sie Ihren Eltern und den Menschen, die Geld für diese Schule spenden, Sie schulden es auch Ihrem Land, Frankreich."
Viele Hände sind längst wieder in die Hosentaschen gerutscht, aber die Jugendlichen hören aufmerksam zu. Drei Schüler tragen jetzt Fahnen in den Hof: die Trikolore, das europäische Sternenbanner und die Flagge der Schule. Kinder und Erwachsene legen die Hand aufs Herz und halten eine Schweigeminute, zu Ehren der Eltern und zu Ehren des eigenen Landes, betont der Direktor noch einmal. Erst dann beginnt der Unterricht.
Viele Jugendliche hängen untätig herum
Die Schule Alexandre Dumas ist ein Pilotprojekt der Stiftung "Espérance Banlieues". Treibende Kraft ist der Unternehmensgründer Eric Mestrallet.
"Als Firmenchef habe ich festgestellt, dass es vielen Bewohnern aus den Banlieues an wichtigen Kompetenzen mangelt: Sie machen Fehler im Französischen und kennen die Umgangsformen nicht. Das sind unüberwindbare Hürden, wenn man einen Job sucht."
Zufällig hörte der 46-Jährige von den sozialen Problemen der Pariser Vorstadt Montfermeil:18 Prozent Arbeitslosigkeit, 45 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, 36 Prozent der Bewohner leben unterhalb der Armutsgrenze. Aufgrund von Disziplinlosigkeit und Fehlverhalten wird jeder zehnte Schüler von der Schule geworfen, daher hängen viele Jugendliche untätig herum.
Montfermeil suchte händeringend nach einem alternativen Schulmodell, das die Stadt befrieden und die Kinder vor dem Scheitern bewahren könnte, berichtet Mestrallet. Der Unternehmer tat sich mit Experten zusammen, fand den Direktor und motivierte Lehrer. Anfangs hatten sie keine eindeutig definierte Methode, dafür viel Gespür für die Nöte und Probleme der Schüler, die fast alle aus Einwandererfamilien stammen.
Intelligent und zeitgemäß vorgehen
Schulleiter Albéric de Serrant hat vorher in katholischen Privatschulen unterrichtet und Erfahrungen mit Problemkindern. In der Schule Alexandre Dumas hat er seine Pädagogik weiter entwickelt. Er räumt ein, dass die Schulrituale Außenstehende überraschen könnten.
"Wir greifen zu allen erzieherischen Mitteln, die uns nützlich erscheinen. Wir trauen uns, Methoden der Pfadfinder zu benutzen, manches erinnert hier an Jugendlager, wir wenden uns paternalistisch an die Kinder, als ob wir eine große Familie wären. Aber wir bemühen uns dabei, immer intelligent und zeitgemäß vorzugehen, damit wir den Bedürfnissen der Jugendlichen gerecht werden."
Vor der Aufnahme eines neuen Schülers prüft der Direktor einzig die Motivation des Kindes und seiner Eltern.
Mit 108 Schülern ist die Schule Alexandre Dumas schon fast an ihre Grenze gelangt. Denn der familiäre Charakter sei Voraussetzung für ihren Erfolg, sagt Schulgründer Eric Mestrallet.