Auf dem weitläufigen Stall-Hof geht es geschäftig zu. Am Vormittag ist manche Box leer – die Pferde sind beim Training. Das beginnt für die ersten Tiere schon um sechs Uhr früh und endet für die letzten gegen Mittag. Derweil verrichten die Stall-Burschen Routinearbeiten: Ausmisten, Pferde duschen, die verschwitzt vom Training kommen. Gerade macht Vorarbeiter Thierry Roussel einen Kontrollgang zur Koppel hinter dem Hof:
"Derzeit sind die Traber im Großeinsatz, wir sind mitten in der wichtigsten Rennperiode. Die Tiere trainieren jeden zweiten Vormittag, teils mehrmals, je nach ihrem Programm. Am Folgetag ruhen sie sich dann auf der Koppel aus."
"Derzeit sind die Traber im Großeinsatz, wir sind mitten in der wichtigsten Rennperiode. Die Tiere trainieren jeden zweiten Vormittag, teils mehrmals, je nach ihrem Programm. Am Folgetag ruhen sie sich dann auf der Koppel aus."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Pferderennsport in Frankreich - Tradition vor Hindernissen".
Pferdetrainer sei der schönste Beruf der Welt - aber auch schwierig und anstrengend, gibt Thierry Roussel zu:
"Wir arbeiten sieben Tage die Woche. Es ist kein Job, in dem man unbedingt gut verdient. Ein Beruf ohne finanzielle Garantien, mit Höhen und Tiefen. Wem im Job die Leidenschaft fehlt, der gibt schnell auf. Und das ist total verständlich."
"Wir arbeiten sieben Tage die Woche. Es ist kein Job, in dem man unbedingt gut verdient. Ein Beruf ohne finanzielle Garantien, mit Höhen und Tiefen. Wem im Job die Leidenschaft fehlt, der gibt schnell auf. Und das ist total verständlich."
Museum im Schlösschen
An wahrer Passion mangelt es Alain Pagès keinesfalls. Im Gegenteil. Sein ganzes Leben hat der dynamisch wirkende 67-Jährige, auch wenn er hauptberuflich Schuldirektor war, dem Traber-Sport gewidmet. Keiner kennt dessen Geschichte, die in Frankreich über 150 Jahre zurückreicht, so gut wie Pagès. Mit raschem Schritt durchquert er den Seitenflügel des Schlösschens von Grosbois, gen Traber-Museum. Sein Museum. In mehreren kleinen Sälen ausgestellt ist, was Pagès, Konservator der europaweit einmaligen Einrichtung, seit Urzeiten sammelt. Als Hommage an die Väter des französischen Trabrennsports. Alain Pagès räuspert sich:
"Der erste Initiator der französischen Trabrennen war Ephrem Houël. Er hat unter anderem zu Napoleons Zeiten das damalige Staatsgestüt aufgebaut. Vor allem aber hat er erfolgreich für eine visionäre Idee geworben: Trabrennen auszurichten als Anreiz für die Zucht einer Rasse von Halbblütern für den Kriegseinsatz. Houël machte deutlich, welch unglaubliche Einsparungen ein solches Vorgehen ermögliche. Denn bis dato musste die Armee ihre Pferde im Ausland einkaufen, insbesondere in England. Ein Gedanke, der Napoleon zutiefst zuwider war: Er beschloss, in seiner Armee kein einziges englisches Pferd zuzulassen."
"Der erste Initiator der französischen Trabrennen war Ephrem Houël. Er hat unter anderem zu Napoleons Zeiten das damalige Staatsgestüt aufgebaut. Vor allem aber hat er erfolgreich für eine visionäre Idee geworben: Trabrennen auszurichten als Anreiz für die Zucht einer Rasse von Halbblütern für den Kriegseinsatz. Houël machte deutlich, welch unglaubliche Einsparungen ein solches Vorgehen ermögliche. Denn bis dato musste die Armee ihre Pferde im Ausland einkaufen, insbesondere in England. Ein Gedanke, der Napoleon zutiefst zuwider war: Er beschloss, in seiner Armee kein einziges englisches Pferd zuzulassen."
Trabrennen mit Hintergedanken
Alain Pagès blättert in einem Wälzer, der im Museumsfoyer ausliegt: Eine Art Traber-Bibel. Ein Kapitel ist dem ersten Rennen gewidmet, das um 1830 in der nordfranzösischen Hafenstadt Cherbourg stattfand.
"Ein französischer Weinhändler, der von englischer Kundschaft träumte, schlug eines Tages Houël einen Deal vor. Er werde ein Pferderennen finanzieren, um aus England potentielle Kunden für seinen Wein anzulocken. Das hatte er zuvor schon erfolglos mit einem Bootsrennen versucht. Nun setzte er alle Hoffnung in ein Trabrennen. Dazu reisten wirklich Engländer an, doch von der Veranstaltung waren sie nur mäßig angetan. Ephrem Houël konnte jedoch feststellen, wie sehr sich die französische Bevölkerung und die Züchter dafür begeisterten. Vor allem aber die Lokalpolitiker: Sie sahen im Trabrennen eine Gelegenheit, ihren Wählern eine Freude zu bereiten."
Vom gelungenen Auftakt in Cherbourg aus traten die Trabrennen ihren Siegeszug durchs ganze Land an. Höhepunkt der Saison ist bis heute das Rennen, das immer am letzten Januar-Sonntag in Vincennes läuft: Der Prix d'Amerique, 1920 eingeführt als Dank für die US-amerikanische Schützenhilfe während des Ersten Weltkriegs.
"Ein französischer Weinhändler, der von englischer Kundschaft träumte, schlug eines Tages Houël einen Deal vor. Er werde ein Pferderennen finanzieren, um aus England potentielle Kunden für seinen Wein anzulocken. Das hatte er zuvor schon erfolglos mit einem Bootsrennen versucht. Nun setzte er alle Hoffnung in ein Trabrennen. Dazu reisten wirklich Engländer an, doch von der Veranstaltung waren sie nur mäßig angetan. Ephrem Houël konnte jedoch feststellen, wie sehr sich die französische Bevölkerung und die Züchter dafür begeisterten. Vor allem aber die Lokalpolitiker: Sie sahen im Trabrennen eine Gelegenheit, ihren Wählern eine Freude zu bereiten."
Vom gelungenen Auftakt in Cherbourg aus traten die Trabrennen ihren Siegeszug durchs ganze Land an. Höhepunkt der Saison ist bis heute das Rennen, das immer am letzten Januar-Sonntag in Vincennes läuft: Der Prix d'Amerique, 1920 eingeführt als Dank für die US-amerikanische Schützenhilfe während des Ersten Weltkriegs.
Pferderennen und grüne Landschaften
Im letzten Museumssaal flimmert der historische Mitschnitt eines Prix d'Amerique über den Videoschirm. Hier in Vincennes, traditionelles Arbeiter- und Industriegebiet im Pariser Osten, bot der Rennbetrieb manchem einen lukrativen Nebenerwerb: Wer das Glück hatte, über ein Häuschen mit Garten zu verfügen, vermietete den Besitz während der winterlichen Rennsaison an anreisende Trainer mit ihren Tieren. Bis dann vor 50 Jahren Pferde und Jockeys von der urbanen Entwicklung in das neugebaute Traber-Trainingszentrum Grosbois vertrieben wurden.
Alain Pagès schickt sich an, das Museum zu verlassen. Nach einigen Schritten bleibt er stehen und hebt dozierend den rechten Zeigefinger:
"Bei den Pferderennen handelt es sich nicht nur um ein Wettspiel, sondern um einen Wirtschaftszweig. Eine Wirtschaftsbranche, die den ländlichen Raum leben lässt. An den Pferderennen hängen 80.000 bis 100.000 Arbeitsplätze in Frankreich. Zudem: Wir sprechen heute so viel von Umweltschutz. Die Pferderenn-Branche sorgt dafür, grüne Landschaften zu erhalten. Und eine bäuerliche Wirtschaft, die nichts gemein hat mit der industriellen Landwirtschaft, die sich weltweit immer mehr ausbreitet."
Ein Thema, das Pagès auch Trainern und Jockeys im umliegenden Traber-Zentrum gerne regelmäßig ans Herz legt.
Alain Pagès schickt sich an, das Museum zu verlassen. Nach einigen Schritten bleibt er stehen und hebt dozierend den rechten Zeigefinger:
"Bei den Pferderennen handelt es sich nicht nur um ein Wettspiel, sondern um einen Wirtschaftszweig. Eine Wirtschaftsbranche, die den ländlichen Raum leben lässt. An den Pferderennen hängen 80.000 bis 100.000 Arbeitsplätze in Frankreich. Zudem: Wir sprechen heute so viel von Umweltschutz. Die Pferderenn-Branche sorgt dafür, grüne Landschaften zu erhalten. Und eine bäuerliche Wirtschaft, die nichts gemein hat mit der industriellen Landwirtschaft, die sich weltweit immer mehr ausbreitet."
Ein Thema, das Pagès auch Trainern und Jockeys im umliegenden Traber-Zentrum gerne regelmäßig ans Herz legt.